Seit die Fallout 76-Beta in vollem Gange ist, tobt ein Streit in der Spiele-Welt: Ist Bethesdas Creation Engine schuld an der schlechten Performance von Fallout 76? Am 2. November hat ein Artikel im Wirtschaftsmagazin Forbes die Debatte unter der Überschrift "Fallout 76 zeigt, dass Bethesdas Engine vom Witz zur Belastung geworden ist" auf den Punkt gebracht.
Viele andere, reichweitenstarke Medien und YouTuber haben den Ball aufgenommen, im Mittelpunkt steht stets ein Zitat, das Bethesdas Todd Howard gesagt hat:
"In Fallout 76 haben wir viel geändert. Das Spiel nutzt einen neuen Renderer, ein neues Belichtungssystem und ein neues System fürs Generieren von Landschaften. Für Starfield werden wir sogar noch mehr ändern. Und für The Elder Scrolls 6, das irgendwo am Horizont wartet, sogar noch mehr. Wir mögen unseren Editor. Er erlaubt uns, Spielwelten schnell zu erstellen und Modder kennen ihn schon sehr gut. Es gibt ein paar elementare Wege, wie wir unsere Spiele entwickeln und wir werden diese beibehalten, weil wir damit effizient arbeiten können und denken, dass sie für uns am besten funktionieren."
Todd Howard hat diesen Satz im Interview mit GameStar Ende Juni 2018 gesagt. Unter diesen Zeilen findet ihr das Video der Kollegen in voller Länge - sogar übersetzt ins Deutsche (das englische Original gibt's hier exklusiv für GameStar Plus-Mitglieder). Wir finden, es lohnt sich das komplette Gespräch anzuhören, um den Kontext seiner Antwort besser einordnen zu können.
Warum gibt es die Diskussion?
Denn Kontext scheint wichtig, wie Jason Schreier von Kotaku in seinem Artikel "Die Kontroverse um Bethesdas Game Engine ist irreführend" schreibt. Die Aussagen, die Todd Howard bei GameStar gemacht hat, werden von einigen nämlich falsch wiedergeben - entweder bewusst oder aus Unkenntnis.
Aus dem Zitat haben sie herausgelesen, Bethesda plane auch für Starfield und TES 6 dieselbe Engine zu nutzen, die schon seit Skyrim (2011) in Benutzung ist und auf Gamebryo (von 2003) basiert. Daraus schlussfolgern sie: Die zukünftigen Bethesda-Spiele werden unter denselben Problemen leiden, wie Fallout 76 und sich grafisch und inhaltlich nicht verändern.
Jason Schreier hält dagegen:
"Die Schuld Bethesdas Engine in die Schuhe zu schieben, ist irreführend. Das Wort Engine an sich ist eigentlich schon eine unzutreffende Bezeichnung. Eine Engine ist nicht ein einzelnes Programm, es ist eine Sammlung von Tools und Technologien, die sich stetig verändern. Zu sagen, dass Starfield und Fallout 76 dieselbe Engine nutzen, weil sie denselben Editor nutzen oder ähnliche Eigenschaften haben, ist wie die Behauptung, indische und chinesische Küche sei dasselbe, weil beide Gerichte Reis und Hühnchen enthalten."
Die Aussage, dass die Engine 2019, 2020 oder 2021 noch immer dieselbe sei wie in 2011, ist tatsächlich nicht haltbar. Denn die Einzelteile der Engine haben sich schon jetzt in vielerlei Hinsicht gewandelt, wurden ausgetauscht und sind erneuert worden - auch wenn man das auf den ersten Blick nicht immer sieht.
Man kann den Fall mit einem Zitat von Terry Pratchett aus seinem Buch "Der fünfte Elefant" (1999) gut illustrieren:
"Dies, mein Lord, ist meine Familienaxt. Sie ist seit fast 900 Jahren in unserem Besitz. Natürlich haben wir manchmal die Klinge austauschen müssen. Manchmal auch den Stiel. Wir haben das Design des Metalls geändert, die Verzierung modernisiert und so. Aber ist es deshalb nicht mehr die 900 Jahre alte Axt meiner Familie? Und nur, weil sie ein bisschen verändert wurde, ist es noch immer ne verdammt gute Axt."
Ob die Axt wirklich verdammt gut ist, kann man diskutieren. Es ist aber möglich und zumindest angesichts des Innovationsdrucks für die neue Konsolengeneration nicht unwahrscheinlich, dass Bethesda bereits Dutzende Programmierer darauf angesetzt hat, ein komplett neues Animationssystem zu entwickeln, das anschließend in die Creation Engine integriert wird.
Genauso wenig ist allerdings von der Hand zu weisen, dass Bethesdas Rollenspiel-Grundgerüst einige technische Schwächen schon seit vielen Jahren mit sich herumschleppt und erst noch den Beweis antreten muss, dass diese Schwächen für Starfield und Elder Scrolls 6 behoben werden können.
Ob das gelingen wird, werden wir frühestens dann sehen, wenn erstmals Spielgrafik von diesen Titeln gezeigt wird. Bis dahin bleibt es reine Spekulation, egal was Todd Howard im - selbstverständlich trotzdem äußerst sehenswerten - GameStar-Videointerview gesagt hat.
In einem aber hat Jason Schreier recht: Die Creation Engine von heute ist wahrscheinlich nicht dieselbe wie vor sieben Jahren. Und die von morgen nicht so wie heute. Engines sind lange nicht so ein starres Konstrukt wie man manchmal denkt.
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