Wie schwierig es wohl ist, selbst Gitarre zu lernen? Jedenfalls einfacher denn je. Lehrer*innen bieten ihre Expertise kostenfrei auf Youtube oder für einen Spottpreis auf Patreon an. Die Idole der nächsten Generation veröffentlichen sogar Tutorials ihrer Songs. Und auch Videospiele ebnen den Weg für angehende Shredderinnen. Das behauptet zumindest Ubisoft über das hauseigene Franchise Rocksmith.
Mit Rocksmith Plus erschien im September der dritte Teil der Reihe für den PC; die Konsolenversionen stehen noch auf unbestimmte Zeit aus. Wie in den Vorgängern spielen wir in Rocksmith Plus à la Guitar Hero Songs nach, nur eben mit echten Gitarren statt dem Plastikpendant. Ausreichend Geduld und das nötige Budget für die Anschaffungskosten vorausgesetzt, sollen wir so “ganz einfach” das Instrument lernen. Mein Fazit nach drei Monaten: Für den erfolgreichen Einstieg reicht es.
Das steckt hinter Rocksmith Plus
Dem erprobten Rocksmith-Prinzip bleibt Plus treu. Wir schlagen bunte Noten zum Takt an, die einem digitalen Griffbrett am unteren Bildschirmrand entgegendüsen. Die Notenfarbe steht für die richtige Saite, Noten auf der A-Saite sind etwa gelb und blau auf der D-Saite, die Zahlen unter den Noten für den richtigen Bund. Ob wir richtig greifen, erkennt Rocksmith Plus dabei automatisch. Kurze Videos mit anschließenden Übungen versorgen uns zudem mit dem wichtigsten Handwerkszeug, zum Beispiel Dur- und Moll-Akkorde, Spieltechniken oder wie man mit einem Metronom übt.
Wie teuer ist das Abo? Wo die Vorläufer als Vollpreisspiele erschienen, ist Rocksmith Plus ein Live-Service-Game im Abo-Modell für 14,99€ pro Monat. Ubisoft verspricht im Gegenzug konstant neue Lieder, Lehreinheiten oder Mini-Workshops mit Künstler*innen ohne Aufpreis. Die Bibliothek aus hunderten Songs zwischen Metallica und Mozart sprengt schon jetzt Franchise-Rekorde. Dafür blieben andere Features (vorerst) auf der Strecke, wie beispielsweise Guitarcade, eine Sammlung Gitarren gesteuerter Minispiele.
Kabel, Interface, App, ihr habt die Wahl
Bevor wir loslegen, müssen wir unsere Gitarre mit dem Spiel verbinden. Dafür können wir etwa das Real Tone Cable (Kostenpunkt: 24,99€) verwenden, ein eigens für Rocksmith entwickeltes USB-Gitarrenkabel. Alternativ unterstützt Rocksmith Plus erstmals offiziell Audio Interfaces. Studio-Equipment also, das den einfachen Anschluss von Instrumenten oder professionellen Mikrofonen am PC zu Aufnahmezwecken ermöglicht.
In der Testphase bot das Interface die beste Erfahrung. Grund dafür war die niedrigere Latenz – die Verzögerung zwischen Anschlag und Audioausgabe – verglichen mit dem Real Tone Cable. Der Unterschied war aber zu gering, um den durchschnittlich vier- bis fünfmal höheren Preis zu rechtfertigen, besonders für Anfänger*innen oder Menschen ohne Heimstudio- oder Podcastpläne.
Ubisoft bietet außerdem die kostenlose Rocksmith Plus Connect App an. Die sendet unser Gitarrensignal per Handymikrofon kabellos ans Spiel. Das funktioniert grundsätzlich und dürfte vor allem für Neugierige attraktiv sein, die nach den ohnehin hohen Anschaffungskosten nicht noch mehr Geld investieren möchten oder können.
Interface-Kompatibilität in Rocksmith Plus
Wer mit einem Interface liebäugelt, muss wissen: Rocksmith Plus erkennt nur Geräte mit einer Abtastfrequenz (Sample Rate) von 48 kHz. Die muss häufig manuell eingestellt werden. Bei der Scarlett-Serie von Focusrite ist das zum Beispiel in den Windows-Soundeinstellungen möglich. Unser Test-Interface, das Steinberg UR22 Mk1, brauchte dafür das Yamaha Steinberg USB Control Panel. Eine kurze Recherche zu eurem Interface ist entsprechend angebracht.
Wegen teils spürbarer Latenz und gelegentlichen Übertragungsfehlern steht die App jedoch im Schatten der anderen Optionen. Falls es das Budget erlaubt, solltet ihr bei langfristigem Interesse über das Kabel nachdenken. Wofür wir uns auch entscheiden: Bei Spielstart ist die Einrichtung mit wenigen Klicks abgeschlossen. Stimmen wir danach noch unsere Gitarre mit Rocksmiths integriertem Stimmgerät, warten die ersten Songs.
So bringt uns Rocksmith Plus Gitarre bei
Im Mittelpunkt von Rocksmith Plus steht das Lernen im eigenen Tempo. Anfangs kommen uns nur wenige Noten in großen Abständen entgegen. So bleibt Zeit, die Augen vom Bildschirm, zum Griffbrett, zurück zum Griffbrett wandern zu lassen. Erst mit zunehmender und anhaltender Genauigkeit erhöht Rocksmith Plus die Notendichte, kombiniert sie zu Akkorden und Riffs, Melodien und Soli, und verlangt die Spieltechniken aus den Videotutorials von uns. Musiktheoretische Vorkenntnisse sind so nicht nötig.
Einen Lehrplan gibt es dabei nur bedingt. Die Videos sind in drei Gruppen – Beginner, Intermediate, Advanced– unterteilt und nach steigender Schwierigkeit geordnet, vom Zupfen offener Saiten bis zum Spiel rasanter Läufe mit beiden Händen am Hals. Statt neue Lektionen aber erst nach und nach freizuschalten, sind alle unmittelbar zugänglich. Auch bietet Rocksmith Plus keine kuratierte Liste immer komplexerer Songs. Der dynamische Schwierigkeitsgrad gleicht das zumindest weitestgehend aus. Und mit striktem Befolgen der Videoreihenfolge dürften sich selbst Anfänger*innen nicht im Dschungel der Theoriegrundlagen verlaufen.
Sonst bemüht sich Rocksmith Plus um eine möglichst niedrigschwellige Erfahrung. Verzettelt sich die Software beim Einschätzen unseres Fortschritts, ändern wir den Schwierigkeitsgrad manuell per Slider. Zudem können wir auf Hilfsmittel wie den Riff Repeater zurückgreifen, der uns einzelne Passagen langsam bis zur Perfektion üben lässt. Und egal wie häufig wir uns verspielen, “verlieren” können wir Songs nicht. Wir sehen nur unsere Verspieler am oberen Bildschirmrand.
Das macht Rocksmiths Ansatz einzigartig
Eine Handvoll Noten zu zupfen, während Riff-Gewitter aus den Lautsprechern knallen, mag unbefriedigend klingen. Tatsächlich verbirgt sich darin die große Stärke des Spiels. Normalerweise führt anfangs kein Weg an einfachen Akkorden vorbei, wenn man nicht gerade die Melodie von Alle Meine Entchen runternudeln möchte. Bis die aber flüssig sitzen und die ersten Lieder tatsächlich wie Lieder klingen, vergehen erfahrungsgemäß Tage, wenn nicht Wochen. In Rocksmith Plus entsteht dagegen unmittelbar das Gefühl, Musik zu machen.
Attraktiver lässt sich der Lernprozess kaum verpacken – mit Metallica ködert es sich nunmal besser als mit dem Quintenzirkel. Und hat man einmal angebissen, wirkt selbst die Theorie plötzlich verdaulich. Dass die Nähe zu Guitar Hero und Rock Band das Üben als Spielen verkleidet, motiviert zusätzlich. Das gilt auch dank dem unmittelbaren, greifbaren Feedback zur Genauigkeit und dem aktuellen Schwierigkeitsgrad via Prozentwerten.
Lohnt sich Rocksmith Plus als Alternative?
Bleibt man lang genug dran, lassen sich so Lieder wie auf der Studioaufnahme lernen. Eine Musikschule ersetzt Rocksmith Plus aber nicht. Die Software kann weder auf eure individuellen Bedürfnisse eingehen, noch einen darauf abgestimmten Lehrplan bieten und konzentriert sich vor allem auf die Grundlagen. Wie man zum Beispiel eigene Lieder schreibt oder musiktheoretische Regeln kreativ bricht, gehört (noch) nicht zum Angebot.
Bequeme Lernalternative für Hobby-Gitarrist*innen: Wer aber nur schauen möchte, ob Gitarrespielen ein langfristiges Hobby sein könnte, und die monatlichen Kosten stemmen kann, findet in Rocksmith Plus eine geeignete Alternative fürs Selbststudium. Zumindest bequemer, ohne YouTube-Recherche oder Bücherwälzen, lässt sich das Instrument wohl nicht lernen.
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