Wenn ich die Idee gehabt hätte, einen Shooter im postapokalyptischen Russland zu produzieren, in dem es vor Radioaktivität, Mutanten und Unmenschlichkeit nur so wimmelt, wäre die Moskauer Metro wohl das letzte Setting, das mir einfallen würde. Mit fensterlosen Gängen, spürbarem Elend und Parallelgesellschaften auf den unterschiedlichen U-Bahn-Linien war Metro 2033 damals ein kleines Survival-Juwel, das sich nicht vorwerfen lassen musste, aktuellen Trends hinterherzulaufen.
Endlich mehr Apokalypse
Aber die Moderne nagte bisher noch an jeder Tradition und deswegen dürfen wir in Metro: Exodus nun an den Ticketschaltern vorbei und dauerhaft raus an die gar nicht mal so frische Luft. Das neue 4A Games-Projekt soll das bisher größte Spiel der russischen Entwickler werden. Und mit Größe ist hier ganz klar die halboffene Spielwelt gemeint, die jede Klaustrophobie der Vorgänger vergessen macht. So schön das Erkunden des dauerkalten Ödlands aber auch ist, ein wenig schade ist die neue Ausrichtung alle mal.
Eine "echte" Open World wird es in Metro: Exodus dann aber doch nicht geben. Vielmehr verlässt sich das verhältnismäßig kleine Team auf eine Aneinanderreihung von halboffenen Arealen, die wir zwar durchstöbern können, nach dem Abschluss der jeweiligen Story-Missionen aber auch hinter uns lassen. Dann geht es mit dem Zug "Aurora", der als HUB dient, weiter in das nächste Gebiet. Und auch dort können wir dann Crafting-Materialen sammeln, unsere Waffen customizen sowie die Story um den Serienhelden Artjom vorantreiben.
Open World nach Vorschrift
Im Rahmen eines Events hatte ich die Gelegenheit, eines dieser offen Areale selbst anzuspielen und durch das radioaktive Marschland der Moskauer Umgebung zu wandern. Mit einer Gruppe von Überlebenden, die sich auch aus bekannten Metro-Charakteren wie Artjoms Ehefrau Anna zusammensetzen, düse ich mit über die gefrorenen Gleise, bis uns eine menschgemachte Blockade ausbremst und der Zug reparaturbedürftig auf der Strecke liegenbleibt.
Bevor ich aber den Zug verlassen darf, um eine geheimnisvolle Kirche in der Nähe zu untersuchen, drückt mir Metro: Exodus zwei wichtige Dinge in die Hand. Zum einen ist da die physische Karte des Spiels, die Artjom via Knopfdruck hervorholt und die mit Kompass und ohne Mini-Map etwas Sinn für Orientierung einfordert. Zum anderen erhalte ich auch einen Rucksack, den ich jederzeit vor mir abstellen kann, um spontan Zugriff auf ein entschlacktes Crafting-Menü zu erhalten.
Wichtig sind die beiden Dinge vor allem deshalb, weil sie deutlich machen, worum es in Metro: Exodus größtenteils gehen wird. Wir erkunden eine frei begehbare Welt und versuchen zu überleben, indem wir Materialen aufklauben und Munition sowie andere Hilfs-Items zu craften. Das ist zwar durchaus unterhaltsam, doch gleich von der ersten Sekunde an kam hier bei mir das Gefühl auf, eigentlich nur eine besonders schicke Fallout 4-Mod zu spielen.
Fehlt nur noch der Pip-Boy 3000
Ragten Metro 2033 und Metro: Last Light durch ihre beklemmende Atmosphäre noch heraus, scheinen 4A Games ihr nischiges Alleinstellungsmerkmal gegen einen aktuellen AAA-Anstrich eintauschen zu wollen. Und die Fallout-Parallelen enden nicht mit Crafting und Open World, denn wie in Bethesdas RPG müssen wir radioaktiv verstrahlte Gebiete meiden, uns gegen menschenähnliche Mutanten zur Wehr setzen und nach Upgrades für unsere Waffen suchen.
Den Löwenanteil meiner Zeit in Metro: Exodus habe ich damit verbracht, leerstehende Häuser zu durchsuchen, immer in der Hoffnung, neue Visiere oder größere Magazine zu finden. Und das hat Spaß gemacht, denn die kaputte Welt ist deutlich realistischer als die retrofuturische Fallout-Ödnis. Ich hoffe, dass die Entwickler versuchen, innerhalb der Ruinen auch kleinere Geschichten zu erzählen. Aufgefallen ist mir das in der kurzen Zeit allerdings nicht.
Zur übergreifenden Geschichte von Metro: Exodus kann ich nicht viel sagen, dafür war die Zeit mit meinen Zug-Kollegen zu kurz. Aber immerhin stimmt das World-Building: Als ich die mysteriöse Kirche aufsuchte, wurde ich direkt mit einem gewalttätigen Kult konfrontiert, der Technologie als Sünde verteufelt. Wirklich überrascht war ich aber nicht, dass mich in einer Postapokalypse auch religiöser Fanatismus erwartet, auch das gab es in Fallout schon mehr als genug.
Wo Überleben noch eine Herausforderung ist
Aber die Begegnung innerhalb der Kirche hatte dennoch einen wichtigen Effekt auf mich. Mir ist schnell klargeworden, dass auch Metro: Exodus nur bedingt ein klassischer Shooter sein möchte. Mit Waffengewalt hätte ich auf meiner Flucht vor dem Kult keine Chance gehabt, dafür war einfach zu wenig Munition vorhanden. Ich fühlte mich gezwungen, jeden Konflikt zu vermeiden. Das Metro-Franchise war schon immer schwierig und soll es auch weiterhin sein.
In Exodus wird der Survival-Aspekt sogar noch einmal stärker ausgebaut, und wo Stealth in anderen Spielen als besondere Herausforderung für erfahrene Spieler gehandelt wird, hat in Metro: Exodus das offene Feuer diesen Status. Dass das Schießen nicht im Vordergrund steht, fällt auch beim Gunplay auf. Wirklich Spaß macht es jedenfalls nicht, mit dem Sturmgewehr auf seine Mutantenfeinde zu ballern. Machtfantasien fühlen sich anders an.
Trotz der spielerischen Freiheit, die jetzt im Fokus steht, hält Metro: Exodus an der Wichtigkeit der franchisetypischen Atmosphäre fest. Wenn Artjom mit einem Paddelboot über schlammige Seen rudert und sich am Ufer dann reptilienartige Mutanten ins Brackwassser schlängeln, sorgt das für Anspannung. Vor allem, weil Artjom beim Rudern nicht einfach zur Waffe greifen kann. Und natürlich spielen die Entwickler dann mit dieser Ungewissheit, ob nun ein Angriff aus der Tiefe folgt oder nicht.
Die Endzeit ist noch nicht ganz fertig
Vor ein paar Wochen wurde bekannt, dass man sich dazu entschieden hat, den Release von Metro: Exodus nach hinten zu verschieben. Nach meiner Demo-Session mit dem Spiel kann ich diese Entscheidung nur gutheißen, denn Metro: Exodus ist alles andere als fertig. Abgesehen davon, dass meine Version irreparabel abstürzte und ich die Konsole wechseln musste, um weiterzuspielen, stieß ich auch dann noch auf schwerwiegende Bugs.
In einem dunklen Kellergewölbe kam es dann ein halbes Dutzend Mal dazu, dass Artjom nicht mehr feuern konnte, die Gegner mich nicht mehr wahrnahmen und ich den Abschnitt nicht beenden konnte. Ich hoffe sehr, dass 4A Games die Zeit nutzen können, um den technischen Aspekt ausreichend abzudecken. Denn angesichts der wunderschönen Spielwelt, der beeindruckenden Wettereffekte und dem einfallsreichen Monsterdesign, wäre es mehr als schade, wenn die Atmosphäre des Spiels unter den grafischen Ambitionen leiden müsste.
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