Independent-Comedy mit ernsten Tönen
In den USA ist 'Jeff, der noch zu Hause lebt' R-rated, das heißt frei ab 17. Wer das entschieden hat, hat den Film wohl für einen typische Erwachsenenkomödie gehalten. Außer ein paar weniger Schimpfwörter erinnert bei 'Jeff' allerdings nichts an 'Hangover', 'Brautalarm' oder 'Kill the Boss'.
Die Deutschen sind da ja bekanntlich etwas entspannter und hier ist der Film ab 6 freigegeben. Wirklich kindertauglich ist der Streifen trotzdem nicht. Die Duplass Brüder, die für Regie und Drehbuch verantwortlich sind, schlagen nämlich auch durchaus ernstere Töne an. Trotz Kiffer-Thematik und Faulenzer-Charme ist 'Jeff' alles andere als eine komplett öberflächliche Komödie. Ed Helms erinnert zwar des Öfteren an seine Rolle in den 'Hangover'-Filmen, 'Jeff' geht da aber schon etwas tiefer. Hier jagt nicht ein Gag den nächsten, unter die Gürtellinie geht es nur selten. Stattdessen überzeugen Mark und Jay Duplass mit Situationskomik und mit Momenten, die zwar zunächst komisch erscheinen, aber eigentlich doch recht tragisch sind.
Jeffs Lethargie ist ab und zu schon rührig, Pats exzessiver Lebensstil zunächst wirklich komisch. Und auch über Sharons entnervte Anrufe, um Jeff aus dem Haus zu locken, wird instinktiv geschmunzelt. Eigentlich ist das Leben der Famile aber alles andere als zum Lachen. Ohne jemals zu schwermütig zu werden, wird der frühe Verlust des Vaters erwähnt, die Einsamkeit der Mutter, die Ziellosigkeit und Trauer von Jeff und Pats Kompensation von Frust und Eheproblemen durch überschwenglichen Konsum.
Die beiden Brüder verkörpern gegensätzliche Extreme, vom statushungrigen Pat hin zu Jeff, dem egal ist, was von ihm gedacht wird. Beide sind nicht glücklich, haben ihren wirklich eigenen Platz noch nicht gefunden und werden sich an dem Tag, an dem der Film spielt, selbst näher gebracht.
Gegen den Strom
Niveaulose Komödien mit billig Gags und Fäkalhumor sind voll im Trend. Bei 'Jeff, der noch zu Hause lebt', sieht das anders aus. Langweilig wird der Film trotz durchaus gedämpftem Tempo nicht. Allerdings ist der Streifen auch nur 83 Minuten kurz. Deswegen ist 'Jeff' aber nicht weniger aussagekräftig. Mit liebevoll gestalteten Charakteren und tragisch-komischen Momenten unterhält er nicht nur außerordentlich gut, sondern regt ab und zu auch zum Nachdenken an.
Mit Indie-Charme und Figuren, über die man zwar lacht, aber mit denen man auch mitfühlt, erinnert 'Jeff' in erster Linie an Independent-Lieblinge wie 'Garden State' oder den diesjährigen Film 'Young Adult'. Außerdem ist das Hollywood-untypische Ende erfrischend und überraschend.
'Jeff' ist lustig und charmant, voller netter und zum Teil wirklich komischer Dialoge und stets authentisch und zugänglich. Ganz klar eine Komödie, die nicht nur lustig ist, sondern auch tragische und dramatische Elemente mit einbringt. Jeffs Lethargie, Pats Eheprobleme und die Einsamkeit der Mutter Sharon sind weltlich und nicht übertrieben inszeniert. Die Gags sind gut und es kann herzhaft gelacht werden, von der Kategorie Schenkelklopfer gibt es hier aber keine.
Fazit
Anne Facompre: 'Jeff, der noch zu Hause lebt' gibt sich nicht mit niveaulosen Fäkal-Gags zufrieden sondern bleibt stets anspruchsvoll und oberhalb der Gürtellinie. Hier wird ein Mitfühlen und Mitdenken mit den Charakteren erwirkt, nicht für bloße, momentäre Billigunterhaltung gesorgt. Die größte Stärke des jüngsten Duplass-Werks liegt darin, zwar leichtfüßig zu unterhalten aber dennoch auch ernstere Töne nicht einfach ausszuschlagen. In einem stets entspannten, fast schon langsamen Tempo lässt das Regisseur-Duo ihr ungleiches Brüderpaar ihre Abenteuer erleben, um sie dann in einem recht unerwarteten dramatischen Showdown enden zu lassen. Für Liebhaber von Situationskomik und Indie-Charme wohl eines der kleinen Juwele des Kinosommers 2012.
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