Mit der komplizierten PS1-Tastenkombination rechts rechts, Viereck und Dreieck, links schräg hoch, Viereck und Dreieck täuscht Yoshimitsu einen Flick-Flack an, springt vor dem Gegner in die Höhe, wirbelt sein Schwert über den Kopf und fliegt einfach wie ein Helikopter davon. Ein recht sinnloser Move, den ich als Kind in Tekken 3 aber dauernd angewendet habe. Einfach nur, weil ich es konnte und viel wichtiger noch: Weil ich selbst herausgefunden habe, wie er funktioniert.
Was ist "Mein Herz für Klassiker"?
In diesem wöchentlichen Format stellt euch die GamePro-Redaktion abwechselnd ein Spiel vor, das mindestens zehn Jahre ist und erklärt euch, warum es sich dabei aus unserer persönlichen Sicht (!) um einen Klassiker handelt. Mal ist es das Gameplay, das seiner Zeit voraus war, mal eine Story, die nie an Relevanz verloren hat oder einfach nur ein Spielelement, das uns nicht mehr aus dem Kopf geht.
Meine Schulfreundin, mit der ich Anfang der 2000er eine Zeit lang fast jeden Nachmittag das eigentlich 1998 erschienene Prügelspiel von Namco im Couch-Koop auf der ersten PlayStation spielte, verstand nicht, warum ich diesen Trick so feierte. Sie ließ sich auch nicht davon beirren, dass ich meinen Lieblingskämpfer Yoshimitsu in einem Kampf manchmal dazu brachte, sich sein eigenes Schwert in den Bauch zu rammen, nur um seinen Kontrahenten anschließend ein bisschen zu pieksen. Meistens besiegte sie mich stattdessen einfach mit den schnell aufeinanderfolgenden Tritten des Bruce Lee-Verschnitts Law.
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Das Move-Heft
Anstatt lediglich pausenlos auf den X- oder Viereck-Button einzuhämmern, wollte ich Tekken 3 immer ausreizen. Mit meinem Dragonball-Kindheitshelden Son-Goku im Hinterkopf, der bei seinem Lehrmeister Muten-Roshi mit viel Eifer irgendwann das Kamehameha lernte, verbrachte etliche Nachmittage allein damit, im Übungsmode des Spiels Moves zu trainieren. Zuerst ausschließlich mit Yoshimitsu und später mit anderen Kämpfern wie Eddy Gordo, Ling Xiaoyu, Mokujin und Gon, der übrigens furzen konnte.
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Neben mir lag stets ein Heft. DIN A5, kariert und ohne Umschlag. Meine Mutter hatte es mir eigentlich für den Mathematikunterricht gekauft. Schaffte ich es, mit meinem Tekken-Kämpfer einen Angriff erfolgreich auszuführen, trug ich die entsprechenden Tastenbefehle in mein "Move-Heft" ein. Das X malte ich mit einem blauen Filzstift, das Viereck rosa, das Dreieck grün und den Kreis rot - ordentlich, wie ich in der Schule hätte sein sollen.
Die Quittung für den Ehrgeiz
Irgendwann hatte ich die Spezialangriffe für fast jeden Charakter des Spiels in meinem Heftchen verzeichnet. Für einige Zeit stopfte ich es mir sogar zwischen Atlas und Geschichtswälzer in den 4You-Ranzen, um es heimlich im Unterricht zu studieren. Mein Ziel war es, die Moves von Yoshimitsu und Co. so zu verinnerlichen, dass ich sie später am Nachmittag wie das Einmaleins auf meine Mitspielerin abfeuern konnte. Ich wollte ihr eben unbedingt beweisen, dass Tekken 3 mehr ist als reines Button-Mashing, sondern vielmehr eine Wunderkiste voller Möglichkeiten, in der man erst einmal eine Weile herumwühlen muss.
Mein Ehrgeiz sollte aber bestraft werden.
Während einer Stillarbeitsphase in einer Englischstunde war ich so vertieft darin, mir Playstation-Button-Kombinationen ins Gehirn zu prügeln, dass ich die Lehrerin hinter mir nicht bemerkt hatte. Sie tippte mich an und fragte, warum ich denn nicht mein Arbeitsblatt ausfülle, sondern stattdessen auf bunte Symbole in einem schmuddeligen Heft starre. Mehr als ein rotes Gesicht konnte ich in diesem Moment nicht zustande bringen und mein Herz legte noch einmal einen Zahn zu, als sie anschließend zum Lehrerpult ging, um mir für die Stunde einen Klassenbucheintrag, sprich eine Art Strike, zu verpassen.
Was genau drin stand, weiß ich leider nicht mehr. Vielleicht ja so etwas wie "Linda Sprenger mag Tekken 3 lieber als Past Perfect Simple". Das Heft hatte ich übrigens irgendwann leider verloren, aber erst nachdem es mir gelang, den Charakter meiner Freundin mit Yoshimitsus Schwert aufzuspießen.
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