Enthüllung der Playstation 4 - Fingerzeig und Fragezeichen

Sony hat die Playstation 4 enthüllt, der Startschuss der nächsten Konsolengeneration ist gefallen. Unser stellvertretender Chefredakteur Michael Graf vermisst zugkräftige Exklusivtitel und sieht einen wichtigen Fingerzeig für die Zukunft der Spiele – der allerdings dunkle Schatten werfen könnte.

Ich gebe zu, die Präsentation der Playstation 4 hat mich überrascht – auch wenn ich erst mal am Gähnen war. Dass Sonys Next-Generation-Konsole schneller und besser werden, mehr Grafik-Wucht auffahren und Physik-Spielereien beherrschen würde – das war nicht nur absehbar, sondern sechs Jahre nach der Playstation 3 verdammt noch mal überfällig. Eine neue Konsolengeneration auf dem technischen Niveau der alten braucht niemand.

Ich war auch nicht überrascht, dass Sony in jedem zweiten Präsentatorensatz betonte, wie sehr die Architektur der Playstation 4 doch auf dem PC basiere. Die Playstation 3, so fortschrittlich sie ihrerzeit auch war, galt für Entwickler stets als zickiges Kraftpaket, weil die Umsetzung plattformfremder Spiele so viel Zeit fraß. Die PC-nahe Xbox 360 war da deutlich zahmer.

Schon deutlich überraschter war ich von den Starttiteln, die Sony präsentiert hat, vom neuen Jump’n’Run-Maskottchen Knack über Killzone: Shadow Fall bis hin zu meinem persönlichen Highlight Watch Dogs. Alles schön und gut, aber ein richtiger Exklusiv-Hammer, eine Killer-App vom Schlage eines »Uncharted 4« war nicht dabei. Selbst das schicke Drive Club ist da spürbar schwächer, und Watch Dogs erscheint nicht nur auch für die Xbox, sondern wurde noch dazu auf dem PC gezeigt. Dabei braucht Sony doch so dringend echte Zugpferde, die Playstation 4 muss einschlagen, unbedingt, von Anfang an. Sony benötigt den Erfolg.

PS4 vs. Sony-Krise

Dass die Japaner momentan in einer Krise stecken, ist offensichtlich. Zuletzt vermeldete der Konzern Verluste von fast fünf Milliarden Euro, strich weltweit 10.000 Stellen und verkaufte den firmeneigenen Wolkenkratzer in New York. Der Sparkurs kommt nicht von ungefähr. Im Fernseher-Geschäft etwa spielt Sony längst nicht mehr die erste Innovationsgeige, auch der Preiskrieg bei den Digitalkameras drückt die Margen. Und den Smartphone- sowie Tablet-Markt dominieren Apple, Samsung & Co., Sonys Xperia-Linie spielt eine Nebenrolle.

Der neue Controller bietet erweiterte Move-Funktionen, weil eine Stereokamera seine Position in der Tiefe des Raums erfasst. So cool wie die Körper-Erfassung von Microsofts Kinect ist das aber immer noch nicht. Der neue Controller bietet erweiterte Move-Funktionen, weil eine Stereokamera seine Position in der Tiefe des Raums erfasst. So cool wie die Körper-Erfassung von Microsofts Kinect ist das aber immer noch nicht.

Die Entertainment-Sparte hingegen gilt (von der kränkelnden PS Vita mal abgesehen) als ausgesprochen robust; in Europa, Nordamerika und Japan wanderte die Playstation 3 nur knapp anderthalb Millionen Mal weniger über die Ladentheke als die Xbox 360. Und das auch nur, weil Microsoft den US-Markt beherrscht, in Europa und Japan führt Sony teils deutlich. Kein Wunder, dass der ehemalige Playstation-Chef Kazuo Hirai zum Sony-Gesamtchef berufen wurde.

Es wäre vielleicht zu viel, zu behaupten, dass Sonys Zukunft alleine an der Playstation 4 hängt. Aber die Next-Gen-Konsole ist ein wichtiger Teil davon. Und ein wichtiger Teil der Playstation 4 sind die Schlagworte »Netzwerk« und »Streaming«.

Netzwerk-Wahn

Okay, dass die PS4 auf soziales Netzwerken setzen würde, war klar. Man muss heutzutage ja schon froh sein, dass Toiletten keine, nun ja, »Ereignisse« in einen Twitter-Feed posten. Noch nicht. Dass Sony nun die User-Profilseiten erweitert und einen penetranten »Share«-Button an den Controller schraubt, ist in Zeiten von Facebook und Let’s Plays nachvollziehbar.

Ohne soziales Netzwerk und Spielerprofile geht's nicht mehr. Ohne soziales Netzwerk und Spielerprofile geht's nicht mehr.

Ich frage mich aber langsam, wie viele Netzwerken ich noch verwenden soll: Facebook, Google Plus, Youtube, UStream, SonstwasVZ, das PSN, Xbox Live und und und. Irgendwann wird’s nicht nur überflüssig, sondern schlichtweg nervig. Zumal andere Spieler ja nicht nur originelle und witzige PS4-Videos teilen werden, sondern auch Szenen à la »ey schaut mal der n00b hat so voll kein skill LoLzhahahah«. Das. Will. Ich. Nicht. Wissen.

Die Streaming-Frage

Besser Grafik ist keine Überraschung, sondern Pflicht. Besser Grafik ist keine Überraschung, sondern Pflicht.

Die größte Überraschung – und ein Fingerzeig für die Spiele-Zukunft im Allgemeinen – ist das Streaming, die Übertragung von Spielen über das Internet. Die Konsole dient dabei nur als Eingabegerät, das eigentliche Spiel läuft auf einem Server und wird auf den Fernseher übertragen. Als Sony 2012 den Streaming-Anbieter Gakai kaufte, deutete sich bereits an, wie ernst man diese Technologie nimmt. Logisch, dafür braucht’s eine schnelle Internet-Leitung, und selbst damit können nach heutigem Stand der Technik noch Lag-Probleme nerven. Sony freilich verspricht verzögerungsfreie Gamepad-Eingaben. Ob das klappt, bleibt abzuwarten.

So oder so wird Streaming auf der PS4 zum Einsatz kommen, dank der Zuschauerfunktion kann ich Freunden nicht nur zugucken, sondern auch selbst die Steuerung übernehmen, wenn der Kumpel um Hilfe bittet. Außerdem verspricht Sony, dass man irgendwann Spiele für die erste, zweite und dritte Playstation über den Store kaufen und direkt losspielen kann – ohne vorherigen Download.

Das ist allerdings ein notwendiges Übel, abwärtskompatibel ist die PS4 nämlich nicht mehr, Klassiker à la Uncharted 2 müssen draußen bleiben – außer eben via Streaming. Was natürlich die Frage aufwirft, ob ich mir die alten Spiele denn nun im Streaming-Store neu kaufen muss, obwohl ich sie schon habe? Das wäre zwar nichts völlig Neues, aber auch nicht gerade fair.

Sony setzt auf Streaming – etwa, wenn man Freunden beim Spielen über die Schulter schaut. Sony setzt auf Streaming – etwa, wenn man Freunden beim Spielen über die Schulter schaut.

Bleibt die Frage, ob sich auch Playstation-4-Spiele komplett streamen lassen, also ohne Datenträger, Installation und Vorab-Download laufen. Dazu hat sich Sony noch nicht klar geäußert, sondern lediglich angemerkt, dass jeder Titel über den Store anspielbar sein werde. Aber geht‘s da um klassische Download-Demos oder um zeitlich begrenzte Demo-Streams, die sich dann zum kompletten Spiel aufrüsten lassen? Letzteres bietet etwa der PC-Service Onlive an: 60 Minuten reinspielen, dann zahlen.

Allerdings steht bereits so gut wie fest, dass PS4-Spiele auch weiterhin auf Datenträgern veröffentlicht werden, in der Konsole steckt wieder ein Blu-ray-Laufwerk. Dass Sony schon jetzt komplett auf Online-Verkauf umstellt, wäre sowieso unsinnig. Denn der klassische Ladenhandel schrumpft zwar, setzt aber immer noch zu viel um, um ihn zu ignorieren. Zumal nach wie vor viele Spieler an langsameren Internet-Leitungen hängen. Oder an gar keinen.

Immer online?

Allerdings hat Sony die potenziellen Aufreger »DRM« und »Online-Zwang«umschifft . Denn an sich ist das Streaming die ultimative Waffe gegen Schwarzkopien: Ein Spiel, das auf einem Internet-Server läuft, lässt sich schwer kopieren. Was aber geschieht dann mit Spielen, die auf Datenträgern verkauft werden? Müssen die – wie am PC bereits üblich – über das Internet aktiviert werden?

Womöglich nicht: Laut dem Sony-Manager Shuhei Yoshida laufen auf der PS4 auch Gebrauchtspiele. Bei dieser Aussage dürfte zahlreichen Spielern ein mittelgroßer Mount Everest vom Herzen fallen. Denn wie sollte man ein Spiel weiterverkaufen, das online aktiviert werden muss?

Noch wichtiger ist allerdings die Frage: Muss ich mit der PS4 permanent online sein? Die neuen Netzwerk-Features schreien geradezu nach einem Online-Zwang, schließlich will Sony, dass sich die Spieler austauschen und fleißig auf den Share-Button hämmern. Wenn man da einfach offline gehen könnte, sänke der Reiz. Was im Umkehrschluss aber alle Internet-losen Spieler komplett ausschließen würde. Wohl deshalb hat sich Sony dagegen entschieden, Yoshida verspricht, dass man auch offline spielen könne.

Die PS4 beherrscht auch fortschrittliche Physik-Effekte, hier etwa werden zahlreiche blaue Bälle simuliert. Die PS4 beherrscht auch fortschrittliche Physik-Effekte, hier etwa werden zahlreiche blaue Bälle simuliert.

In Zukunft könnte das aberdurchaus Realität werden . Denn das Streaming wird von Experten seit Jahren als mögliche Zukunft der Branche gehandelt. In einigen Jahren, heißt es oft, werden alle Spiele von den Servern fließen, Spieleläden verschwänden von der Landkarte. Gut möglich, dass die PS4 der erste Schritt in diese Zukunft ist, die nicht jedem gefallen muss. Streaming als Chance – aber auch als Bedrohung.

Es bleibt also spannend, was Sony in den kommenden Monaten noch alles enthüllen wird. Und natürlich, wie Microsoft reagiert. Wenn die Xbox-Truppe nämlich coole Exklusiv-Titel zeigt, könnte plötzlich ganz unwichtig werden, dass die Playstation 4 Streaming beherrscht. Am Ende wollen wir Spieler doch sowieso nur eines: tolle Spiele.

Kuriosität am Rande: Am allermeisten überrascht hat mich eigentlich die Tatsache, dass die neue Konsole »Playstation 4« heißt. Denn die Zahl Vier gilt in der chinesischen Zahlensymbolik – und auch in Japan – als Unglückszahl, weil sie ähnlich klingt wie das chinesische Wort für »Tod«. Ich hätte da dann doch eher mit »Playstation Next« gerechnet. Und hoffe gleichzeitig, dass die Vier in diesem Fall für ein gutes Omen steht.

PlayStation 4 - Launch-Trailer mit Next-Gen-Spielen Video starten 1:42 PlayStation 4 - Launch-Trailer mit Next-Gen-Spielen

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