Das Jahr 2021 hat viele erfolgreiche Spiele gesehen, aber eben auch Titel, die bei der Presse und/oder dem Publikum in Ungnade fielen. Bei den meisten dieser glücklosen Videospiele wie Balan Wonderworld oder eFootball 2022 kann ich das ganz gut nachvollziehen - bei Destruction AllStars bin ich aber ratlos. In Sachen Action, Präsentation und Innovation steckt der Titel so manchen Konkurrenten locker in die Tasche. Aber die Server sind leer, das Matchmaking dauert ewig - warum spielt niemand Destruction AllStars?
Hoffnungslos unterschätzt
Kurz zur Erinnerung: Destruction AllStars ist ein PS5-Exclusive des britischen Entwicklerstudios Lucid Games, das im Februar im Rahmen des PS Plus-Lineups erschien und damit direkt zum Launch kostenlos verfügbar war. Spielerisch orientiert sich Destruction AllStars am klassischem Arena-Karambolagen-Chaos á la Destruction Derby und lässt sich schnell zusammenfassen: Hinters Steuer klemmen und alles rammen, was uns vor die Motorhaube kommt. Wer am meisten Schaden verursacht, gewinnt.
Hannes Rossow
@Treibhausaffekt
Wenn man Hannes fragt, welches Multiplayer-Spiel man 2021 nicht verpasst haben sollte, imitiert er einfach nur krude Motorengeräusche und Explosionen. Damit meint er Destruction AllStars, was ihn mit rasanter Action, einem tollen Cast an spielbaren Figuren und toller Grafik nachhaltig beeindruckt hat.
Destruction AllStars hatte aber einen entscheidenden Twist zu bieten. Sobald das eigene Fahrzeug zu Schrott gefahren wurde, sind wir noch lange nicht aus dem Wettkampf ausgeschieden. Stattdessen werden wir einfach aus dem Wrack geschleudert, laufen zu Fuß durch die extrem gefährliche Arena, schnappen uns ein herrenloses Ersatzfahrzeug und weiter geht die brachiale Punktejagd.
Das klingt nach einem simplen, aber spaßigen Konzept? Ja, das ist es auch. Das Kerngameplay von Destruction AllStars funktioniert – sogar richtig gut – und sorgt für einen ununterbrochenen Adrenalinrausch, garniert mit sauberen 60 FPS und effektgeladener Next-Gen-Präsentation.
Ok, Hannes, aber warum spielt das dann niemand, wenn es so gut ist? Das frage ich mich ja eben auch. Zugegeben, auch in meinem Test zum Spiel habe ich nicht wenig Kritik geäußert. Die Singleplayer-Kampagnen sind öde, manchmal ist die Atmosphäre etwas steril und das aufgepfropfte Monetarisierungsmodell sperrt manche Inhalte wie Singleplayer-Kampagnen hinter eine Paywall – obwohl Destruction AllStars immerhin 20 Euro kostet.
Ein Multiplayer-Hit ohne Spielerschaft
Destruction AllStars ist bei weitem kein perfektes Spiel, das würde ich nie behaupten. Aber die Versäumnisse, die Lucid Games anzukreiden sind, betreffen eher das Drumherum, nicht das Herzstück des Spiels: Den Mayhem-Modus. Mich einfach von der Nonstop-Action einsaugen zu lassen, Gegnern auszuweichen und sie dann mit gezielten Attacken zu schrotten, befriedigt ein prähistorisches Bedürfnis in mir. Ich kann und will nicht leugnen, dass ich in Destruction AllStars vielleicht den größten Spaß meines Jahres hatte.
Aber die Server sind kaum bevölkert, das Matchmaking kann Minuten dauern und die Entwickler*innen sahen sich schon recht schnell dazu gezwungen, Bots mit einem Update ins Spiel zu integrieren, um die Matches zu füllen. Und trotzdem ist es schwer, im Dezember 2021 noch ungestört Destruction AllStars zu spielen.
Und ja, ich kann verstehen, wenn man sich an Mikrotransaktionen und dem langsamen Spielfortschritt stört. Aber wenn ich bei Metacritic vorbeischaue, die 62-er Wertung sehe und in die Begründungen schaue, dann heißt es oft, dass schnell die Langeweile einsetzt – dass die spaßige Action nur ein Strohfeuer ist, das rasch vom geringen Umfang erstickt wird. Mein Feuer brennt noch lichterloh und egal wie oft ich mich in die Arena stürze, der Adrenalinrausch reißt nie ab.
Der Reiz, am Ende auf dem Treppchen ganz oben zu stehen, motiviert mich auch Monate später noch. Ganz besonders habe ich aber den liebenswerten und diversen Cast an spielbaren Fahrer*innen ins Herz geschlossen. So viel Persönlichkeit und Charme wie es die Truppe rund um Martial Arts-Profi Ratu, Sängerin Harmony und Wrestler Ultimo Barricado mitbringen, gibt es in Multiplayer-Spielen selten.
Kommt der zweite Schrott-Frühling?
Aber ich habe noch Hoffnung für Destruction AllStars und Lucid Games. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Spiel erst nach zahlreichen Updates zu sich selbst findet und die Masse begeistern kann – man denke da nur an No Man’s Sky. Für den Januar haben die Entwickler*innen den nächsten größeren Patch angekündigt, der elementare Anpassungen vornehmen wird und beispielsweise die komplette (manchmal unübersichtliche) UI grundüberholt. Mit dem AllStar Pass und überarbeiteten Herausforderungen ist auch der Spielfortschritt deutlich flotter geworden.
Angeblich – und hier könnte noch einmal eine Renaissance anstehen – soll es sogar Pläne geben, Destruction AllStars doch noch in ein Free2Play-Modell zu übertragen. Zumindest deutet eine Stellenausschreibung darauf hin. Mit einer geringeren Einstiegshürde und Live-Service-Erwartungen samt neuen motivierenden Inhalten, könnte sich Destruction AllStars endlich ins richtige Licht rücken.
Auch für Lucid Games selbst könnte die unterwältigende Reaktion auf Destruction AllStars ein gutes Ende nehmen. Auch hier brodelt die Gerüchteküche, das Studio könne längst an einem weiteren PlayStation-Exclusive arbeiten und eine Kultreihe wieder aufleben lassen: Twisted Metal. Passend zur angekündigten TV-Serie soll die Car-Combat-Reihe angeblich auch im Videospielbereich wieder Fuß fassen und hier könnte Lucid Games Genre-technisch aus dem Vollen schöpfen.
Vielleicht ist also noch nicht aller Tage Abend. Vielleicht kommt ja bald die Welle an PS5-Besitzer*innen, die nichts besseres zu tun hat, als mit mir Destruction AllStars zu spielen. Ganz bestimmt, ich glaube fest daran!
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