Wolkige Zukunftschancen ...
Minecraft hat also eine plattformübergreifende, überaus eingeschworene Community, die Microsoft nun mit Gold aufwiegt. Und die der Windows-Konzern natürlich auf keinen Fall verprellen darf, denn das wäre Marken-Selbstmord. So muss niemand befürchten, dass die Minecraft-Versionen für PlayStation, iOS und andere Nicht-Microsoft-Systeme eingestellt werden, zumindest nicht in naher Zukunft. Denn erstens würde man damit eine Stärke von Minecraft - die Plattformvielfalt - verspielen, zweitens wäre das ein PR-Gau, den sich selbst eine Fettnäpfchen-Firma wie Microsoft (Wie war das noch mit dem »Always On« der Xbox One?) nicht leisten kann.
Stattdessen dürfte Microsoft die Minecraft-Community nutzen, um seine eigenen Produkte in den Vordergrund zu spielen. Einerseits über Werbung, auch Minecraft-Spielern kann man ja neue Windows-Versionen & Co. verkaufen, andererseits sollte bald eine Minecraft-Version für Windows Phone folgen. Perspektivisch könnte Microsoft dann später alle eigenen Minecraft-Plattformen (also PC, Xbox und Windows Phone) zu einem einzigen, cloud-basierten Service verschmelzen. Denn das würde bestens in die Konzernstrategie passen, die der neue Microsoft-Boss Satya Nadella ausgegeben hat, und in der immer wieder von einer »mobile-first and cloud-first world« die Rede ist.
Über eine gemeinsame Cloud-Plattform könnten dann Modder komfortabel ihre Plugins zum Download anbieten, vielleicht sogar auf einem Marktplatz verkaufen, Communitys könnten entstehen, Freunde sich finden, Spieler könnten Kreationen austauschen und Server aufsetzen, am besten gleich inklusive Skype-Integration zur Plauderei. Vielleicht könnte man dank Cloud-Spielständen sogar eine am Computer begonnene Partie auf dem (Windows-)Smartphone fortsetzen, oder umgekehrt.
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Zumindest aber hätte die für Außenstehende unübersichtliche Minecraft-Community endlich einen zentralen Anlaufpunkt, der sich dann sukzessive zur Plattform auch für andere Spiele ausbauen ließe. Aus »Minecraft Online« könnte eine Art Steam 2.0 werden, über das Microsoft auch Indie-Titel und anderes verkaufen und verknüpfen könnte. Für einen solchen, plattformübergreifenden Online-Dienst gäbe es schlechtere Startpunkte als Minecraft, auch das macht seine Community so wertvoll.
Nur bliebe diese schöne, neue Online-Welt eben auf die Microsoft-Plattformen beschränkt - dass Sony, Apple und Google auf ihren Endgeräten einen Microsoft-Dienst zulassen würden, ist zweifelhaft. Dann würden die Microsoft-Versionen auch tatsächlich die Vorherrschaft in der Minecraft-Familie übernehmen, weil sie die modernsten wären. Und damit wären wir bei den Fallstricken der Microsoft-Übernahme.
... und drohende Konzernfesseln
Um die Community nicht zu verärgern, wird Microsoft vielen Versuchungen widerstehen müssen. Zum Beispiel jener, Erweiterungen und DLCs zu verkaufen. Minecraft verdankt seine Beliebtheit auch seinen kostenlosen Updates - und zwar auf allen Plattformen. Falls künftig vor allem die Versionen für Xbox, PC und Windows Phone weiterentwickelt werden, während PlayStation, iOS, Android, Mac und Linux verkümmern, dürfte das die Community ebenfalls nicht gerade zu Jubelstürmen veranlassen.
Der größte Fallstrick ist aber der Verlust der Freiheit. Die PC-Version von Minecraft lebt von ihrer Unabhängigkeit, Mojang ließ Modding ebenso zu wie das Geldverdienen mit kostenpflichtigen Multiplayer-Servern. Gut möglich, dass Microsoft zumindest Letzterem mit restriktiven Lizenzvereinbarungen den Riegel vorschiebt oder zumindest einen dicken Anteil verlangt. Konzerne sind ja generell nicht gerade für ihre Großzügigkeit bekannt, wenn es darum geht, Gewinne an andere zu verschenken.
Auch eine eventuelle Minecraft-Cloud könnte zwar die Plattformen verschmelzen und eine Menge Komfort bringen, zugleich aber auch den Charme der chaotischen Indie-Fangemeinde mit einem stromlinienhaften Interface voller Werbung (»Kaufen Sie Office!«) glattbügeln. Dass Microsoft seelenlose Benutzeroberflächen aus dem FF beherrscht, sieht man ja nicht zuletzt am Dashboard der Xbox One.
»Seelenlos« ist das Stichwort: Microsoft kann Minecraft seine Seele rauben, es kann ein Indie-Märchen zum Konzernprodukt zerbügeln, zum auf Profit getrimmten Goldesel. Minecraft wurzelt in der Idee, im Einklang mit der Community zu wachsen, nicht auf Kosten der Community. Dass man hier sehr vorsichtig sein muss, hat Mojang selbst vor einigen Wochen gemerkt, als es die Server-Modifikation Bukkit vom Fan- zum Inhouse-Projekt ummodelte.
Das war legitim, Mojang hatte die Rechte an Bukkit eigentlich schon Anfang 2012 übernommen, aber die Weiterentwicklung durch die Community geduldet. Doch als diese Community in einer Abstimmung entschied, das Projekt einzustellen, weil es gegen die Minecraft-Lizenzvereinbarung verstoßen könnte, schritt Mojang ein und übernahm Bukkit vollends - woraufhin 36 Entwickler und Moderatoren das Bukkit-Projekt verließen.
Und wenn schon Mojang selbst sich bei den Fans derart schnell unbeliebt machen kann, dann dürfte ein Konzern wie Microsoft hier noch leichteres Spiel haben.
Microsoft wird beweisen müssen, dass es diese Unabhängigkeit bewahren kann. Dass es sich darauf versteht, Minecraft gemeinsam mit den Fans weiterzuentwickeln, nicht gegen die Fans. Sonst kann es seine teuer eingekaufte Community gleich wieder vergessen.
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