Genre: Point & Click Adventure Entwickler: Cardboard Computer Plattform: PS4, Xbox One, Nintendo Switch, PC Release: 2020 (Konsolen)
Kentucky Route Zero lag bei mir lange auf dem Pile of Shame. Vor dem Spielen wusste ich lediglich, dass es im Point & Click-Adventure um einen Roadtrip geht und dass die Story eine mysteriöse Komponente enthält. Diese Informationen klangen für mich in Verbindung mit dem schicken reduzierten Grafikstil ganz nett. Zusätzlich überzeugte natürlich der Hut tragende Hund auf dem Cover. Dass das Spiel mich aber völlig begeistern würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Und das lag daran, dass es ganz anders war als erwartet.
Worum geht es im Spiel?
Schon diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Im Mittelpunkt steht Conway, der ältliche Fahrer eines Antiquitätenladens, der eine Lieferung zustellen muss. Allerdings weiß er nicht so genau, wo die Lieferadresse zu finden ist. Also fährt er – gemeinsam mit seinem ebenfalls in die Jahre gekommenen Hund – herum und fragt sich durch.
Dabei trifft er, ganz im Stile eines Roadmovies, auf immer neue Charaktere, die ihre eigenen Geschichten und Ziele haben. Nicht wenige davon schließen sich Conway an, sodass eine bunte Truppe zusammenkommt. Unter ihnen sind Shannon, die Fernsehgeräte repariert, sowie der Junge Ezra, der von seiner Familie zurückgelassen wurde und mit einem riesigen Adler befreundet ist. Moment mal, mit einem riesigen Adler?
Wie ein Traum
Vielleicht habt ihr es beim letzten Satz bereits geahnt: Die Story von Kentucky Route Zero ist keinesfalls so bodenständig, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Sie entwickelt sich eher wie ein verrückter Traum, der zwar viel Vertrautes enthält, aber alles irgendwie verzerrt darstellt.
So sucht Conway beispielsweise die Route Zero, die ihn zum Ziel bringen soll, in einem alten Minenschacht. Später stoßen wir auf das “Amt für zurückgewonnene Räume”, von dem aus wir ziemlich verrückte Ausflüge in einem Höhlensystem unternehmen können. Im Bürogebäude selbst sitzen Sachbearbeiter*innen, aber in einem Stockwerk eben auch nur Bären, die kommentarlos als solche auf dem Aufzugsknopf gelistet sind.
Keine geradlinige Geschichte
Diese surrealen Elemente waren nicht die einzige Überraschung für mich. Ich hatte angenommen, eine relativ klare Roadtrip-Geschichte zu erleben, Marke: Wir reisen von A nach B und stellen dabei fest, dass der Weg das Ziel ist. Aber weit gefehlt: Der Weg, den die Handlung nimmt, ist ziemlich kurvig und verläuft auf Umwegen und in Sackgassen.
Die Story setzt sich aus vielen Anekdoten zusammen, die wir entweder vor Ort erleben oder die uns von anderen Charakteren berichtet werden. Jede Person hat ihr eigenes Päckchen zu tragen. Immer wieder hören wir auch Episoden aus Conways Vergangenheit und nicht alles steht in direktem Zusammenhang.
All diese Szenen bilden eine Art Collage, in der immer wieder dieselben Themen auftauchen, wie beispielsweise Familie oder Geld und Schulden. Viele der Motive und Settings, zum Beispiel der unterirdische Echo Fluss, können metaphorisch interpretiert werden und scheinen unter anderem für Lebensphasen, Entscheidungen oder Erinnerungen zu stehen. Vieles davon hat mir zu denken gegeben und der reduzierte Grafikstil hat mein Kopfkino angeregt.
So spielt ihr
Unsere Interaktion mit der Welt ist im Gegensatz zur Story sehr geradlinig. Oft haben wir nur wenige klar vorgegebene Möglichkeiten, etwas zu erkunden. In den Dialogen stehen uns dagegen sehr viele Optionen zur Wahl, die allerdings nicht wie bei Life is Strange und Co. drastische Konsequenzen mit sich ziehen, sondern sich oft nur anfühlen, als würden wir der Geschichte unseren eigenen Anstrich geben.
Das hat mich bei den melancholisch bis abstrusen Dialogen jedoch gut unterhalten. Wir übernehmen dabei übrigens auch immer wieder die Kontrolle über Conways Begleiter*innen. Klassische Rätsel gibt es übrigens auch nicht, dafür aber kreative kleine Aufgaben, wie die Wegfindung auf stilistisch interessant gestalteten Karten. Dabei nutzen wir Hinweise, die wir den Notizen entnehmen.
Samara Summer
@Auch_im_Winter
Ich sehe Kentucky Route Zero als Kunstwerk, das mich noch übers Spielen hinaus beschäftigt, berührt und inspiriert hat. Genießen werdet ihr diesen Titel aber nur, falls ihr keine Angst vor dem Lesen habt, denn die langen Texte machen einen Großteil der Spielerfahrung aus. Zudem solltet ihr eine Schwäche für Storys haben, die sich erst auf den zweiten Blick erschließen. Falls euch Dear Esther zu abstrakt oder zu artsy fartsy ist, werdet ihr mit Kentucky Route Zero bestimmt nicht glücklich.
Zugegeben, die ein oder andere Passage habe ich als etwas langatmig empfunden. Im Großen und Ganzen hat mich der ungewöhnliche, rund siebenstündige Trip aber voll mitgerissen. Falls ihr den Game Pass habt, könnt ihr euch das Spiel aktuell kostenlos schnappen und es einfach mal risikofrei beschnuppern.
Könnte das Spiel was für euch sein? Werdet ihr es euch vielleicht aus dem Game Pass angeln?
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