Es mangelt mir nicht an Spielen, weder am PC, noch auf der Switch oder anderen Konsolen. Was mir persönlich aber oft fehlt, sind Titel, die sich zutiefst erlebenswert anfühlen: Spiele mit einer Seele.
Sie sind für mich vom ersten Schritt an mehr als simples Abarbeiten von Aufgaben in schicker Umgebung, sie locken mit mehr als der buchstäblichen Karotte des "Stärker-werdens". Welt, Optik, Charaktere, Mechaniken und Geschichte ergeben ein lückenloses Puzzle.
Drova: Forsaken Kin ist für mich solch ein seltener Fall. Das Debüt-Rollenspiel des deutschen Sechs-Mann-Teams Just2D schafft es, eine eigenständige Welt zu entwerfen, die Profis herausfordert, ohne aber Neulinge zu verschrecken.
Nachdem ich es für die GameStar auf dem PC getestet habe, spiele ich es derzeit noch einmal auf der Switch. Und was soll ich sagen? Drova fühlt sich wie geschaffen für die Nintendo-Konsole an. Es ist für mich das perfekte Rollenspielerlebnis für unterwegs.
Gerald Weßel
@GamePro_de
Videospiele, insbesondere am PC, gehören für Gerald seit frühester Kindheit fest zum Freizeitprogramm. Die Welten der Gothic-Serie besucht er auch heute noch als Vater zweier Kinder regelmäßig und hält sie bis heute als Maßstab für Immersion in Spielen hoch. Auf Drova freut er sich, seitdem er erstmals davon erfahren hat.
Fausthiebe und helfende Hände
Ich lande als Halbstarker, der gerade mal einen Ast hochheben kann, zufällig in der sagenumwobenen Welt von Drova und merke schnell, dass hier einiges schiefläuft. Verfeindete Gruppen bekämpfen sich, Monster durchstreifen die Wildnis, mysteriöse Ruinen zeugen von einer rätselhaften Vergangenheit und ein gespenstischer Nebel rückt allem Leben auf den Pelz.
Drova lässt mir mit seinem simplen, aber wuchtigen Aktion-Kampfsystem die Wahl, mir meinen Weg zu suchen, wie ich Konflikte gewaltsam löse. Spielerisch ist es eine Mischung aus einem Souls-Spiel mit einem Hauch Diablo: Normale Attacken, Blocken und Ausweichen führen dazu, starke Spezialattacken oder Magie nutzen zu können.
Allerdings gehts auch ohne Kampf: Denn die zahlreichen Quests in der bildhübschen 2D-Pixelwelt sind teils auch ohne Kampf lösbar. Charaktere, ihre Emotionen und Wünsche stehen im Vordergrund, weniger generischer "Bitte rette uns vor dieser bösen Bedrohung"-Kram. Es gibt Streit, Verrat, Ängste, eine oft herrlich nahbare Schrulligkeit - und natürlich Geheimnisse.
Denn abseits der eigentlichen Hauptstory verbirgt sich weit mehr, als ich beim ersten Durchgang erahnte. Verborgen spinnen nämlich noch uralte Mächte ihre Netze und manch einer hat genug von all der Zwietracht zwischen den Hauptfraktionen. Sie verfolgen ganz eigene Ziele.
Derweil sticht das Abenteuer auch mit seiner intuitiv zu erkundenden, offenen Welt hervor, die weder zu groß, noch zu klein ist. Einmal auf einem Spaziergang an den Toren der Haupt- und Nebenlager anzuklopfen dauert rein vom Laufen her keine zehn Minuten.
Dazwischen gibt es reichlich zu erkunden: Höhlen, Ruinen, Wälder, Hügel oder auch Sümpfe. Wer den Hauptweg einmal verlässt, kann dennoch problemlos Stunden damit zubringen, Ausrüstung, Geld, Nebenquests oder Geheimnisse aufzutun.
Zwei Kunstgriffe für das Gefühl, hier in einer greifbaren Welt ein Abenteuer zu erleben, sind derweil altbekannt und bewährt:
- kein Levelscaling: Die Welt bietet natürliche Grenzen, die erst mit ausreichend guten Skills oder Ausrüstung einzureißen sind. Starke Gegner blockieren nachvollziehbar platziert Wege oder besiedeln ganze Landstriche, aus denen Menschen längst geflohen sind.
- keine Questmarker: Ihr müsst lesen und verstehen, was NPCs von euch wollen.
Was Drova trotzdem zum einladenden Einfallstor ins Genre der 2D-Rollenspiele und perfekt für Einsteiger macht, ist, dass ich den Schaden, den ich austeile oder einstecke, einstellen kann. Ich will mächtig austeilen? Kein Problem! Unverwundbar sein? Ebenfalls kein Problem!
Drova bietet eine erwachsene, clever designte Welt und auf Wunsch kann es unverzeihlich sein, aber wer alles bis auf potenziellen Frust will, greift einfach auf die Regler zurück.
Auch deshalb ist Drova auf der Switch gut aufgehoben. Denn es eröffnet ein im Kern komplexes Rollenspielerlebnis, das wenig hilft, aber viel Mitdenken einfordert, einem breiten Publikum. Seine klare 2D-Präsentation, die schnörkellose Benutzeroberfläche sowie seine übersichtliche Welt laden auch unterwegs oder zwischendurch zum Griff an die Joy-Cons ein.
Denn selbst in 15 Minuten ist viel zu schaffen: Einen Abstecher in eine Höhle gefällig? Bei einem Kaffee oder Tee einen Einkaufsbummel am Marktplatz in der Hauptstadt Nemeton? Oder doch lieber einige der nahbar geschriebenen Charaktere im Ruinenlager kennenlernen? Drova kann zugleich eine Vielzahl an Snacks, aber auch eine abendfüllende Hauptmahlzeit sein – wie und wo ihr mögt.
Die richtigen Akzente gesetzt
Auf technischer Seite muss ich selbst auf der inzwischen ziemlich betagten Switch auf nichts verzichten. Drova sieht auf der Nintendo-Konsole wie auf meinem Spiele-PC der oberen Mittelklasse aus. Die Grafik mutet auf den ersten Blick etwas altbacken an, auf den zweiten strotzt sie aber vor Details und ist alles andere als simpel: Drova ist ein zum Leben erwachtes Ölgemälde, bei dem jeder Pinselstrich sitzt – und keiner unnötig ist.
Ein Wermutstropfen ist für mich die fehlende Sprachausgabe. Abseits von einigen Geräuschen bleibt Drova in den Dialogen stumm. Die Musik untermalt derweil jede Region der Welt individuell und passend.
Doch wer sich damit anfreunden kann und einfach mal für 30 bis 40 Stunden in eine Welt jenseits von AAA-Einheitsbrei eintauchen möchte, sollte sich Drova unbedingt unter den Weihnachtsbaum legen.
Habt ihr Drova schon gespielt? Wie sind eure Meinungen zu dem Titel?
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