Ja, es ist Majestätsbeleidigung, aber wir müssen GTA leider die Krone klauen. Der König der »Sandbox«-Titel ist Blast Corps! Das N64-Spiel aus dem Hause Rare ist nämlich das einzige, bei dem der Begriff »Sandkasten« wörtlich genommen wird: Walzen wir als Dreikäsehoch noch Sandburgen mit dem Plastik-Bulldozer platt, reißen wir 1997 Häuser aus Polygon-Pappe mit unserem »Ramdozer« nieder. Kipplaster, Jeeps, Baukräne, Roboter -- das Spiel weckt auch heute noch den Knirps in uns.
Ein Anlass, warum Jugendliche und Erwachsene im virtuellen Sandkasten spielen dürfen, ist schnell gefunden: Eine atomare Katastrophe muss verhindert werden. Die Menschheit ist nämlich auch in der nahen Zukunft (vom Erscheinungsjahr 1997 aus gesehen) dämlich genug, sich in größte Schwierigkeiten zu bringen. Ein Transporter mit defekten Atomraketen gerät außer Kontrolle und rollt per Autopilot durch die Landschaft. Nun müssen die Abriss-Experten des Blast-Corps-Teams den Weg frei machen.
Also schnappen wir uns den N64-Controller und setzen uns ans Steuer von Zerstörungsmaschinen wie dem Laster »Backlash«, Doppelstampfer »Sideswipe« oder Roboter »Thunderfist«. Heimwerkerking Tim Taylor würde beim Anblick dieses Fuhrparks freudig grunzen.
»Skyfall« im Sturzflug
In den ersten Levels lernen wir die Zerstörungskraft der Fahrzeuge kennen: Am Steuer des Bulldozers reißen wir Gebäude ein und schlagen eine Schneise für den Atomtransport. Angst vor Kollateralschäden ist unbegründet: Die Stadtviertel, Dörfer und Industrieanlagen sind längst evakuiert, wenn wir anrollen. Ein paar Polygon-Pappkameraden wuseln zwar noch umher, sind aber gegen Schaden immun. Schon bei den ersten Einsätzen wird klar, dass Blast Corps mit jedem neuen Fahrzeug vielseitiger wird.
Kipplaster »Backlash« zum Beispiel bringen wir gewaltig ins Schleudern, um mit seinem Metall-Hinterteil die Bauten niederzureißen. Buggy »Skyfall« dagegen brettert über Sprungschanzen und landet mit seinem stählernen Unterboden auf den Dächern der Häuser, die zusammensacken wie ein GamePro-Redakteur nach Redaktionsschluss der Weihnachtsausgabe. »Sideswipe« dagegen (nicht verwandt oder verschwägert mit dem gleichnamigen Transformer) tuckert gemütlich zwischen Reihenhäusern hindurch und zerschmettert die Vorstadtidylle mit seinen seitlichen Vorschlaghämmern.
Trotz der Zerstörungskraft steuern sich die Fahrzeuge aber schön leichtgängig -- wie Spielzeug eben. In Kombination mit der Vogelperspektive fühlt sich Blast Corps deshalb wie eine Mischung aus Micro Machines und Destruction Derby an. Und durch »Thunderfist«, »Cyclone Suit« und »J-Bomb« kommt noch ein mächtiges Roboter-Trio dazu, das mit Stahlfaust und -stiefel die Gebäude einstampft.
Logikfehler mit Sinn
Pure Kraft ist bei Blast Corps aber nicht alles, nachdenken und ausprobieren ist ebenfalls gefordert. Zum Beispiel, wenn »Ramdozer« von einem popeligen Zaun gestoppt wird. So einen Logikfehler bauen die Entwickler natürllich nur ein, damit wir den Hebekran in der Nähe ausprobieren. Das orange Ungetüm hebt Ramdozer mit Leichtigkeit über die Barriere. Auch als Lokomotivführer werden wir gefordert: Wir kapern einen Zug und stellen ihn zwischen zwei Rampen ab, über die der Atomtransport rollen wird - ansonsten stürzt er in die Tiefe. Kein schöner Anblick, wenn die rote Explosion über den Bildschirm flimmert.
Weniger bedrohlich sind da die Bonus-Missionen: Meist geht es in Rennspiel-Manier um Bestzeiten auf hügeligen Kursen. Die Zusatzaufgaben erscheinen aber erst, wenn wir in den Haupt-Levels Kommunikationsstationen gefunden und aktiviert haben. Gründliches Suchen wird also belohnt. Gründlich gesucht haben wir übrigens auch immer wieder nach einem Nachfolger, und sei es nur einem im Geiste -- leider vergebens. Bis heute fällt uns kein Spiel ein, das das Kind im Zocker so weckt, wie es Blast Corps tut. Denn abwechslungsreiche Aufgaben hin, Nebenmissionen her: Die Bauten im virtuellen Sandkasten kaputt zu kloppen, ist das Größte.
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