Bis vor Kurzem hatte ich, wie wahrscheinlich die meisten von euch, Echo gar nicht auf den Schirm. Auch bei Entwickler Ultra Ultra dürfte es nicht sofort Klick machen, beim folgenden hingegen vielleicht schon: Hinter dem dänischen Indiestudio stecken acht ehemalige Mitarbeiter von IO Interactive, das vor allem bekannt ist für Hitman. Echo, ein Science-Fiction-Abenteuer, das Third-Person-Shooter- und Stealth-Mechaniken mixt, ist das allererste Projekt des kleinen Teams.
Ich war bei Ultra Ultra zu Gast und hatte die Gelegenheit, Echo etwa drei Stunden lang anzuspielen und mich mit Game Director Martin Emborg und Christel Graabæk, Scriptwriter und Producer, zu unterhalten. Das Ergebnis hinterlässt mich zwiegespalten. Einerseits verspricht Echo eine spannende, von Jorge Luis Borges' Sci-Fi-Kurzgeschichten inspirierte Story, die mit unserer Ahnungslosigkeit spielt. Andererseits schreibt sich der Titel ein Gameplay-Konzept auf die Fahne, das zwar originell ist, sich nach den drei Stunden aber schon wieder abgenutzt hat.
Misanthropen-Palazzo
Meine Reise beginnt mit dem Erwachen der Protagonistin En. Nach einhundert Jahren Stasis finde ich mich auf einem nur notbeleuchteten Raumschiff wieder. Eine mysteriöse Stimme nimmt Kontakt zu mir auf. Sie nennt sich London und steckt offenbar in einem Würfel, den ich mit mir herumtrage. Vom Rest der Crew und Ens Kollegen Foster, der hier und da in Gesprächen erwähnt wird, fehlt hingegen jede Spur.
Nach Kurzem Umherwandern durch leere Gänge werde ich urplötzlich in einen Palast teleportiert, der ein noch größeres Unbehagen auslöst, als das verlassene Schiff, auf dem ich eben noch war. Ich wage meine ersten Schritte durch den Palast und auch hier finde ich niemanden, der mich in Empfang nimmt. Trotzdem beschleicht mich das Gefühl, als pulsiere hier das Leben. Jede zweite Tür streckt mir eine grässliche Fratze und bedrohliche Stacheln entgegen, sodass ich erst gar nicht erst imstande bin, sie zu öffnen. Auf jedes unheilvolle Dröhnen in leeren Hallen, folgen kurze Stromaussetzer, die mich orientierungslos zurücklassen.
Es scheint, als wolle mir der Palast mitteilen, schleunigst wieder von hier zu verschwinden.
Auf einmal an einem fremden Ort zu landen und nicht zu wissen, was einen hier erwartet, ist für die Betroffene ganz bestimmt ziemlich großer Bockmist, für den Aufbau eines Spannungsbogens aber perfekt. En und ich sind bei unseren ersten, vorsichtigen Schritten durch den Palast auf einer Wellenlänge: Wir fragen uns beide, was zur Hölle hier eigentlich vor sich geht. Und wir suchen beide nach Antworten, die uns das Spiel erst nach und nach offenbart, wie mir Graabæk erzählt. Der Anfang des Spiels sei nämlich bewusst verwirrend gestaltet.
"Du erwachst auf einem Raumschiff, das dich nicht mag und redest mit einem Würfel und hast keine Ahnung, was er eigentlich ist. [...] Über die Dialoge und Streitereien zwischen En und London, die sich zu Beginn gar nicht leiden können, erfährst du aber immer mehr über die Geschichte: Zum Beispiel warum En überhaupt im Palast gelandet ist, wer sich hinter Foster und dem Würfel verbirgt und was sie eigentlich vorhaben."
Im Mittelpunkt der Geschichte stehen laut Graabæk die Charaktere und das große Mysterium, das sich um sie spinnt. Der Schlüssel zur Entwirrung verstecke sich jedoch irgendwo tief im Palast, dessen Erkundung auf einem eigentümlichen Spielkonzept fußt: Das pompöse Bauwerk erschafft Doppelgängerinnen der Heldin, sogenannte Echoes, die ihre Handlungsweisen kopieren und gegen sie einsetzen.
Lernen, bis das Licht angeht
Bei meiner ersten Aufgabe im Palast befinde ich mich in einem recht weitläufigen Raum, in dem ich eine bestimmte Anzahl Orbs einsammeln muss, um die Türen eines Fahrstuhls zu öffnen, der mich tiefer in den Palast führt. Vor mir tummeln sich aber auch mindestens drei Dutzend En-Duplikate, die mir an den Kragen wollen. Ich bin auf mich allein gestellt.
Bei meinen ersten Versuchen entscheide ich mich für den effizienten Weg nach vorn: Ich sehe einen Orb in der Nähe, gehe auf ihn zu, schnappe ihn mir und ignoriere dabei die Gestalten um mich herum. Ich schieße sie einfach nieder, wenn sie sich nähern, um mir an den Hals zu springen. Ist das Magazin meiner Pistole leer, sprinte ich einfach davon und hüpfe gekonnt über ein Geländer in eine untere Ebene, auf der ich mich in Sicherheit wähne. Bis das Licht ausgeht.
Nach einigen Sekunden im Dunkeln geht das Licht wieder an. Meine offensive Taktik, mit der ich zuvor durch den Raum arbeitete und einen Orb nach dem anderen aufklaubte, funktioniert nun aber nicht mehr: Sprinte ich auf einen Orb zu, sprinten mir die Echoes hinterher. Komme ich ihnen zu Nahe, richten sie ihre Waffe auf mich. Die Echoes hatten während des Blackouts von mir gelernt und machen mir jetzt das Leben schwer, indem sie mir meine eigenen Handlungen wie einen Spiegel vorhalten.
Ich muss also umdenken: Wenn ich mit gezückter Knarre übers offene Feld renne, habe ich nach einigen Metern eine Horde schießender Echoes an den Fersen. Also gehe ich in Deckung, verkrieche mich hinter Tischen, Bänke und Statuen, warte geduldig und passe die Laufwege der patrouillierenden En-Kopien ab, um sie anschließend von hinten zu überraschen und mit einem gekonnten Würgegriff auszuschalten.
Viel langsamer als zu vor, dafür aber leise und unauffällig, komme ich wieder voran, stibitze den ahnungslosen Echoes die Orbs vor der Nase weg. Aber nur bis zum nächsten Blackout. Denn danach muss ich damit zurechtkommen, hinterrücks aus einer Ecke attackiert zu werden, weil die Doppelgängerinnen jetzt meine schleichende Spielweise gegen mich verwenden. Dass sie sprinten können und ein tödliche Schusswaffe bei sich tragen, haben sie seit dem letzten Blackout aber wieder vergessen. Also wähle ich erneut den auffälligen Weg, gehe aus der Hocke, verlasse meine Deckung und renne den vorsichtig und abwartend agierenden Doppelgängerinnen einfach davon.
Das ist das Grundkonzept von Echo: Ich tue etwas so lange, bis das Licht ausgeht, die Echoes rebooten und mich anschließend dazu zwingen, etwas anderes zu tun. Das sorgt für ein dynamisches Spielerlebnis, weil mit dem Wechsel des Spielstils ein Wechsel des Schwierigkeitsgrades einhergeht. Echo ist ein schweres Spiel, wenn die Doppelgängerinnen beginnen, mich mit meinen eigenen Waffen zu schlagen, und ein einfaches, wenn ich den Spieß wieder umdrehe.
Kehrtwende in Dauerschleife
Nachdem ich aber nach etwa drei Stunden hinter das System gestiegen bin und wusste, wie ich mit den Doppelgängerinnen umgehen sollte, beschlich mich das Gefühl, alles vom Kernkonzept des Spiels gesehen zu haben. Es überraschte mich nicht mehr. Stattdessen sah ich mich in einem Loop aus "schießen, bis es nicht mehr geht" und "schleichen, bis es nicht mehr geht" gefangen, der mich schnell langweilte.
Nun muss ich aber dazu sagen, dass ich nur den ersten Abschnitt nach dem Tutorial gespielt und bis zur letzten Ecke ausgereizt habe. Es bleibt daher abzuwarten, was die anderen Level des Spiels zu bieten haben und ob sie mit neuen Kniffen daherkommen, die das eigentlich vielversprechende Konzept von Echo um weitere Facetten bereichern. Die vielen Fragen, die um En, London, Foster und dem geheimnisvollen Palast schwirren, versprechen zumindest eine spannende Sci-Fi-Geschichte. Jetzt muss es Echo nur noch gelingen, spielerisch bis zum Schluss zu fesseln. Ansonsten könnte die Suche nach Antworten zur Quälerei werden.
Echo erscheint am 19. September 2017 zunächst für PS4 und PC. Einer Xbox One-Version seien die Entwickler aber nicht abgeneigt, wie mir Emborg verraten hat.
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