Vorsicht Spoiler! Im Artikel gehen wir auf kleinere Story-Wendungen ein, die man als Spoiler werten könnte. Die wichtigen Szenen erwähnen wir aber nicht.
Fast 18 Jahre ist es her, seit Schriftsteller George R. R. Martin den ersten Band seines mittlerweile weltberühmten Fantasy-Epos A Song of Ice and Fire (beziehungsweise Das Lied von Eis und Feuer) veröffentlichte. Das in der deutschen Ausgabe mittlerweile zehn Bücher umfassende Werk ist seit 2011 zudem als Fernsehserie unter dem Namen Game of Thrones zu bewundern. Und jetzt kommt Telltale und macht daraus einen Adventure-Mehrteiler mit dem gleichen Namen: Game of Thrones - A Telltale Games Series.
Warum keine Wertung? Bisher ist lediglich die erste von sechs Episoden zu Game of Thrones erschienen. Allerdings kauft man gleich alle zusammen, separat lassen sich die Kapitel nicht erstehen. Wir verzichten daher auf eine Wertung, bis alle Episoden erschienen sind.
Parallelserie
Entwickler Telltale - unter anderem berühmt für The Walking Dead - startet die Adventure-Serie zu den Intrigen und Machtspielchen in Westeros mit dem Kapitel Iron from Ice. Anders als bei den bisherigen, eher mäßigen Game-of-Thrones-Spielen von Cyanide ist die Lizenzgrundlage nicht das Buch, sondern die HBO-Serie. Entsprechend hoch ist der Wiedererkennungswert von Tyrion, Cersei und Co. Und entsprechend clever ist es von Telltale, die Vorlagenfans genau dort abzuholen, wo sie schon einmal am Haken waren. In diesem Fall ist es ein Haken, der uns allen noch tief im Fleisch steckt und eine schwärende, vielleicht niemals heilende Wunde offen hält: die rote Hochzeit.
An den sogenannten Twins, der Burg Walder Freys, des Lords vom Kreuzweg, lagern die Truppen von Robb Stark, König des Nordens, während dieser drinnen Hochzeit feiert. Als Gared Tully, Knappe von Lord Forrester, erleben wir diese grausame Nacht im Heerlager vor den Toren der Burg. Gareds Lord und Mentor wird nicht überleben und schickt Gared in höchster Not mit dem Familienschwert auf die Rückreise nach Irongrath, dem Sitz des Hauses Forrester. So nimmt die Geschichte ihren Lauf, auf die wir wegen massiver Spoilergefahr nur ganz oberflächlich eingehen können.
Drei Blickwinkel
Wer die Bücher und Serie kennt, ist es gewohnt, dass die Kapitel beziehungsweise Szenen jeweils aus der Sicht eines anderen Charakters erzählt werden. Den gleichen Kniff verwendet Telltale natürlich auch. Drei Charaktere dürfen wir in der ersten Episode begleiten: den bereits erwähnten Knappen Gared Tully, den jungen Ethan Forrester, frisch gebackener Lord von Irongrath, sowie Mira Forrester, die im Dienst der designierten Königin Lady Margaery, in der Hauptstadt Kings Landing weilt. Genau: Kings Landing, nicht Königsmund - wie schon bei den letzten Telltale-Spielen gibt es bei Game of Thrones weder deutsche Sprachausgabe noch Untertitel. Ein Armutszeugnis und absolut unverständlich angesichts der Popularität von Game of Thrones auch in Deutschland.
Zurück zur Story: Während Gared auf dem Heimweg vom Schicksal nochmal kräftig eingeschenkt bekommt, muss Ethan schon als junger Bursche den ermordeten Vater ersetzen und mit Hilfe seiner Mutter und seiner Berater die Geschicke des Hauses Forrester lenken. Da sich das politische Blatt im Norden von Westeros in nur einer Nacht gewendet hat, steht der Junge mit dem Rücken zur Wand: Das Haus Whitehall hat nur darauf gewartet, dass die Forresters Schwäche zeigen und übt nun mit Unterstützung ihrer Verbündeten enormen Druck auf den unerfahrenen Lord aus. Und Mira, die in Diensten von Lady Margaery steht, versucht, ihre Freundschaft zur künftigen Königin zu nutzen, um ihrer Familie zu helfen.
Spannende Geschichte
Die Story arbeitet viel mit Querverweisen auf die Bücher und schafft es dadurch, Kenner der Materie geradezu beiläufig mitzunehmen. Zudem sind die Charaktere bereits existierenden Personen der Vorlage teils frappierend ähnlich. So finden wir sehr viele Gemeinsamkeiten des jungen Ethan mit Robb Stark. Und Gareds Geschichte kennen wir in ihren Grundzügen bereits von Eddard Starks Bastard, Jon Snow. Nein, Telltale hat nicht direkt Charaktere kopiert, die Figuren des neuen Spiels um Macht und Einfluss sind wirklich gut ausgearbeitet und gewinnen im Verlauf ihrer jeweiligen Geschichte durch die durchweg fantastisch geschriebenen Dialoge an Tiefe und Persönlichkeit.
Auch die aus der Serie bekannten Charaktere sind bestens getroffen, wir erkennen ihre Eigenheiten wieder - und das ist aller Ehren wert, denn nicht Mr. Martin hat die Geschichte geschrieben, sondern Telltale-Autor Andrew Grant. Der setzt auf die bekannten Strukturen der Fantasy-Reihe und will dadurch dafür sorgen, dass die Fans sich heimisch fühlen. Das klappt erstaunlich gut.
Während die ersten 20 Minuten aufgrund großer Dramatik für etwas Überforderung beim Spieler sorgen können, vor allem bei denjenigen, die nicht mit Telltales »Spielmechaniken« vertraut sind, wird das Tempo im Verlauf ruhiger. Es weicht einer subtilen, stetig steigenden Spannung durch das allgegenwärtige Damoklesschwert einer nicht recht einschätzbaren Gefahr, die sich fortan nur noch in Gesprächen und Verhandlungen niederschlägt. Im wahrsten Sinne des Wortes. In Anbetracht der Tatsache, dass Action in Telltale-Spielen nur aus Quicktime-Events besteht, dürfte das den Serienenthusiasten entgegenkommen. Telltale machen ihrem Namen alle Ehre - sie erzählen eine wirklich gute Geschichte, die mit zunehmender Dauer auch immer mehr Game-of-Thrones-Atmosphäre entwickelt. Bravo, Note Eins!
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