Während meines Studiums war ich besessen von der Xbox 360. Nicht etwa, weil ich eine gehabt hätte und beinharte Verfechterin meiner Hardwareentscheidung gewesen wäre, sondern weil ich unbedingt eine Xbox 360 wollte.
Ich war verliebt in diese schicke, schwarze Konsole mit dem großartigen GamePad, über die ich schon soviel gelesen hatte und die in meinem PC- und Wii-lastigen Freundeskreis mehr eine Art Mysterium war als etwas, das in unseren Wohnzimmer stand. In meinem Fall war der Grund, der zwischen mir und der Erfüllung meines Konsolentraums stand, der ultimative Endgegner aller Student*innen: Geld.
Also sparte ich. Jeder durch diverse Nebenjobs verdiente Euro, der nicht gerade in mein Fotodesignstudium floss, landete in meinem Xbox-Sparschwein (aka einem Schuhkarton, auf dem "Xbox" stand) bis es endlich nach viel, viel zu langer Zeit, so weit war. Nach langen Monaten des Wartens, des Schuftens, des Schmachtens war er endlich gekommen. Der Tag, an dem ich mir eine Xbox 360 kaufen wollte.
Er kam. Und ich kaufte mir eine PS3. Und Schuld daran ist Nathan Drake.
Eine langsame Liebe
Zwischen mich und meine Xbox 360 kam allerdings der Besuch eines Freundes. Im Gepäck hatte er neben einer PS3 auch Batman: Arkham Asylum und Uncharted 2: Among Thieves, die er mir unbedingt zeigen wollte, weil er fest überzeugt war, dass sie mir gefallen würden. Wie es sich herausstellte, sollte er Recht behalten (ebenso wie mit Mass Effect, danke für dieses Trauma, Peter!).
Rae Grimm
@freakingmuse
Rae liebt seit ihrer Kindheit Abenteuergeschichten rund um die Suche nach Schätzen in fernen Ländern. Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis sie der Uncharted-Reihe verfallen würde, dessen (vorläufiges?) Ende sie noch immer betrauert. Schuld daran ist besonders Nathan Drake, der für sie ihre eigene Abenteuerlust repräsentiert. Mittlerweile verbricht Rae sehr viel Zeit mit ihrer Xbox Series X und wenig Zeit mit Uncharted.
Ich würde gern sagen, dass es Liebe auf den ersten Blick war zwischen mir und Uncharted 2, aber das stimmt nicht. Versteht mich nicht falsch, gerade der actionreiche Beginn des Spiels machte unglaublich viel Spaß und sein charmanter Held (der mich an Malcolm Reynolds aka Nathan Fillion aus meinem geliebten Firefly erinnerte) hatte es mir auch schnell angetan. So richtig Klick machen wollte es allerdings nicht - vielleicht, weil ich zuvor das fantastische Arkham Asylum angespielt hatte und gedanklich noch mit Batman von irgendwelchen Decken hing.
Was für einen bleibenden Eindruck Uncharted und gerade Nathan Drake bei mir hinterlassen hatten, wurde mir erst in den folgenden Wochen bewusst. Meine Gedanken kehrten immer wieder zu dem lässigen Schatzsucher zurück, der mich so sehr an die Abenteurer meiner Kindheit erinnerte. Immer wieder kreisten sie um die Szene, in der Nathan von seinem Begleiter Flynn bei einem Museumseinbruch verraten wird. An dieser Stelle hatten wir abgebrochen und ich hatte keine Ahnung, was als nächstes passieren würde. Aber ich wollte es unbedingt wissen. Ich musste erfahren, wie Nathan aus dieser Situation herauskam. So dringend, dass ich mir dafür eine PS3 kaufte.
Spielbare Abenteuerlust
Im Nachhinein betrachtet überrascht mich meine eigene Übersturzhandlung gar nicht. Denn im Kern ist Uncharted genau das, was ich schon seit meiner Kindheit liebe: eine fantastische Abenteuergeschichte inklusive einem charmanten, witzigen Helden mit einer Liebe zur Geschichte. Uncharted verkörpert genau das, was ich an Filmen wie Die Goonies, Die Mumie und Indiana Jones geliebt habe und weshalb ich später auch Lara Croft und Tomb Raider verfallen bin.
Es war eigentlich nur logisch, dass ich auch Nathan Drake verfallen musste, der ähnlich wie Lara und Indiana auf der Jagd nach den Schätzen längst vergangener Zeiten war. In meinen Augen war der Schatzsucher eine Mischung der beiden, ein moderner Indiana Jones und die spielbare Verkörperung meiner eigenen Abenteuerlust. Eine nostalgische Erinnerung daran, was ich als Kind immer sein wollte: ein durch die Welt reisender Geschichts-Nerd, die in fernen Ländern das Abenteuer sucht und findet.
Hinzu kam, dass Nathan als Charakter unglaublich charmant und witzig war, ein bisschen nerdig und trottelig. Er war nicht perfekt, sondern menschlich und fehlbar. Realistisch und nahbar auf eine Art, die mir Lara Croft bis zu ihrem Reboot 2013 nicht bieten konnte. Und er hatte einen fantastischen Cast um sich, der all das noch verstärkte.
Nathan als Sonne im Uncharted-Universum
Nate ist am besten, wenn er nicht allein unterwegs ist. Sei es Sully oder Elena, Chloe oder Sam, Harry oder Tenzin: Nathan glänzt besonders, wenn er Begleitung hat, mit der er im verbalen Schlagabtausch steht. Manche Kritiker legen das aus, dass er für sich alleine zu langweilig ist und es eigentlich der Cast um ihn herum ist, der Uncharted so besonders macht. Dem würde ich widersprechen. Es gibt genug Momente, in denen Nathan für sich alleine funktioniert, doch alles was ihn hier besonders macht - sein Charme, sein Humor, sein Nerdtum - wird durch andere nur verstärkt.
Das Besondere an allen Charakteren in Uncharted ist ihr Zusammenspiel. Für sich allein mögen sie interessant sein, wirklich zum Leben erwachen sie gemeinsam. Gerade im Verlauf der kompletten Reihe verstärken und reflektieren sie nicht nur einzelne Aspekte von Nathan, sondern machen vor allem deutlich, wie sehr sich der Abenteurer verändert und wächst. Sie zeigen einen realistischen Wandel mit allen Höhen und Tiefen, wie ich ihn mir häufiger in Spielen wünschen würde. Besonders spiegelt sich das in den Aufs und Abs seiner Beziehung zu Elena Fischer wieder, die zeigt, dass Veränderung und Wachstum manchmal bitter nötig sind, aber nicht bedeuten müssen, dass man sich selbst verliert.
Nathan Drake mag für viele nichts Besonderes sein oder ein weiteres Beispiel eines braunhaarigen Typen mit Dreitagebart, wie wir sie so oft in Videospielen sehen. Für mich allerdings ist er eine Repräsentation meiner eigenen Abenteuerlust, meiner Kindheitsträume und der Sehnsucht nach fernen Ländern.
Und für alle, die es sich fragen: Ich habe mir letztlich doch noch eine Xbox 360 gekauft, aber nach Nathan Drake war es einfach nicht mehr dasselbe.
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