»Dies ist eine völlig neue Art von Spielkonsole!«, gibt sich Peter Main, Marketingmann von Nintendo of America, in einem Artikel der New York Times siegessicher. Tatsächlich darf die weltberühmte Tageszeitung am 13. November 1994 exklusiv verkünden, was erst einen Tag später per Pressemitteilung bestätigt wird: Nintendo werkelt an einer Hardware, die mit revolutionärer 3D-Technik aus Virtual Reality gespielte Realität machen soll. Dementsprechend lautet der Titel dieser Konsole dann auch Virtual Boy - der Science-Fiction-Bruder des Game Boy quasi. Im Gegensatz zum immens erfolgreichen Handheld-Bruder ist der hoffnungsvolle Junge jedoch nur transportier-, aber eben nicht überall nutzbar. Technik und Gewicht verhindern komfortables mobiles Spielen.
Ein Spieler sieht rot - und alle anderen auch!
Auf den ersten Blick mutet das rot-schwarze Gehäuse des Virtual Boy wie die tollkühne Verquickung von Labor-Mikroskop und Spielzeugroboter an: Ein wackeliges Gestänge trägt eine Art Guckkasten mit zwei optischen Linsen. Im Inneren des Geräts kommt eine ebenso kuriose wie clevere Technik zum Einsatz: Das Leuchten zweier vertikal angebrachter LED-Streifen (für jedes Auge einer) wird von oszillierenden Spiegeln so schnell in der Horizontalen hin und her bewegt, dass für den Betrachter ein dreidimensionales Bild mit immerhin 384 x 224 Pixeln entsteht.
Die Bildwiederholrate liegt bei beachtlichen 50 Hz. Um Kosten zu sparen, verwendet Nintendo jedoch ausschließlich rote LEDs: Die Grafik des Virtual Boy besteht deshalb aus maximal drei unterschiedlichen Rottönen auf schwarzem Hintergrund - eine Optik, die an monochrome Monitore aus den Anfängen der Computerära erinnert. Für die Soundausgabe sind unterdessen zwei eingebaute Stereolautsprecher zuständig. Um diese aufwändige Technik mit Strom zu versorgen, muss man sechs AA-Batterien (bekannt unter anderem vom klassischen Walkman) in das entsprechende Fach einsetzen – der Saft hält dann für ungefähr fünf Stunden. Der hohe Stromverbrauch ist deshalb einer der Hauptkritikpunkte am Virtual Boy – wenn auch nur einer von vielen.
3D hin oder her, bloßes Reinschauen macht aus einem Apparat noch keine Spielkonsole: Und so wird auch der Virtual Boy mit einem passenden Controller ausgeliefert. Das eigentümliche Gamepad erinnert in seiner Form an die spätere N64-Steuereinheit, muss aber ohne Analogstick auskommen. Stattdessen wird der dritten Spieldimension dadurch Rechnung getragen, dass gleich zwei Digikreuze an der Front angebracht sind. Alle weiteren Aktionen werden schließlich mit sechs Buttons (Select, Start, A, B und zwei digitalen Schultertasten) ausgelöst.
Sündhaft teure Neandertaler
Nintendo lässt sich die Bewerbung seiner vermeintlichen Konsolen-Revolution einiges kosten: Satte 25 Millionen US-Dollar steckt die Firma in das Marketing für den Virtual Boy. Und weil die Dreidimensionalität als wichtigstes Verkaufsargument nur schwerlich mittels Fernsehspots und Printinserate transportierbar ist, greift man zu ungewöhnlich abstrakten Mitteln.
Die Kampagne dreht sich um einen steinzeitlichen Höhlenmenschen, dessen Weltbild durch die Fortschrittlichkeit der Nintendo-Hardware völlig aus den Fugen gerät. In einer TV-Werbung wird die Konsole gar im Stile eines AT-ST-Kampfläufers aus Star Wars inszeniert und macht Jagd auf verdutzte Neandertaler.
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