Rob Roy ist ein fantastischer Film. Die Geschichte des schottischen Clan-Mitglieds Rob Roy alias Liam Neeson alias Qui Gonn Jinn befand sich nicht nur auf jeder Installations-CD von Windows 95 (ja, wirklich!), sondern zeigte eine der besten Schwertkampfszenen in der Filmgeschichte.
Hier trifft der von Rache und Vergeltungswillen angetriebene Roy in einem nervenaufreibenden Duell auf den hochnäsigen, französischen Adligen Archibald Cunningham. Beide Männer kämpfen mit ihren landestypischen Waffen und schnell wird ihr Aufeinandertreffen zu einem Kräftemessen von ganz unterschiedlichen Kampfstilen: Roy verlässt sich auf wuchtige Schläge seines Breitschwertes, während Cunningham die schnellen, fließenden Bewegungen des Rapiers bevorzugt.
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Aus den Waffen, jeder einzelnen Angriffsbewegung und Parade sprechen die Charakterzüge der Kontrahenten. Das verleiht dem Duell so viel mehr Tiefe, Dramatik und Persönlichkeit, als ein bloßes Aufeinanderprallen von Stahl, bis einer am Boden liegt.
Neben Rob Roy gibt es viele weitere Filme, die auf diese Weise großartige Duelle inszeniert haben - so wie es auch einige langweilige, sehr oberflächliche Beispiele auf die Leinwand geschafft haben. Auf Seiten der Videospiele sieht dieses Bild allerdings nicht annähernd so ausgewogen aus - und das ist einer der Gründe, warum ich mich so sehr auf For Honor freue.
Endlich mal ein ordentlicher Schwertkampf
Ubisoft musste Grundlagenarbeit leisten, als sie sich dazu entschlossen, Duelle zu einem echten Gameplay-Feature zu machen. Zu einem, das Tiefe bietet, leicht erlernbar, durchschaubar und für alle Beteiligten gleichermaßen fair ist - so etwas gab es bisher nicht.
Ziemlich nah an dieses Ideal kommt das Jedi Knight-Franchise heran. Es nutzt drei verschiedene Lichtschwert-Stile (Leicht, Mittel, Schwer) als Grundlage, um unterschiedliche Angriffs- und Verteidigungsmöglichen zu erzeugen. Die Duelle selbst sind jedoch ein recht wildes Hauen und Stechen, wobei die Waffen hin und wieder ineinander verkanten oder tatsächlich pariert werden.
For Honor teilt dagegen den menschlichen Körper in drei Zonen auf: Linke Seite, rechte Seite und Kopfregion. Diese Zonen können in beliebiger Abfolge angegriffen beziehungsweise durch eine Abwehrhaltung geschützt werden. Die Idee für dieses Kampfsystem kommt aus dem Schaukampf von Bühnendarstellern, die ihre Bewegungen sogar mit bis zu fünf Zonen einstudieren.
Damit hat Ubisoft eine Möglichkeit gefunden, das Duell einem einfachen, intuitiven System unterzuordnen, auf dem komplexere Strategien aufbauen können, das Lernerfolge nachvollziehbar belohnen und Fehler bestrafen kann - und jeder hat grundsätzlich die gleichen Chancen, einen Treffer zu landen. Dieses Kampfsystem macht damit nicht nur unheimlich viel Spaß, sondern gibt mir außerdem auch ein wenig die Hoffnung, dass es andere Entwickler auf neue Ideen bringt. So gern ich auch mit dem Hexer Geralt durch die Landschaft reite oder als der furchterregende Ork Doofkopf Skyrim plündere - die Kämpfe gehören in beiden Spielen nicht gerade zu den Highlights.
Fluch und Segen: Historische Authentizität
Aber For Honor hat uns noch mehr als das innovative Kampfsystem zu bieten. Entlang des Spagats zwischen popkultureller Coolness (Wikinger mit Hörnerhelmen!) und historischer Authentizität (Schwertkampf ohne Pirouetten!) fordert uns Ubisoft ständig dazu heraus, zu hinterfragen, was wir eigentlich über Ritter, Samurai und Wikinger zu wissen glauben. Mit einer Autorität, die sich aus der Glaubwürdigkeit der Inszenierung speist, tischt uns For Honor Frame für Frame neue Informationen als Tatsachen auf - was gleichzeitig Segen, aber auch Fluch des Spiels ist.
Dom Schott (@R3nDom):
Nachdem Dom im Kino The Last Samurai gesehen hatte, war sein Interesse an den Samurai und der japanischen Kaiserzeit geweckt. Der Film selbst war nicht sonderlich gut, trat aber eine Begeisterung für die japanische Kultur los, die in etlichen Bücherkäufen und einem Plastikschwert mündete. Dieses Phänomen heißt Tangential Learning und ist etwas, das For Honor in tausenden Spielerköpfen lostreten könnte. Eine großartige Vorstellung, die Doms Vorfreude auf das Spiel steigert. Davon abgesehen hat For Honor schlichtweg ein verflucht unterhaltsames Kampfsystem.
Auf dem Weg zum fertigen Spiel betonte Ubisoft immer wieder, wie wichtig ihnen eine gewisse Faktentreue ist. Und aus diesem Wunsch nach historischer Authentizität leiten die Entwickler sogar den altmodischen Gender Lock ab: Die Nobushi und Walküren beispielsweise treten in der Überlieferung ausschließlich als weibliche Kriegerinnen auf, also sind sie im Spiel auch nur als Frauen spielbar. Das ist nicht nur gut recherchiert, sondern auch konsequent und stellt sicher, dass die Rolle der kämpfenden Frau in einem Spiel wie For Honor nicht einfach vom Tisch gewischt wird. Schön!
Während For Honor hier für ein ausgewogenes Bild sorgt und sogar ganz ohne den berüchtigten Fantasy-Brüste-Brustpanzer auskommt, bestätigt das Spiel an anderer Stelle mit der gleichen Entschlossenheit Jahrzehnte alte Klischees, die schlichtweg nicht stimmen: Das beginnt bei Details wie der Benennung der Waffen und dem Hörnerhelm und endet bei dem Geschlecht des Kriegsfürsten, der historisch gesehen immer männlich gewesen sein muss - das ist natürlich Quatsch.
So sehr ich mich darüber freue, wie gut For Honor seine Möglichkeit erkannt hat, Wissen um geschichtlichen Hintergründe zu vermitteln, so enttäuscht bin ich doch ein wenig von der gleichzeitigen Fahrlässigkeit. Von mir aus sollen die Wikinger gerne ihre Hörnerhelme behalten, aber wieso heißt das Schwert des Kriegsfürsten "Gladius" - ein Name, der eigentlich das Kurzschwert der römischen Legionäre beschreibt? Warum konfrontiert das Entwicklerteam seine Community an der einen Stelle mit einer erstaunlichen Treue zur historischen Vorlage und bestätigt an anderer Stelle faule Klischees? Bei all meiner Freude über die vielen spielmechanischen Ideen, die For Honor besitzt und die teilweise hervorragende Recherche des Teams, irritieren mich an anderer Stelle die Fehler, die im Spiel so deutlich auffallen.
Nichtsdestotrotz: For Honor bleibt alleine schon wegen seiner raffinierten Spielmechanik ein echtes Highlight für mich in diesem noch jungen Jahr. Und wenn Ubisoft für die geplanten DLCs oder For Honor 2 den ein oder anderen Historiker als Berater zum Meeting einlädt, sieht die Zukunft dieser Marke mehr als nur rosig aus. Die Entwickler könnten den noch immer ausstehenden, aber überfälligen Beweis liefern, dass ein Videospiel mit einem solchen Setting wie For Honor ganz ohne Geschichtsverfälschung auskommen und damit sogar an Spielspaß gewinnen kann.
Diese Aussicht ist - und da sind wir uns wohl einig - ziemlich aufregend.
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