Far Cry 6 ist der sommerliche Actiontrip, den ich gerade brauche – trotz Story-Mängeln

Für unsere Freie Autorin Samara war der Trip nach Yara in Far Cry 6 so etwas wie ein Urlaubsersatz, auch wenn der grundsätzliche Tonfall nicht wirklich zur Geschichte passt.

Far Cry 6 bietet viel spaßige Action. Hier gleitet Dani mit einem Wingsuit durch die Luft. Far Cry 6 bietet viel spaßige Action. Hier gleitet Dani mit einem Wingsuit durch die Luft.

Sonne im Herzen, Knarre in der Hand – So lässt sich Far Cry 6 meiner Meinung nach ganz gut zusammenfassen. Viel Tiefgang habe ich in der Geschichte rund um Guerilla Dani Rojas nicht gefunden, aber ausnahmsweise auch nicht vermisst. Da ich aktuell wirklich inselreif bin, habe ich es sogar genossen, dass sich dieser Trip wie ein Urlaub anfühlt - nur eben mit Geballer.

Der einzige Wermutstropfen war für mich, dass sich der große Spaß vor dem ernsten Hintergrund des Guerilla-Kriegs manchmal doch merkwürdig anfühlt. Das wird beispielsweise spürbar, wenn uns eine Figur darauf hinweist, dass viele Menschen nur für Diktator Castillo kämpfen, um ihre Familie durchbringen zu können - und Dani ungeachtet dessen im nächsten Moment wieder ganze Horden von ihnen umnietet, ohne mit der Wimper zu zucken.

Palmen und Meer – Ich bin dabei!

Das ist eine feststehende Grundregel für mich. Im echten Leben ist es aber nicht so einfach, mir eine Auszeit in tropischem Klima zu gönnen. Meine letzte Auslandsreise liegt wegen der schwierigen Zeitplanung als Freelancerin, privaten Verpflichtungen und nicht zuletzt Corona schon etwa fünf Jahre zurück. Spätestens nach dem tristen, verregneten Sommer 2021 ist das Fernweh groß. Folglich habe ich mich so richtig auf das wunderschöne, von Kuba inspirierte Yara gefreut.

In Far Cry 6 bieten sich so viele gute Fotomotive, dass Samara anfangs kaum mit der Story vorangekommen ist. In Far Cry 6 bieten sich so viele gute Fotomotive, dass Samara anfangs kaum mit der Story vorangekommen ist.

Die Postkarten-Idylle übertraf meine Erwartungen sogar noch. In den ersten Spielstunden habe ich kaum Fortschritte gemacht, weil ich die meiste Zeit im Fotomodus verbracht habe: ein altes Boot am weißen Sandstrand, Ausritte am Bergkamm, mein stylisches Krokodil vor Wasserkaskaden, ein malerischer Dorfplatz mit kolonialer Kirche und violetter Blütenpracht – fast jede Ecke kann man sich ins digitale Urlaubsalbum kleben.

Far Cry 6 setzt auf gute Laune

Ubisoft hat vermutlich mit Selfie-Opfern wie mir gerechnet, denn der Fotomodus ist sogar mit lateinamerikanischer Musik untermalt. Diese sommerliche Klänge gibt es beispielsweise auch in Fahrzeugen und Camps – und auch wenn ich privat noch nie "Livin’ La Vida Loca" von Ricky Martin aufgelegt habe, passt der Soundtrack-Mix aus traditioneller und Popmusik einfach gut zur Atmosphäre.

Chorizo und die anderen tierischen Kampfgefährten sorgen für Abwechslung. Chorizo und die anderen tierischen Kampfgefährten sorgen für Abwechslung.

Musik und Landschaft sind aber nicht die einzigen Komponenten, die zum Urlaubsflair beitragen. Dazu kommen noch Flüge mit dem Wingsuit, Nebenbeschäftigungen wie Autorennen und eine verrückte CD-Spieler-Waffe, mit der der Trash-Hit Macarena zur Waffe wird. Nicht zu vergessen: die tierischen  Kampfgefährten, inklusive der zuckersüßen Dackelwurst Chorizo. Und Reittiere, zu denen eine auf Einhorn - ja, Einhorn - getrimmte Stute gehört. Überall also ebenso verrückte wie sympathische Ideen und ein lässiger, humorvoller Tonfall.

Samara Summer

@Auch_im_Winter

Samara zockt gerne storylastige Spiele. Ganz egal, ob es sich um Open World-Titel wie Red Dead Redemption 2 oder Indies wie The Vanishing of Ethan Carter handelt: Die Autorin weiß Geschichten mit Tiefgang zu schätzen. Far Cry 6 hat sie jedoch mit anderen Qualitäten überzeugt. Es ist der erste Ableger der Reihe, der sie seit Teil 3 wieder richtig packt und bei der Stange hält.

Die meisten Charaktere wirken ein bisschen wie der Cast einer Reality TV-Show. Da sind beispielsweise die rappende Talía, die Hackerin Yelena, der alte Haudegen Juan oder der durchgeknallte Bastler Philly. Alle sind irgendwie tollpatschig bis cool und haben immer einen flotten Spruch auf den Lippen. 

Viele Szenen sind inszeniert, um uns gut zu unterhalten und zum Lachen zu bringen - so wie die Cutscene, in der Juan Dani pfeifen lässt, ohne zu verraten, dass dies der Angriffsbefehl für sein gezähmtes Krokodil Guapo ist. Das stürzt sich dann sogleich auf einen Soldaten und bringt Dani ein kleines "Souvenir".

Aber dann ist da noch die Revolution...

Die unterhaltsamen Einlagen gefallen mir meistens gut, aber eben nicht immer. Wenn mich das Spiel wieder daran erinnert, dass es eigentlich nicht um eine Erlebnisreise, sondern um eine Revolution gegen den brutalen Diktator Antón Castillo geht, kommt ein bitterer Beigeschmack auf. Der ernste Hintergrund passt nämlich nicht zur guten Stimmung.

Eigentlich geht es in Far Cry 6 um Yaras unterdrückte Gesellschaft und eine blutige Revolution. Eigentlich geht es in Far Cry 6 um Yaras unterdrückte Gesellschaft und eine blutige Revolution.

Dani sagt zwar anfangs zu Clara Garcia, der Anführerin der Guerilla-Gruppe Libertad, dass wohl kaum jemand freiwillig ihren Pfad einschlagen würde. Im Spiel kommt das aber ganz anders rüber, weil die ganze Befreiungsmission für Yara meistens wie eine große Party anmutet und auch Verluste in den eigenen Reihen nicht zu emotional rüberkommen. Auch hier widerspricht sich das Spiel am laufenden Band. 

Noch eine Schippe Verrücktheit, bitte

Kollege Erik hat bereits in seiner Kolumne "Far Cry 6 - Ubisofts Angst vor Kuba-Vergleichen gefährdet die Story" aufgezeigt, wo für ihn die Schwierigkeiten beim Umgang mit der Thematik liegen und auch Testerin Annika hat angemerkt, dass der Tonfall nicht so recht zum Thema passt. Statt der angemessenen Ernsthaftigkeit und Differenziertheit hätte ich persönlich allerdings lieber eine andere Hintergrundgeschichte gehabt

Ich bin froh, dass Far Cry 6 kein neues The Last of Us 2 ist, das mir die Konsequenzen meiner Taten vorhält. Zwar ist das ein spannendes Konzept, aber aus den bereits geschilderten Gründen bin ich in diesem Fall definitiv mehr für den Fun-Ansatz zu haben. 

Samara liebt die verrückten Ideen, die Far Cry 6 zu bieten hat, hätte diese aber gerne vor einer anderen Hintergrundgeschichte gesehen. Samara liebt die verrückten Ideen, die Far Cry 6 zu bieten hat, hätte diese aber gerne vor einer anderen Hintergrundgeschichte gesehen.

Dieser wäre für mich sogar perfekt aufgegangen, wenn Ubisoft noch konsequenter die durchgeknallte Schiene gefahren wäre und die Charaktere in eine völlig übertriebene und realitätsfremde Story gepackt hätte, ähnlich wie zum Beispiel in den Saints Row-Spielen. Dann hätten sich Partystimmung sowie Kugelsalven und Explosionen, die fester Bestandteil der Reihe sind, auch besser integrieren lassen.

Trotz der Kritikpunkte ist Far Cry 6 unterm Strich genau das, was ich mir davon erwartet und erhofft habe: Eine kleine Auszeit, die auf Action und kurzweilige Unterhaltung statt auf große Gefühle setzt – weit entfernt von der Realität und dem deutschen Nachtfrost im Oktober.

Wie seht ihr das: Unbeschwerter Actionspaß oder doch eine seltsame Mischung?

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