BioWares Baldur’s Gate gilt gemeinhin als der Retter des Rollenspiele-Genres auf dem PC. Das mag für die westlichen Vertreter dieser Spiele-Gattung zutreffen, für mich war es jedoch Final Fantasy 7, das nach den schwachen Jahren zur Mitte der 90er-Jahre bei mir wieder die Leidenschaft für Rollenspiele weckte und mich sogar erstmals dem PC untreu werden ließ.
Denn ich hatte bis 1997 nie eine Konsole besessen, keinen Mega Drive, keinen SNES, nicht mal einen Gameboy. Daher war mir der Name Final Fantasy auch bis dahin völlig fremd, wie allgemein die gesamte japanische Spielelandschaft.
Ich kann mich nicht mehr erinnern, wo ich zum ersten Mal Final Fantasy 7 gesehen hatte, ich weiß aber noch sehr genau, was danach folgte. Ich lieh mir von einem Freund dessen PlayStation und aus der Videothek das Spiel und fing an zu spielen, sieben Stunden ohne Unterbrechung. Es wären sicherlich mehr geworden, aber nach diesen sieben Stunden passierte etwas Einschneidendes: Ich starb zum ersten Mal in Final Fantasy 7.
Final Fantasy 7 Remake: Release möglicherweise verschoben
Dieser Tod war das Ende meines ersten Clouds (so heißt der Held des Spiels). Denn ich besaß keine Memory-Karte. Ich wusste zwar, dass man die zum Speichern bei einer Konsole brauchte, mir war aber nicht klar, dass ich nach dem Ableben meines Helden nur von einem Speicherstand aus weiterspielen konnte.
Somit war das Spiel für mich beendet. Nach einer kurzen Zeit der totalen Ohnmacht und Trauer gewann ich jedoch neuen Mut und sah den verfrühten Tod als Prüfung an. Wer ein Held sein will, muss Opfer bringen.
Hinweis: Dieser Artikel stammt ursprünglich aus dem Jahr 2010, zum 20. Jubiläum von Final Fantasy 7 haben wir ihn neu veröffentlicht.
Der Autor
René Heuser hat bei GameStar einst als Online-Redakteur angefangen, heute leitet er alle Spieleprojekte unserer Muttergesellschaft Webedia Gaming. Neben Rollenspielen und diversen Free2Play-Titeln auf dem Handy (»Spielst du etwa immer noch Clash of Clans?«) kann er sich zudem für Echtzeit-Strategiespiele begeistern, die es zu seinem Bedauern heute kaum noch gibt. Kollege Graf zuckt dennoch jedes Mal zusammen, wenn er mal wieder ein Multiplayer-Video vorschlägt.
Das muss doch gehen!
Bei vielen anderen Titeln hätte ich vermutlich entnervt aufgegeben, die PlayStation zurückgebracht und wieder am PC weitergespielt. Aber nicht bei Final Fantasy. Ich fing nach ein paar Stunden Schlaf von vorne an. Wieder ohne Speicherkarte, aber mit der festen Überzeugung mit genügend Vorsicht das komplette Spiel durchspielen zu können.
Ich hatte keine Vorstellung davon, wie umfangreich die Welt war und was für schwierige Herausforderungen noch kommen würden. Natürlich schaffte ich es nicht; nach rund 14 Stunden Dauerspiel biss auch mein zweiter Cloud ins Gras. Wenn ich am nächsten Tag nicht zur Schule hätte gehen müssen, hätte ich vermutlich gleich noch einen dritten Anlauf gestartet.
Ich war in der Fantasiewelt von Final Fantasy 7 so vollständig gefangen, wie ich es später nur noch in Morrowind (2002) und Mass Effect (2007) wieder erleben sollte. Es dauerte noch einige Monate, bevor ich endlich den Abspann von Final Fantasy 7 sah – auf meiner eigenen PlayStation und im Jahr darauf dann noch zweimal auf dem PC.
Es ist eine beliebte Frage unter Computerspielern, welcher Final Fantasy-Teil der persönliche Favorit sei. Wer sich von der Masse abheben will, nennt ein Spiel vor dem siebten Teil, weil diese zur damaligen Zeit in Europa gar nicht erschienen waren. Oder er nennt Final Fantasy 8, weil dort die Zwischensequenzen noch aufwändiger waren und Charaktere und Story erwachsener wirkten.
Aber ob sie es zugeben wollen oder nicht, letztlich ist für alle Spieler der siebte Teil der Dreh- und Angelpunkt der Serie. An ihm werden die Vorgänger oder Nachfolger gemessen und verglichen, obwohl fast alle Final Fantasy-Spiele unabhängig von einander sind und keinen übergreifenden Story-Bogen besitzen. Aber warum stach Teil 7 so stark heraus?
Die Wahrheit ist, dass das Spiel, wenn man es in seine Kernelemente zerlegt hätte, selbst zur damaligen Zeit in fast keinem Bereich viel besser als vergleichbare Titel war, abgesehen von den Rendersequenzen
und dem Soundtrack vielleicht.
Seine Größe und damit seinen Erfolg zog das Spiel aus dem nahezu perfekten Zusammenspiel seiner Einzelteile. Ähnlich wie heutzutage Blizzard vermochte es Square damals, bekannte Spielelemente aus früheren Final-Fantasy-Teilen sowie aus Spielen der Konkurrenz zu übernehmen, leicht zu verbessern und zu einem neuen Gesamtkunstwerk zusammenzufügen.
Schlicht, aber packend
Die Story um den ehemaligen S.O.L.D.I.E.R.-Kämpfer Cloud Strife, der die Welt vor dem »bösen« Megakonzern Shinra, dem offenbar wahnsinnig gewordenen ehemaligen Elitesoldaten Sephiroth und einem riesigen Meteor beschützen soll, war im Kern schlicht und einfach.
Aber Square reicherte die Geschichte mit so vielen Details (etwa Rückblenden in die Kindheit und falsche Erinnerungen) und Wendungen (Zack, Jenova, Aeris) an, dass ich mich nicht nur in diesen kleinen Blondschopf mit seinen Klötzchenarmen hineinversetzen konnte, sondern sprichwörtlich im Spiel seine Rolle übernahm.
Ich glaube, das Geheimnis großartiger Rollenspiele ist, dass sich der Spieler für die Welt und die darin lebenden Personen verantwortlich fühlt. Ich vermag kaum zu sagen, wie Final Fantasy 7 es geschafft hat, aber das Blumenmädchen Aeris, die Jugendliebe Tifa, der Widerstandkämpfer Barret, der Pilot Cid, der unsterbliche Vincent oder der genmanipulierte Red XIII waren mir wichtig.
Ich wollte wissen, welche Geschichte sie hatten, welche Motivation sie antrieb. Ich wollte mit ihnen Abenteuer erleben, und die genauso fantastische wie glaubhafte Welt von Final Fantasy 7 erlaubte mir genau das.
Wenn mich also jemand fragt, welches das beste Final Fantasy ist, so ist meine Antwort ganz klar: Teil 7. Weil ich mich selbst nach dreizehn Jahren noch an die Beschwörungssequenz für die Ritter der Runde und Bahamut Zero erinnere, an den Kampf gegen Ultima Weapon, an Clouds Geburtsort Nibelheim oder an meinen ersten goldenen Chocobo, den ich ohne Lösungsbuch nie bekommen hätte.
Und ich werde mich wohl auch in 13 Jahren noch an den Schock erinnern, als Sephiroth ohne Vorwarnung mit seinem Schwert Aeris durchbohrte. Zum ersten (und leider auch letzten Mal) weinte ich bei einem Computerspiel. Und wahrscheinlich würde ich es wieder tun, wenn Square Enix eines Tages tatsächlich ein Remake von Final Fantasy 7 mit moderner Technik veröffentlichen sollte. Nur wären es dann Tränen der Freude.
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