Das Kürzel HDR fällt häufig, wenn es um Fernseher, Handys, Filme und Videospiele geht. Es steht für High Dynamic Range, was auf Deutsch so viel bedeutet wie hoher Dynamikbereich.
Aber worauf bezieht sich das eigentlich? Verkürzt erklärt, beschreibt der Ausdruck einen hohen möglichen Kontrastwert, welcher nicht nur Spezialeffekte in Filmen und Spielen knalliger aussehen lässt, sondern auch dunkle Bildnuancen durch ein besser unterscheidbares Farbspektrum hervorhebt.
Im Optimalfall lässt eine HDR-Bildkomposition eine Szene subjektiv schärfer aussehen, hebt kaum sichtbare Dinge in finsteren Passagen hervor und zeigt helle Objekte direkt neben dunklen Flächen, ohne dazwischen eine kontrastarme Grauzone zu bilden.
Die mögliche Farbdynamik darf nur nicht bis zum Äußersten ausgereizt werden, weil der Gesamteindruck dann ins Unwirkliche abdriften kann, sodass Farbkombinationen entstehen, die wir aus der Realität nicht kennen. Es ist also, wie bei allen guten Dingen, ein gefühlvolles Maß vonnöten. Wie HDR funktioniert, wollen wir in diesem Beitrag erklären.
Aus vielen Eindrücken wird ein Bild
Erst seit rund neun Jahren findet HDR auf Fernsehern und Smartphones Verwendung. In der Fotografie wird der höhere Dynamikbereich hingegen schon viel länger eingesetzt. Eine spannende Angelegenheit, wenn man bedenkt, dass sich sowohl Kameras als auch menschliche Augen auf helle und dunkle Umgebungen einstellen müssen, und somit theoretisch gar nicht in der Lage sind, beides gleichzeitig aufzunehmen.
Eine Kamera ist dafür gedacht, einen optischen Eindruck so festzuhalten, wie wir ihn als Menschen wahrnehmen - was oft nicht hundertprozentig gelingt, denn auch wenn der Aufbau einer Kamera dem eines Auges ähnelt, hat das menschliche Sehorgan einen massiven Vorteil: Selbst bei starkem Lichteinfall (und zu einem gewissen Grad auch bei Dunkelheit) hilft uns das Gehirn bei der Verarbeitung hoher Kontraste.
Wie ist das möglich? Die Antwort: Das Auge bewegt sich permanent. Es wechselt in kleinsten Bereichen den Blickwinkel, wobei es die Pupillen nach Bedarf verengt und weitet, um mal mehr und mal weniger Lichteinfall zuzulassen. Auf diese Weise setzt das Gehirn einzelne Eindrücke zu einem Gesamtbild zusammen, das eine hohe Kontrast-Dynamik aufweist.
Einer typischen Kamera fehlt dieses Talent. Sie kann sich für ein Standbild nur auf einen bestimmten Helligkeitswert einstellen. Wird dabei eine Automatik verwendet, die einen Durchschnittswert heraussucht, werden so viele Bilddetails wie möglich mitgenommen, die Verteilung der Helligkeit ist allerdings sehr unnatürlich.
Aus dem Nachteil von Kameras ergeben sich drei mögliche Falscheindrücke auf Fotos:
1) Ein Foto, das der Sonne entgegen bei Tageslicht geschossen wurde, ist völlig überbelichtet und zieht den Helligkeitswert sämtlicher Farbschattierungen nach oben.
2) Fotografiert man ein leuchtendes Objekt in einem sehr dunklen Bereich (zum Beispiel den Mond in der Nacht), so wird der Hintergrund in der Umgebung des leuchtenden Objekts heller abgebildet als er sein sollte, während am Rand alle dunklen Details zu einer schwarzen Brühe verschmelzen. Nuancen sind nicht mehr erkennbar.
3) Fotos in Dunkelheit können Objekte mit geringer Helligkeit weit weniger hell darstellen, als man sie mit dem Auge wahrnimmt, weil der Durchschnittswert für die Gesamthelligkeit zu tief liegt.
Ein augenlichttreues Foto entsteht bei einer handelsüblichen Kamera also nur in einem mittleren Helligkeitsbereich – in der Regel bei normalem Tageslicht. Je besser (und somit teurer) das Equipment, desto weiter kann der Dynamikbereich ausgedehnt werden. Die Kontrastwahrnehmung unseres Auges, die etwa dem Wert von 1.000.000 zu 1 entspricht, erreichen die besten digitalen Kameras ohne technische Kniffe trotzdem nicht einmal ansatzweise.
Der clevere Trick eurer Smartphones
Teure Digitalkameras müssen spezielle Objektive und besondere Belichtungstechniken verwenden, wenn sie Bilder in HDR festhalten. Aber wie schafft das euer Handy?
Moderne Smartphones verfügen über zwei oder drei Objektive auf der Rückseite. Sie sind primär auf Distanzaufnahmen und Portraits spezialisiert. Wenn sie zusammenarbeiten, erstellen sie jedoch auch HDR-Fotos, indem sie dasselbe Motiv bei unterschiedlichen Belichtungsverhältnissen festhalten. Die zugehörige Software setzt dann die Helligkeitswerte beider Aufnahmen durch rechnerische Verschmelzung in einem Bild zusammen.
Nun kommt HDR ins Spiel
Ein Foto mit hoher Dynamikspanne kann sowohl extrem helle als auch sehr dunkle Bereiche in einem einzigen Bild gleichberechtigt abdecken – sogar direkt nebeneinander.
Der Aha-Effekt einer solchen Darstellung ist in einem Artikel allerdings schlecht vermittelbar, da Internetseiten immer für den kleinsten Nenner, in dem Fall also SDR (ein herkömmlicher Dynamikumfang), konzipiert sind. Damit ihr trotzdem einen Eindruck davon bekommt, worum es geht, behelfen wir uns eines Tricks, der den Effekt von HDR imitiert. Es geht um sogenanntes Tonemapping - ein Kunstgriff, der ein Bild durch Nachbearbeitung in eine vorbestimmte Farbpalette zwingt.
Beachtet bei dem Vergleichsbild bitte, dass selbst das beste Tonemapping verlorene Bildinformation nicht herbeizaubern kann. Der Bereich mit dem hellsten Lichteinfall bleibt also ohne Details, während bei einem echten HDR-Foto rund um den hellsten Punkt deutlich mehr von der Kulisse zu erkennen wäre. Aber zumindest seht ihr, dass die dunklen Bereiche nun genauso ausgeprägt sind wie die hellen, statt in einen kontrastarmen Mittelwert zu driften.
Heller als hell: HDR in Spielen
Aber wie verhält es sich denn bei Videospielen, die nicht an die physischen Eigenschaften einer Kamera gebunden sind? Die SDR-Darstellung eines Spiels unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht besonders von der ihrer HDR-Version, weil Grafiker jede beliebige Kombination von hellen und dunklen Flächen in einer Bildkomposition verwenden können. Warum also ist HDR auch hier ein Thema?
Videospiele nutzen den hohen Dynamikumfang in der Regel nicht, um Basiskontraste anzuheben, sondern um ihren Grafiken mehr Punch zu verleihen. Vor allem in der Detaildarstellung heller Objekte. Gleißend hell glühende Lava in God of War Ragnarök wirkt noch heißer, während die Rücklichter von Autos in den Nachtfahrten von Forza Horizon 5 das Blenden starker LEDs lebensecht imitieren.
Überdies gehören ausgefallene Fantasy-Inhalte in gewissen Videospielen zum guten Ton. Das Potenzial, durch Ausschöpfung des HDR-Effekts einen surrealen Eindruck zu provozieren, ist bei manchen Spielen sogar willkommen. Siehe Beispielsweise einige der organischen Weltraumszenarien in der Adaption von Guardians of the Galaxy.
Xbox-Konsolen können sogar aus Spielen, die nie HDR unterstützt haben, eine höhere Farbdynamik zaubern:
So wird HDR auf eurem Fernseher umgesetzt
Eine Aufnahme in High Dynamic Range hat wenig Sinn, wenn sie nicht dargestellt werden kann. Sämtliche in HDR leuchtenden Farben, die ein Bildschirm nicht differenzieren kann, würden zu einer einfarbigen Fläche in der hellsten Farbe verschmelzen. Eben der, die das Display maximal anzeigen kann, ähnlich wie auf dem von uns nachbearbeiteten Foto. Dieses Phänomen nennt man Clipping.
Damit HDR-Inhalte korrekt angezeigt werden können, benötigt ein Fernseher oder ein Monitor eine ausreichend große Farbpalette, sowie ein entsprechendes Kontrastverhältnis.
In SDR arbeitet ein Bildschirm in einer Helligkeits-Auflösung von 8 Bit. Das bedeutet, dass jeder Pixel über 255 Helligkeitsstufen (plus einen unbeleuchteten Modus) verfügt. Multiplizieren wir diesen Wert anhand der drei Grundfarben (256 rot x 256 grün x 256 blau), so kommen wir auf etwa 16,7 Millionen Farben. Eine ganze Menge, und weit mehr als ein menschliches Auge aktiv unterscheiden kann. Für HDR genügt das aber nicht, weil der Kontrast zwischen den Maximalwerten zu gering ist.
Ein echter HDR-Bildschirm arbeitet mit mindestens 10 Bit, wodurch jeder Pixel auf 1024 Abstufungen kommt. Die Farbpalette erreicht damit stattliche 1.073.741.824 Farben. Aber das allein ist nicht der ausschlaggebende Punkt. Viel wichtiger ist, dass die maximale Helligkeit (wie auch die maximale Dunkelheit) weit über beziehungsweise unter dem Wert eines SDR-Bildschirms liegt, wodurch die Kontrastspanne ausgedehnt wird.
Diese Bildschirmhelligkeit wird in Candela pro Quadratmeter gemessen, wobei ein fast deckungsgleicher Messwert namens Nit heutzutage geläufiger ist. SDR-Inhalte leuchten in etwa 100 Nits, HDR-Filme werden dagegen typischerweise in einem Bereich zwischen 1000 und 4000 Nits gemastert. Für eine gute Film-Darstellung sollte ein Fernseher also im Idealfall mindestens 1000 Nits Helligkeit erreichen.
Hier findet ihr die besten Fernseher für eure Konsolen:
In der Praxis ist das nur ein Richtwert, denn bei handelsüblichen Fernsehern verbraucht alles über 1500 Nits übermäßig viel Strom, und nicht jede TV-Technik ist zu solch hohen Werten in der Lage. OLED-Modelle haben zum Beispiel aufgrund von Hitzeentwicklung Probleme damit, ihre Spitzenhelligkeit großflächig zu erreichen. In der Folge wird der maximale Schwarzwert ebenfalls relevant, über ihn kann ein breiteres Spektrum an Schattierungen abgedeckt werden. Die Software eures Fernsehers gleicht die Extremwerte dann via Echtzeit-Tonemapping an.
Bei Spielen verhält es sich zudem so, dass PlayStation- und Xbox-Konsolen eine Kalibrierungsfunktion mitbringen, mit der ihr den maximal möglichen Kontrast eures TV-Geräts manuell auslotet. Die Hardware richtet sich nach dem von euch eingestellten Angaben, damit Objekte, die womöglich für das Spielerlebnis essentiell sind, nicht durch Clipping unkenntlich werden.
Besonderheit bei der PS5:
Besitzt ihr einen OLED-Fernseher, solltet ihr nicht auf die Kalibrierungshinweise von Sony achten, da diese für LCD- und LED-Displays mit geringerer Leuchtkraft ausgelegt sind. Wählt in den ersten beiden Bildschirmen stattdessen die Stufe, bei der der Sonnen-Indikator völlig verschwunden ist, nicht die davor, bei der ihr sie noch erkennen könnt. Ansonsten wird, wie die TV-Experten von HDTVTest berichten, nicht das komplette Helligkeitsspektrum ausgereizt. Im letzten Menüpunkt wählt ihr hingegen die niedrigste Stufe, um bei einem OLED echtes Schwarz zu erhalten.
HGiG - Ein Richtwert für Videospiele
Über einen HGiG-Bildmodus werden Farbtöne mit hohem Kontrast noch besser in Spielen dargestellt. Die Abkürzung steht für HDR Gaming interest Group und beschreibt einen losen Leitfaden für sinnvolle Methoden der HDR-Einbindung in Videospielen, der von den Gaming-Schwergewichten Sony und Microsoft vorgeschlagen wurde. TV-Hersteller wie Samsung, LG und Panasonic schlossen sich dem Verbund an, ebenso wie die großen Publisher Activision, Rockstar, Electronic Arts und auch Ubisoft.
HGiG ist vergleichbar mit dem sogenannten Filmmaker-Modus, den viele Fernseher für optimale Farben beim Filmgenuss anbieten. Verwendet ihr HGiG, dann kommuniziert die Konsole mit dem Fernseher, damit er genau jene Farbwerte einstellt, die von den Grafikern beim Designprozess vorgesehen waren. Es handelt sich dabei streng genommen um eine Form des Tonemapping, nur dass es eben auf Spiele ausgerichtet ist.
HDR vs Dolby Vision
Tonemapping kann nicht nur HDR vortäuschen, es kann auch echtes HDR genauer definieren, was praktisch ist, wenn die Helligkeit allein nicht ausreicht, um einen starken Kontrast zu erzielen. Zudem ist es ein Stilmittel, mit dem Filmen und Spielen eine gewisse Stimmung verleiht werden kann.
Denkt mal an die Matrix-Filme und die dazugehörige UE5-Demo: Szenen in der Matrix haben allesamt einen leichten Grünstich, der suggeriert, dass alles nur Teil jener Simulation ist, den Außenstehende in Form von grünem Code betrachten.
HDR hat aber auch ein Problem: Das Tonemapping lässt sich nur ein einziges Mal am Anfang des Films oder Spiels festlegen. Darum haben alle Szenen in den Matrix-Filmen, die in der echten, postapokalyptischen Welt ablaufen, ebenfalls einen leichten Grünstich, obwohl er unerwünscht ist.
Dieses Problem lösen moderne HDR-Standards wie Dolby Vision und sein (inzwischen kaum noch unterstütztes) Gegenstück HDR10+. Sie ermöglichen eine Änderung des Tonemappings zu jedem beliebigen Zeitpunkt, sodass theoretisch jede Szene ideale Farbtöne bei hohen Kontrasten zeigen kann.
Das ist die Zukunft von HDR
Die Entwicklung weiterer HDR-Standards für diverse Bedürfnisse ist noch lange nicht abgeschlossen. Die britische Rundfunkanstalt BBC schuf beispielsweise eine Variante namens HLG, die ermöglicht, eine HDR-Codierung huckepack auf einem SDR-Bildsignal zu senden, damit jede Art Fernseher bei einer Ausstrahlung bedient werden kann. Geräte, die HDR nicht beherrschen, zeigen dann einfach die SDR-Basis, ohne durch Clipping Qualität einzubüßen.
Manche IPTV-Anbieter nutzen es bereits. So überträgt Sky Formel-1-Rennen und Bundesliga-Spiele in HLG, während Magenta TV es bei der derzeit stattfindenden Fußball-Weltmeisterschaft verwendet - wenn auch nicht über ihre App, sondern nur über einen vollwertigen Telekom-Receiver. Sollten unsere öffentlich-rechtlichen und privaten Sender irgendwann auf UHD und HDR aufstocken, wird mit großer Wahrscheinlichkeit HLG zum Einsatz kommen.
Für Streaming und UHD-Blu-rays strebt die Filmindustrie derweil Varianten an, die ihr Tonemapping pixelweise ändern können, statt nur bei jedem vollen Bild. Doch bis sie marktreif sind, wird noch einige Zeit vergehen, in der ihr die vorherrschenden Formate auskosten könnt.
Wie genießt ihr eure Spiele? In normalem HDR, in Dolby Vision (auf der Xbox) oder im HGiG-Bildmodus?
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