Einmal um den Block hauen
In der Beta konnten wir das Kampfsystem bereits ausführlich ausprobieren. Gleich zu Beginn sind wir nach einem betäubenden Kampfschrei in einen Sechser-Trupp Soldaten gesprungen, haben mit einer Langschwert-Wirbelattacke die ersten drei umgehauen, zwei weitere per Schildschlag erledigt, den letzten mit einem gewaltig aufgeladenen Powerschlag besiegt. Das Ganze dauerte nur ein paar Sekunden. So, und jetzt vergessen Sie das alles wieder. Denn unser erster Kampf dauerte mehrere Minuten, und unser einziger Gegner hat uns windelweich geprügelt - mit seinem Holzschwert. Weil wir blöderweise unseren eigenen Artikel nicht gelesen haben und völlig übermüdet in die schlammige Trainingsarena gewankt sind. Kingdom Come hat nämlich ein komplexes Kampfsystem, das auf Schlag und Stoß, Block und Parade basiert.
Und ganz nebenbei die Biophysik berücksichtigt: Wenn wir länger unser Schwert quer hochhalten, um Kopfschläge zu blocken, rauscht unser Ausdauerbalken gen Null. Umgekehrt verbraucht jeder Schlag Energie, wir müssen also stets haushalten, uns auch mal zurückziehen und Kraft für den nächsten Vorstoß sammeln. Wohin wir stoßen oder schlagen, bestimmen wir über die Maus: Ein anvisierter Gegner hat ein kleines, fünfgliedriges Sternsymbol. Wenn wir die Maus zum Beispiel etwas nach oben ziehen, wird der obere Sternzacken rot - unser nächster Schlag zielt also auf den Kopf. Wenn wir nach rechts unten zielen, wird's ein Aufwärtsschwung, und so weiter. Gleichzeitig spielt die Ausrüstung des Gegners ein Rolle: Unbehelmte Widersacher sind natürlich prädestiniert für Kopfschläge, Feinde mit Schild sollten wir an ihrer ungeschützten Körperhälfte attackieren.
Robin in da Hood!
Mit sehr viel Übung geht das komplexe System recht gut von der Hand, allerdings finden wir die alternative Controllersteuerung dezent besser, denn hier können wir mit dem rechten Stick die Schlagrichtung leichter vorgeben als durchs Mausverschieben. Trotzdem: Es macht Spaß, das System langsam zu durchschauen und Angreifer immer besser zu »lesen«. Denn deren Schläge kommen ja auch nicht aus dem Nichts, ein Gegner muss genauso zielen und ausholen wie wir. Unser herbeifantasiertes Sechs-Gegner-Beispiel würde übrigens nach sehr kurzer Zeit böse enden, denn schon in der Beta flankieren Angreifer uns geschickt, und ab spätestens drei Feinden gleichzeitig ist Schicht im Schacht, wenn sie halbwegs ebenbürtig bewaffnet sind.
Viele Situationen sollen wir im fertigen Spiel deshalb mit unterschiedlichen Vorgehensweisen lösen können. Zum Beispiel eine Übermacht schon mal durch Fernkampf dezimieren. Der funktioniert jetzt schon ordentlich - erneut nach reichlich Übung. Denn wenn wir zu Pfeil und Bogen greifen, gibt's kein handelsübliches Fadenkreuz, stattdessen müssen wir wie beim klassischen Bogenschießen ohne Visier entlang des leicht schräg gehaltenen Pfeilschafts zielen, je nach Entfernung überhöhen und bei sich seitlich bewegenden Gegnern auch noch vorhalten. Wer das ein paarmal versucht hat, sieht Robin Hoods Kunstschüsse mit ganz anderen Augen!
Pommel auf Mütze
Je nachdem, wie oft und erfolgreich wir eine Waffenart einsetzen, desto höher wird ihr Level. Dazu kommen Perks, mit denen wir etwa beim Bogenschießen zoomen können. Ein Fadenkreuz kriegen wir aber trotzdem nicht. Oder wir schalten bei einem Schwert-Levelup Komboangriffe frei, um etwa mit einem Pommel Strike (nein, kein Tippfehler, Pommel ist Englisch für Schwertknauf!) zuzuschlagen: Mit dieser Kombo aus Stoßen sowie links und rechts Schlagen hauen wir unserem Duellanten das kugelige Schwertgriff-Ende auf die Mütze, was den Burschen zu Boden wirft. Aber auch hier gilt: Es gibt keine Superkräfte, selbst mit einem sehr hohen Ausdauerwert können wir nicht dauerblocken oder nonstop zuschlagen.
Außerdem muss es ja nicht immer rohe Gewalt sein, um ans Ziel zu kommen, wir können auch schleichen, Schlösser knacken, uns durchquatschen. Auch dabei spielt das Outfit eine große Rolle. Wenn wir nicht von selbst draufkommen, dass ein rasselndes Kettenhemd beim Anschleichen dezent overdressed ist, sehen wir es im Charakterbildschirm am Visibility-Wert. Oder merken es allerspätestens, wenn wir eine Horde erzürnter Räuber an der Backe haben. Das fertige Spiel soll übrigens auch erkennen, wie sehr unser Outfit auffällt: Wer in Räuberklamotten auf dem Marktplatz herumläuft, stößt auf ungefähr so viel Wohlgefallen wie ein schwarzgelb gewandeter Dortmund-Fan auf Schalke.
Lost in a Forest - all alone
Rund 16 Quadratkilometer soll Kingdom Come in der fertigen Version umfassen, das entspricht ungefähr dem Hauptgebiet aus The Witcher 3. Wie schon die Warschauer Kollegen von CD Projekt hat auch der Prager Entwickler Warhorse die Landschaft zum Star in seinem Spiel gemacht. Selbst beim oben erwähnten Dauerregen und entsprechend verschlammten Wegen ist die Natur atemberaubend. Vor allem die Wälder haben uns echt beeindruckt, denn hier ist kein Baum wie der andere, alles wächst organisch, blumige Lichtungen wechseln sich ab mit dichtem Unterholz, durch das wir kaum durchkommen, bis wir jäh an einem schroffen Abgrund stehen. So stellen wir uns einen Wald vor, als noch keine Forstwirt-Azubis und Nordic Walker hindurchstapften, sondern Wilderer, Wegelagerer und Vagabunden. Ohne einblendbare Landkarte wären wir da schnell aufgeschmissen, und selbst mit Karte haben wir zum Beispiel ein Räuberlager erst entdeckt, als wir schon fast drinstanden - so dicht ist der Wald, so unauffällig sind zwei, drei Leinenzelte.
Aber die Natur ist nicht nur fürs Auge da. Wir können im Wald beispielsweise Kräuter sammeln und in einer Art Minispiel Tinkturen brauen, dabei kommt es auf die richtige Kombination und Brühzeit an. Witcher-artige Magie soll es aber nicht geben, selbst angeblich magische Amulette sind nur schicke Placebos und verschaffen uns mehr Respekt bei der leichtgläubigen Bevölkerung. Dorfbewohner und Co. sind übrigens keine Statisten, Stichwort- oder Questgeber, sondern gehen ihrem eigenen Tagewerk nach. So haben wir Reekys Vater etwa je nach Tageszeit bei der Feldarbeit oder in seiner Gerberhütte gefunden, und eine Soldatenpatrouille kann auch mal quer durchs Dorf marschiert sein, bis wir sie endlich aufstöbern. Nur an der Freiluftschänke haben wir uns gewundert: Da haben die Gäste auch im strömenden Regen weitergebechert. Aber das waren halt noch harte Jungs damals. Und Mädchen!
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