Seite 2: Doom 3: Lost Missions - Speedrun-Weltrekord - Von A nach B - egal wie

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Eine Wissenschaft für sich

Tatsächlich vertreibt sich Brandl seine Tage nicht nur mit einem Spiel. Der gelernte Industriekaufmann arbeitet bei einem Energiekonzern. Mit seinem Hobby verdient Robert Brandl trotz herausragender Leistungen nicht die Welt. In Deutschland können Speedrunner wie er nur davon träumen, von ihren Erfolgen zu Leben. Zu wenige Firmen sind bereit, nennenswerte Sponsorengelder auf den Tisch zu legen. Ein Wechsel ins etwas lukrativere eSport-Metier ist in der Regel keine Option. Natürlich hat jemand wie er gute Voraussetzungen, auch beispielsweise in Multiplayer-Shootern erfolgreich zu sein.

Aber Reaktionsgeschwindigkeit und tiefes Spielwissen sind nur ein kleiner Teil vom Speedrun-Erfolg. Tatsächlich ist der Sport eher was für Tüftler und Optimierer. Die eigene Leistung wird per Video mitgeschnitten und im Nachgang sekundengenau analysiert. Brandl misst beispielsweise, wie viel Zeit zwischen dem Auftauchen zweier unterschiedlicher Gegner verstreicht. Reicht die Zeit zum Nachladen, oder muss er die Waffe wechseln? Wenn er die große Wumme benutzen kann, hat er dann später an einer anderen heiklen Stelle noch genug Munition? Oder besonders wichtig: An welchen Stellen kann er auf zeitraubende Kämpfe verzichten und einfach nur durchrennen?

Gute Arbeit der PR: Neben uns (Krawall / GameStar) und den Kollegen von Gameswelt waren auch ARD und ZDF angetreten. Gute Arbeit der PR: Neben uns (Krawall / GameStar) und den Kollegen von Gameswelt waren auch ARD und ZDF angetreten.

Bei der Suche nach Programmfehlern, den so genannten „Glitches“, führt der wissenschaftliche Ansatz aber meist nicht zum Erfolg. Hier helfen nur Erfahrungswerte, Bauchgefühl und vor allem eine gute Beobachtungsgabe. „Es kommt stark auf das Spiel an.“, erklärt Brandl seine grundlegende Strategie. „Wenn deine Spielfigur interessante Fähigkeiten hat, wie zum Beispiel die „Stasis“-Fähigkeit in 'Dead Space 2', dann versucht man damit zu experimentieren. Damit kann ich mich zum Beispiel an bestimmten Stellen durch eine Wand drücken lassen.“ In anderen Spielen wie „Doom 3“ achtet er hingegen eher auf bewegliche Objekte: Türen, Brücken, Aufzüge. Es kann schon helfen, wenn nur die „Hitbox“ einer Brücke, die für den Spieler unsichtbare Begrenzung um ein solides Objekt, etwas asynchron programmiert wurde. Dann kann Brandl schon weiter springen und im vermeintlich luftleeren Raum landen, bevor die Brücke optisch ausgefahren wurde. Wieder ein paar Sekunden gespart.

Neben seinen eigenen Erkenntnissen hilft ihm natürlich insbesondere auch die Internetrecherche weiter. Schadenswerte von Waffen, wie viele Treffer ein bestimmtes Monster verträgt, bereits bekannte Tipps und Tricks – all das lässt sich online finden. Doch um einen der härter umkämpften Rekorde zu unterbieten, reicht das alles nicht. Hierzu muss der ambitionierte Speedrunner eigene Tricks aushecken.

Kollege Michael Herde von der M!Games sollte als Benchmark dienen und den ersten Level spielen. Und was war? Gestorben isser. Gestorben! Kollege Michael Herde von der M!Games sollte als Benchmark dienen und den ersten Level spielen. Und was war? Gestorben isser. Gestorben!

Wie das aussehen kann, demonstriert Speedrun-Kollege Besmir Sheqi in „Metroid Prime“. Um dort eine Chance auf den Rekord zu haben, muss man den vom Entwickler vorgegebenen Spielablauf durchbrechen. Also visiert Besmir in einer Höhle einen Gegner an, läuft dann rückwärts zurück durch den Level, um diese Aufschaltung nicht zu verlieren, klettert auf das Raumschiff mit dem seine Spielfigur gelandet ist und springt von dort aus nach rechts auf einen kleinen Vorsprung. Normalerweise ist dieses Mini-Plateau zu diesem Zeitpunkt noch nicht erreichbar. Aber weil man mit aufgeschaltetem Gegner ein kleines Stückchen weiter springen kann und die Entwickler vergessen haben, die Reichweite dieser Aufschaltfunktion an dieser Stelle zu begrenzen, klappt es eben doch. So gelangt Besmir schon viel früher als vorgesehen an zusätzliche Ausrüstung. Die Level-Abschnitte, in denen er sich die normalerweise verdienen muss, kann er nun überspringen.

Von solchen Tricks kennt der aktuelle Weltrekordhalter im „Metroid Prime“-Speedrun dutzende. Derzeit arbeite er bereits an ein paar neuen, die er aber natürlich noch nicht verraten will. Besmirs Weltrekord, sagt Robert Brandl, ist einer von denen, die er auch gern in Angriff nehmen würde. Bisher jedoch hängt er weit hinterher. Ihm fehlt einfach die Zeit. Selbst wenn man neue Möglichkeiten gefunden hat, einen solchen Titel weiter auszuspielen, muss der Speedrunner Stunde um Stunde investieren, um die nötigen Handlungsabläufe zu perfektionieren. Als Besmir einen besonders kniffligen Trick in „Metroid Prime“ demonstrieren will, scheitert selbst der Rekordhalter immer wieder. Ein kleiner Lag, ausgelöst durch die Verbindung zwischen Konsole und Fernseher, bringt sein Timing völlig aus dem Konzept. Er zeigt schließlich lieber etwas Einfacheres.

Was andere Menschen zu Tode langweilen würde, fasziniert Menschen wie Brandl und Sheqi. „Man bekommt ein völlig anderes Gefühl für das Spiel, lernt jede einzelne Entscheidung der Entwickler mit der Zeit kennen und verstehen, und beginnt das auch teilweise zu hinterfragen.“, so Brandl. Die „Lost Levels“, in denen er am Montag seinen Rekord aufgestellt hat, haben ihn genau deswegen sehr enttäuscht. Das von vielen kritisierte „Doom 3“, sagt er, sei eigentlich ein klasse Spiel. Die Zusatzmissionen hingegen seien nur lieblos zusammengeworfen worden.

Während der rund 20 Mal, die er das Add-on im Training durchspielen musste, begegneten ihm zahllose Fehler. Nicht von der guten Sorte. Türen öffneten sich nicht korrekt, seine Spielfigur blieb rettungslos stecken, und Monster erschienen einfach nicht. Sein „Lost Missions“-Speedrun wird daher wohl eher die Ausnahme bleiben, auch wenn er das Zusatzpaket nun nicht ganz furchtbar findet. Denn einen Speedrun zu einem Titel, der keinen Spaß macht, so Brandl, wird zur reinsten Tortur. „Ich will mir gar nicht vorstellen, wie einen das anwidert, wenn man ein richtig schlechtes Spiel immer wieder angehen muss.“, sagt er.

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