Wenn wir von Nintendo und der NES-Ära reden, dreht sich das Gespräch in der Regel um die großen Drei des japanischen Traditionsentwicklers: Super Mario Bros., The Legend of Zelda und Metroid. Zwei dieser Franchises haben ihre Zugkraft bis heute nicht verloren, aber Samus Aran und ihre Abenteuer als Kopfgeldjägerin haben etwas an Bedeutung eingebüßt.
Das liegt natürlich größtenteils an der Einfallslosigkeit, die nach der Metroid Prime-Trilogie eingesetzt hat und die mit dem frisch angekündigten Metroid Prime 4 hoffentlich ein baldiges Ende findet. Aber bevor ich mich über das Metroid: Other M-Debakel aufrege, sage ich lieber ein paar warme Worte zu einem ganz besonderen Klassiker: dem Erstling Metroid.
Als ich Anfang der 90er Jahre die gebrauchte NES-Konsole eines entfernten Verwandten kaufen durfte, blieb meine Spielauswahl lange Zeit relativ übersichtlich. Eigentlich wechselte ich nur zwischen Super Mario Bros., Nintendo World Cup und Tetris und das auch nur, weil alle drei Titel auf demselben Modul zusammengepfercht wurden.
Obwohl ich dabei wohlgemerkt viel Spaß hatte, traf mich das beim Nachbarsjungen ausgeliehene Metroid trotzdem wie aus dem Nichts. Zum ersten Mal hatte ich ein Spiel vor Augen, das auf Levelarchitektur und Sound-Design setzt, wenn es um die Etablierung eines bestimmtes Spielgefühls geht.
Anschlag neuer Töne
Bis zu meinen ersten Schritten auf Planet Zebes (und dem Morph-Upgrade) dachte ich, dass spielerische Atmosphäre nur durch Textblöcke und Standbilder transportiert werden kann. Und deshalb möchte ich mich hier gar nicht mit der Metroidvania-Thematik aufhalten, die das Metroid-Debüt zusammen mit der Castlevania-Reihe in Gang gebracht hat, sondern gleich auf das zu sprechen kommen, das mich bis heute an Metroid fasziniert.
Denn auch wenn die Herren Satoru Okada und Gunpei Yokoi (die übrigens auch für den Game Boy verantwortlich waren) ein Subgenre geschaffen haben, das Erkundungsfreiheit und nicht-lineare Spielansätze schon weit vor dem Open World-Trend salonfähig machte, war es der Soundtrack von Metroid, der mir bis heute im Nacken sitzt und daran erinnert, wie wichtig die erzählerische Kraft von Spielmusik sein kann.
Dabei klingen die Werke des Komponisten Hirokazu Tanaka nicht wirklich "kunstvoll" und wirken im direkten Vergleich zu anderen 8-Bit-Tracks verhältnismäßig simpel. Tatsächlich besticht Metroid aber gerade durch den Verzicht auf komplexere Pop-Melodien und erreicht durch das minimalistische Design etwas, das viele andere Komponisten zu dieser Zeit gar nicht vor Augen hatten.
Denn Metroid nimmt sich atmosphärische Hollywood-Klassiker wie Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt zum Vorbild und nutzt den eigenen Soundtrack nicht als Untermalung, sondern als prominentes Mittel, um den den Spieler ein bestimmtes Spielgefühl zu vermitteln. Im Falle von Metroid ist das die Fremdartigkeit des organischen Planeten Zebes und die gefahrvolle Einsamkeit, die Samus auf ihrem Weg durch die Labyrinthe des Spiels durchstehen muss.
Allein mit und durch die Musik
Ich bin deshalb ehrfürchtig durch das Spiel gegangen, weil mich das Kraid's Lair-Theme eingeschüchtert hat und nicht weil die Gegner fies aussahen oder der Schwierigkeitsgrad zu hoch angelegt war. Auch, wenn ich durch bereits bekannte Gebiete gekraxelt bin, hat die Bedrohlichkeit des Norfair-Themes immer wieder seine Wirkung entfacht.
Der Metroid-Soundtrack lässt sich nicht mitsummen, sondern ist oft atonal und klingt wie eine Collage an Soundeffekten, statt wie ein klassischer Score. Die Vagheit im Sound-Design hat die Fremdartigkeit der Spielumgebung unterstrichen und ich fühlte mich an einen Ort verschlagen, der nicht für mich gemacht ist. Dieses Spielgefühl habe ich erst in der Souls-Reihe wieder für mich wiederentdeckt, wobei dort das Art-Design stärker wirkt als der Soundtrack.
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Aber das Erzählerische des Soundtracks endet nicht bei den bei den klassischen Themes, sondern tritt auch in anderen Situation auf. So ist die Item Acquisition Fanfare, also der Moment, in dem wir ein neues Upgrade erhalten, nicht zu vergleichen mit der kindlichen Vorfreude eines The Legend of Zelda, sondern sie wabert durch die Gehörgänge, ohne Enthusiasmus freizusetzen.
Das essenzielle Metroid-Stück ist für mich aber ganz klar die Hintergrundmusik der Safe Rooms, die uns nicht entspannen lässt, sondern uns gerade in den Momenten der Sicherheit verunsichert . Diese umgekehrte Konditionierung wird übrigens etwas ausführlicher vom YouTuber RagnarRox analysiert. Dieser macht dies zwar am Beispiel von Super Metroid deutlich, aber es läuft auf dasselbe hinaus.
Die Effektivität des Soundtracks, der mich stets an meine Einsamkeit erinnert und die stete Gefahr des Orientierungsverlustes machen Metroid auch heute noch zu einem Spiel, das seine besonderen Reize nicht verloren hat. Die Atmosphäre des Titels wird selbstbewusst und stilsicher durch alle Aspekte des Spieldesigns verfolgt, keine Möglichkeit der kreativen Einflussnahme wurde von den Machern ausgelassen.
In Verbindung mit den Levelgrenzen, die nur durch neue Upgrades überwunden werden können, schafft Metroid Spielsituationen, in denen sich Spieler aktiv mit der Levelarchitektur auseinandersetzen müssen, dies aber mit Unwohlsein verbunden ist.
Dieser Artikel erschien am 19. Mai 2015 zuerst auf gamespilot.de und wurde für die Neuveröffentlichung angepasst.
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