Einmal wird noch durchgewischt, dann gehen die Lichter aus – Microsoft schließt kommenden Montag die Pforten zu einer der für mich prägendsten Videospielinstitutionen unserer Zeit: dem Xbox 360-Marktplatz. Ab diesem Zeitpunkt können keine Spiele mehr für den Konsolen-Dino gekauft werden, der Shop wird ersatzlos gestrichen. Und ich ärgere mich darüber, da der gezogene 360-Stecker überhaupt nicht zur Agenda der Xbox-Marke passt.
Wie ein Shop eine ganze Ära geprägt hat
Der 360-Marktplatz war mein erster Kontakt mit digital verkauften Inhalten, im Konsolen-Segment gab es zuvor nichts Vergleichbares. Ich habe mir Addons für meine Spiele gekauft, Map Packs für Halo 3 und CoD4, zusätzliche Handlungsstränge für The Elder Scrolls IV: Oblivion und Auto-Pakete für Forza Horizon.
Außerdem habe ich mir mein Spielerprofil mit einem Gamer Pic vom Master Chief aufgehübscht, ein cooles Gears of War 3-Thema in den Hintergrund geklatscht und natürlich die rein digital erhältlichen Xbox Live Arcade-Spiele genossen!
Ich rannte regelmäßig über die 2.5D-Schlachtfelder von Bomberman Live, rettete Prinzessinnen in Castle Crashers, brach mir sämtliche Knochen in Trials HD und ärgerte meine Online-Freunde über hunderte Abende hinweg in der 360-Adaption von UNO.
Erschuftet habe ich mir die ganzen Goodies über Ersparnisse aus Ferienjobs und Taschengeld, die dann gegen Microsoft Points-Kärtchen an der örtlichen Tanke getauscht wurden. Die Käufe mussten also sitzen und sie taten es meist auch, schließlich gab es zu allem eine Demo oder Vorschauversion.
Etwas später im Lebenszyklus der 360 kam dann noch eine der größten Neuerungen hinzu: Große Double- und Triple-A-Spiele konnten aus dem Store heruntergeladen und installiert werden. Das gab es zuvor noch nie und es änderte so einiges – schließlich gab es 360-Spiele (abseits der Indie-Titel) davor ausschließlich als physische Kopie im Einzel- und Versandhandel.
War die Auflage bei nischigen Titeln vergriffen, gab es sie schlicht nicht mehr. Nun konnte ich sie in digitaler Form kaufen, ohne jegliche Beschränkungen. Wahnsinn!
Kurzum: Es war eine innovative Zeit, in der viel experimentiert wurde und in der Neuerungen das Licht der Welt erblickten, die wir heutzutage als gegeben betrachten.
Microsoft knipst dem 360-Marktplatz das Licht aus
Vor fast genau einem Jahr kam dann die Meldung, dass Microsoft den Xbox 360-Marktplatz abschalten wird. Also knapp 11 Jahre, nachdem die 360 von der Xbox One abgelöst wurde. Und für mich passt das einfach nicht in die Bestrebungen des amerikanischen Tech-Giganten.
Der langfristige Erhalt von älteren Spielen wurde von der Xbox-Sparte stets als wertvolles Gut betrachtet, weshalb auch dementsprechend agiert wurde: Erst vor einigen Monaten wurde eine dedizierte Game Preservation-Abteilung gegründet, außerdem sind zahlreiche Xbox Classic- und 360-Spiele mit dem Betriebssystem der Xbox One- und Xbox Series-Generation kompatibel sowie in den modernen Stores erhältlich.
Aber eben nicht alle. So wird etwa der stylische Schnetzler The Dishwasher für ewig im digitalen Nirvana verschwinden, weil er es auf keine andere Plattform geschafft hat. Ein paar weitere Spiele gibt es zudem noch im PS3-Store, aber wer weiß, wie lange es den noch geben wird – abgeschaltet werden sollte er in der Vergangenheit ja bereits, Sony erschwerte dann nach Fan-Protesten erheblich den Kauf. Der Großteil der 360 Arcade-Spiele hat es zudem auf den PC geschafft, aber im Xbox-Kosmos gibt es die Spiele nach der Abschaltung schlicht nicht mehr.
Zudem ist ein Online-Vertrieb perfekt für Retro-Fans, da er das Preisgefüge stabil hält. Ich habe mal bei einigen nicht-abwärtskompatiblen 360-Spielen nachgeschaut, was mich eine physische Kopie kosten würde und huuuuuiiiii, bei einigen Titeln ist sogar eine gebrauchte Version alles andere als günstig.
Beliebte Titel aus der Crash Bandicoot-Reihe konnte ich zum Beispiel nicht mehr für unter 60 Euro entdecken, für eine lokalisierte Fassung des Mecha-Shooters Armored Core: Verdict Day werden gern mal 80 Euro fällig. Ähnliche Preisexplosionen habe ich zuvor auf so ziemlich allen Konsolenplattformen beobachtet und es ist jedes Mal ein Ärgernis.
Eine Abschaltung war langfristig zu erwarten, erwischt mich aber immer noch auf dem falschen Fuß
Ich kann den Gedanken hinter der Abschaltung des 360-Marktplatz nachvollziehen, schließlich kostet die Aufrechterhaltung viel Geld. Ein Großteil der beliebtesten Spiele ist zudem auf Xbox One und Xbox Series X|S spielbar und es wird nur noch eine wirklich kleine Community weiterhin an der Xbox 360 zocken.
Außerdem dürfte die Rechtelage irgendwann unüberschaubar bei den Titeln werden, deren Publisher geschlossen wurden oder bei denen Markenrechte nicht mehr verlängert werden. Nicht grundlos wurden über die letzten Jahre hinweg bereits über 400 Spiele aus dem Angebot gekickt.
Dennoch schaue ich wehmütig auf die Schließung des Marktplatzes, da er Teil einer absoluten Revolution im Hinblick auf Online-Gaming auf den Konsolen war. Gleichzeitig bin ich auch ein wenig verärgert, da es für mich nicht passt, dass ausgerechnet Microsoft mit seinem großen und selbst auferlegten Preservation-Anliegen noch vor Sony den Rotstift ansetzt.
Nach all den Bekundungen der Vergangenheit fühlt sich eine Einschränkung der Verfügbarkeit von 360-Spielen schlichtweg falsch und verfrüht an.
Glücklicherweise laufen aktuell aber noch ein paar Rabatte, bei denen ihr für ein bisschen Klimpergeld zuschlagen könnt. Denn: Ihr behaltet die Spiele und könnt sie auch weiterhin (in einem extrem unübersichtlichen Transaktionsverlauf) herunterladen.
Meine Favoriten im Angebot:
- die unheimlich spaßigen 2D-Hack & Slays The Dishwasher, The Dishwasher: Vampire Smile und Charlie Murder
- der Weltraum-Shooter DarkStar One
- das Agenten-Spiel Remember Me
- sowie das witzige Action-RPG DeathSpank
Aber auch abseits dieser Empfehlungen solltet ihr unbedingt noch einmal durch den ganzen Marktplatz blättern, und dringend überlegen, ob ihr nicht doch noch einen bestimmten Titel nachholen möchtet. Bis zum 29. Juli ist das jetzt nämlich die allerletzte Möglichkeit!
Findet ihr es auch so schade, dass der 360-Store abgeschaltet wird? Oder habt ihr die Generation schon längst hinter euch gelassen?
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.