Die Botschaft von Final Fantasy 7 war ihrer Zeit voraus, aber das Remake muss noch weiter gehen

'Der Planet stirbt', heißt es in Final Fantasy 7. Angesichts der echten Klimakrise eine berührende Aussage. Gastautor Mario hätte davon gern noch mehr gesehen.

Final Fantasy 7 nimmt ein brandaktuelles Thema vorweg. Final Fantasy 7 nimmt ein brandaktuelles Thema vorweg.

Winterzeit ist für mich Final-Fantasy-Zeit. Meistens ist das ein unschuldiges Schwelgen in Erinnerungen: Wieder einmal den knuddeligen Schwarzmagier Vivi mit seinen staunenden Augen zur Theateraufführung in Alexandria begleiten (Final Fantasy 9). Sich noch einmal im pubertären Weltschmerz von niemandem besser verstanden fühlen als von Squall Leonhart (Final Fantasy 8). Oder erneut die Welt vom absolut Bösen in Gestalt Sephiroths befreien (Final Fantasy 7). Das sind die drei Final-Fantasy-Teile meiner Jugend, und auch wenn ich später viele weitere Ableger gespielt habe, kehre ich zu den PS1-Titeln am häufigsten zurück.

Dieses Jahr sollte es Sephiroth sein. Ich installierte mir die PC-Version, packte noch ein großes Mod-Paket für Grafik und Sound drauf, spielte fröhlich drauflos - und war sehr überrascht, wie sehr mich das 25 Jahre alte Spiel noch immer berührte. Aber das tat es nicht unbedingt auf dieselbe Weise wie früher. In einer immer weiter eskalierenden Klimakrise wirken die Thematiken rund um Avalanche und Co. plötzlich ganz anders.

Mario Donick
Mario Donick

Mario Donick schreibt eigentlich für unser Schwestermagazin GameStar - u.a. ausgerechnet über Flugsimulationen, in denen einer der Klimakiller Nr. 1 simuliert wird. Seine ersten PS1-Spiele waren die Hubschrauber-Simulation "Gunship" und das Öko-Aktivismus-JRPG "Final Fantasy 7". Hier Fliegen, da Umweltschutz: Diesen inneren Widerspruch hat Mario bis heute nicht bewältigt.

"Der Planet stirbt, Cloud!"

Als Teenager sprach mich vor allem die so typisch pubertäre Verschlossenheit von Protagonist Cloud an. Teils schien es primär um Clouds Suche nach einer Identität zu gehen. Dazu passte das allgemeine Gefühl der Verlorenheit, das durch Musik und Text ausgedrückt wurde: "Menschen, die sich begegnen, die sich trennen, Freude, Trauer …", sinnierte ein NPC am Bahnhof der Slums von Sektor 7 und stellte fest: "Nach einer Weile berührt es einen nicht mehr."

Durch melancholische Szenen wie diese fühlte ich mich als Teenie sehr verstanden. Heute sind sie aus anderer Sicht berührend. Durch melancholische Szenen wie diese fühlte ich mich als Teenie sehr verstanden. Heute sind sie aus anderer Sicht berührend.

Solche Betrachtungen über das Leben erschienen meinen jugendlichen Ohren unglaublich tiefsinnig. Dass Final Fantasy 7 in Japan während der sogenannten Verlorenen Dekade (eine Zeit der wirtschaftlichen Rezession) entstand und sich manche Motive des Spiels durchaus vor dieser realen Krise interpretieren lassen, konnte ich damals nicht wissen.

Wenn ich ein reales, gesellschaftlich relevantes Thema in der Story erkannte, dann war es - natürlich - der Umweltschutz. Der Megakonzern Shin-Ra hat der Welt mit der Mako-Energie materiellen Wohlstand gebracht, was jedoch auf Kosten des Planeten und seiner Bewohner geht. Die Gruppe Avalanche geht gegen Shin-Ra vor, um den Planeten zu retten, und als Cloud helfen wir dabei.

Dieses zentrale Thema erscheint mir heute viel eindrücklicher als früher... Das mehrfach wiederholte "Der Planet stirbt!" und Aufrufe, endlich etwas zu tun, lassen mich emotional betroffen zurück. Während ich im Spiel mit den Avalanche-Mitgliedern im Fahrstuhl zum Mako-Reaktor fahre, um dort handfesten Ökoterrorismus zu begehen, ploppen auf meinem Handy die neuesten, echten Nachrichten zur Klimakrise und zu Aktionen zivilen Ungehorsams der "Letzten Generation" und von "Extinction Rebellion" auf.

Die Namen solcher friedlichen Gruppen vermitteln Handlungsdruck und Verzweiflung, und in ihrer Dramatik können sie es mit dem weniger friedlichen Avalanche aufnehmen: Avalanche, die "Lawine", die über Shin-Ra hinwegrollt; die "letzte" Generation (die noch etwas tun kann), und die "Rebellion" gegen die mögliche “Auslöschung”.

Das Spiel macht von vornherein deutlich, wie hoch der Einsatz ist. Das Spiel macht von vornherein deutlich, wie hoch der Einsatz ist.

Der Handlungsdruck ist dennoch da. Er entsteht in direkter Reaktion auf die Realität der Bedrohung: So wie im Spiel die Mako-Ausbeutung eine akute Gefahr ist, so sind es bei uns die Folgen der Klimakrise. Die Verzweiflung ist Folge von zu langsamen Reaktionen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf die Krise.

Auch echte Menschen sind manchmal wie die passiven Bewohner der Spielwelt. Wir wissen zwar, dass es so nicht weitergehen kann, aber haben deswegen noch lange nicht die Kraft, auch etwas Entscheidendes zu tun - teils aus berechtigten Ängsten, teils aus Bequemlichkeit. "Nicht interessiert", würde Cloud wohl im Spiel sagen, aber in der echten Welt ist es gar nicht mal Desinteresse.

Eher ist es eine Mischung aus Machtlosigkeit angesichts rapider Verschlechterungen und des globalen Ausmaßes der Klimakrise (bringt es überhaupt etwas, wenn wir nur hier vor Ort etwas ändern?) und der Informationsfülle zu dem Thema - nicht jede*r hat die Möglichkeit, sich entsprechendes Wissen anzueignen.

Im originalen Final Fantasy 7 war das in einzelnen Dialogen angedeutet, aber besser wird das im 3D-Remake gezeigt. Nicht nur Shin-Ra-Mitarbeiter*innen regen sich da über Avalanche auf. Auch die Bewohner*innen der Slums sind mitnichten alle auf der Seite der Öko-Rebellen. Sie sorgen sich um ihr Auskommen und viele haben Angst vor Avalanche. Sowohl das Original als auch der erste Teil des Remakes lassen uns intensiv über diesen Konflikt aus Handlungsdruck, Angst vor dem Handeln und Konsequenzen nachdenken.

Nicht alle Shin-Ra-Mitarbeiter*innen sind böse. Viele sind einfach in ihrem System gefangen und haben Angst vor Veränderung. Nicht alle Shin-Ra-Mitarbeiter*innen sind böse. Viele sind einfach in ihrem System gefangen und haben Angst vor Veränderung.

Das Spiel stellt richtige Fragen, bietet aber zu einfache Lösungen

Im originalen Final Fantasy 7 bewegt sich die Story im Spielverlauf jedoch von der realistisch gezeichneten Bedrohung weg. Der Megakonzern Shin-Ra wird zum Hintergrund, vor dem die viel akutere Gefahr in Form Sephiroths bekämpft wird. Diese Figur ist ein geschickter Kniff, um Gameplay und Story zu verknüpfen. Sephiroth stundenlang bis zum Endkampf zu verfolgen, ist spielerisch einfach zu vermitteln. Und da Sephiroth das Ergebnis von Shin-Ra-Experimenten ist, bekämpfen wir in ihm auch Shin-Ra.

Jedoch wird mit Sephiroth die Komplexität der an reale Probleme orientierten Motive auf einen Oberbösewicht reduziert. Die Mitverantwortung einer passiven Bevölkerung, für die auch ohne Sephiroth drohende Katastrophe, wird auf einen Stellvertreter verlagert.

Statt dass eine politische Bewegung sich gegen den Megakonzern wendet, kämpfen wenige Held*innen gegen einen einzelnen Gegner. Daher werden auch keine plausiblen Lösungen für Umweltzerstörung, Ausbeutung und Konzerndiktatur gezeigt, sondern es läuft auf ein Deus-ex-machina-Szenario hinaus.

Im Remake weist uns sogar Sephiroth selbst auf die düstere Realität hin. Im Remake weist uns sogar Sephiroth selbst auf die düstere Realität hin.

Denn am Ende ist nicht Shin-Ra die akute Gefahr und nicht einmal die Person Sephiroth, sondern Sephiroths apokalyptischer Zauber "Meteor". Dabei wird der anfangs so realistische Bezug der Story durch religiös-esoterische Symbolik abgelöst. Meteor wird nicht durch uns besiegt, sondern durch den Planeten selbst: Aerith entfesselt im Gebet den Gegenzauber "Heilig" und beschwört den Lebensstrom herauf.

Zwar wird als Nebeneffekt auch Midgar zerstört und damit Shin-Ras Herrschaft beendet. Aber der zwei Jahre später spielende Film Advent Children (2005) zeigt, dass Shin-Ra nicht am Ende ist; der Konzern hat sogar die im Film gezeigte neue Großstadt Edge gegründet. Statt aber die politisch interessanten Aspekte dieser Situation zu thematisieren, zementiert der Film weiter die religiöse Perspektive.

Etwas Erdung täte gut

Wenn man so ein wichtiges Thema wie globale Umweltzerstörung aufgreift, ist es etwas enttäuschend, zum Schluss das eigentliche Problem - die menschliche Gier nach Wachstum und die damit verbundene Ausbeutung - nicht mehr anzusprechen, sondern sich auf Religion und Magie zu verlassen. Megakonzerne und deren Aktivitäten sind menschliche Probleme und verlangen menschliche Lösungen, sonst wiederholen sich Problematiken nur (dass in Advent Children Öl als 'alternative' Energiequelle erschlossen wird, verheißt nichts Gutes...).

Selbst Direktor Shinra liegt nicht ganz falsch: Die Menschen haben sich an den technischen Komfort gewöhnt, den der Konzern durch die Mako-Ausbeutung ermöglicht. Selbst Direktor Shinra liegt nicht ganz falsch: Die Menschen haben sich an den technischen Komfort gewöhnt, den der Konzern durch die Mako-Ausbeutung ermöglicht.

Genau an dieser Stelle könnten Teil zwei und drei des Remakes ansetzen. Der erste Teil deutet an, dass Square Enix womöglich von der etablierten Story abweicht. Das bietet die Chance, das gesellschaftspolitische Motiv, das zu Beginn so gut etabliert wird, bis zum Ende durchzuhalten. Die Zutaten dafür sind im FF7-Franchise vorhanden.

Nehmen wir etwa das "Geostigma", eine Krankheit, die in Advent Children eingeführt wird. Sie entstand, weil der Lebensstrom mit Zellen der außerirdischen Lebensform Jenova verseucht wurde. Die Einführung dieser Krankheit ist eine gute Idee, da sie zeigt, dass eben doch nicht alles so einfach ist.

Doch geheilt wird Geostigma im Film durch die Berührung mit heiligem Wasser aus der Kirche, das Aerith am Ende auf Edge regnen lässt - wieder ein einfacher Ausweg, den die Einwohner*innen nur passiv anzunehmen brauchen. Statt dieser Taufmetaphorik könnte das Geostigma als echte Krankheit gezeigt werden, die schon während der Remakes auftritt und wissenschaftliche Lösungen verlangt (und damit menschliches Handeln statt des Wartens auf den Deus ex Machina).

Eine weitere Zutat: die anderen Zweige von Avalanche. Das Remake zeigt erfreulicherweise, dass Barret, Tifa & Co. nicht die Einzigen sind, die sich um den Planeten sorgen. Aber sind die anderen Avalanche-Zweige nur der militante Arm einer ansonsten auch politischen Bewegung? Wie wirkt diese Bewegung in anderen Orten wie Junon, Kalm oder der Costa del Sol? Kann - statt terroristisch zu agieren - aus ihr eine Kraft für eine friedliche, positive Umgestaltung erwachsen?

Barrett macht deutlich, was die konkreten Folgen für das Leben auf dem Planeten sind, wenn sich nichts ändert. Barrett macht deutlich, was die konkreten Folgen für das Leben auf dem Planeten sind, wenn sich nichts ändert.

Es wäre schön, wenn die folgenden Teile solche Fragen aufgreifen würden, um die Story etwas zu erden. Das originale Final Fantasy 7 setzte am Ende zu sehr auf Heilserwartungen, deren Realisierung von der Masse an wenige Auserwählte delegiert wurde. Das hat 1997 funktioniert, und wenn es in Final Fantasy 7 nicht um so ein wichtiges Thema ginge, sondern es nur eine Fantasy-Story wäre, täte es das heute noch.

Aber gerade weil das Thema des Spiels nach wie vor so wichtig ist, sollte die Bedeutung eigenen Handelns im Angesicht einer Krise stärker betont werden. Held*innen können zwar vorangehen - aber ohne die Unterstützung der 'normalen' Bevölkerung können sie globale Probleme auch nicht lösen.

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Versteht mich zum Schluss bitte nicht falsch: Ich liebe Final Fantasy 7, gerade weil es so wichtige Themen anspricht, damals wie heute. Meinem kleinen alljährlichen Ausflug in die Final-Fantasy-Welt täten kleine Anpassungen der Story jedoch keinen Abbruch; sie würden ihn nur stimmiger machen.

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Final Fantasy 7

Genre: Rollenspiel

Release: 30.06.1998 (PC, PS4, iOS), 26.03.2019 (Xbox One, Switch)