Es ist der erste Tag der Game Developers Conference in San Francisco. Und Kai Fiebig, Executive Producer bei den Geschichtenerzählern von Daedalic, ist jetzt schon heiser. Kein Wunder, denn Das Schwarze Auge: Blackguards ist ein erklärungsbedürftiges Spiel. Es erinnert auf den ersten Blick frappierend an Fantasy-Strategietitel wie Heroes of Might & Magic oder King's Bounty, ist aber ein ebenso komplexes wie story-lastiges Rollenspiel. Nur dass Blackguards den Großteil seiner Geschichte auf Hexfeld-Karten erzählt. Das Ganze mit den Regeln und in der Welt des urdeutschen »Pen & Paper«-Rollenspiels Das Schwarze Auge. So, und das verklickern Sie jetzt mal einem amerikanischen Games-Journalisten.
Daedalic und Kai Fiebig versuchen es, indem sie ihr neues Baby als »Turn-based RPG« bezeichnen. Und das trifft es eigentlich ganz gut. Gleich nach dem Intro erwacht unser Held mit einem Brummschädel und Gedächtnisverlust in einer düsteren Waldlichtung. Vor ihm liegt die Leiche einer schönen Frau, die wiederum gerade als Zwischenmahlzeit für einen offensichtlich ziemlich hungrigen Wolf dient. Klassische Rollenspielkost also, dieses Mal aber eben serviert auf Hexfeldern. Entsprechend betrachten wir die frei dreh- und zoombare Lichtung standardmäßig von schräg oben und knüppeln den Wolf nicht in Echtzeit sondern rundenweise aus seinem Pelz.
Daedalic hat sage und schreibe 197 unterschiedliche Hexfeld-Karten gebaut, über die wir uns im Lauf der auf rund 40 Spielstunden ausgelegten Geschichte kämpfen, reden (!) und rätseln (!!). »Jedes unserer Schlachtfelder ist von Hand gebaut, erzählt seine eigenen Geschichten und stellt dich vor andere Herausforderungen«, so Kai Fiebig. Vor allem aber sind die Hexfeld-Areale keine leblosen Areale, sondern sollen es uns ermöglichen, taktisch mit der Umgebung zu spielen - im wahrsten Sinne des Wortes. Fässer können wir nicht nur zerstören, sondern auch bewegen, Spinnenweben lassen sich verbrennen, Grabsteine spenden Schutz vor Fernkampfangriffen und Kronleuchter sausen auf unsere Feinde herab, wenn wir die Aufhängung zerstören.
Wie genau diese Fusion aus Taktik, Geschichte und Rollenspiel funktioniert, erfahren wir … im Kerker. Denn dummerweise war die tote Frau auf der Lichtung die Tochter eines einflussreichen Grafen und noch dummererweise wird unser Held (wahlweise ein Krieger, Waldläufer oder Magier) für den Mörder gehalten. Glück im Unglück: Ein entflohener Zwerg namens Naurim befreit uns aus unserer Zelle, weil er einen Fluchtgehilfen benötigt. Ein Zauberer in der Nachbarzelle bettelt ebenfalls um seine Freilassung. Magie können wir natürlich immer gebrauchen, zuvor müssen wir den Zauberer allerdings noch von seiner stählernen Halskrause befreien.
Kurz vor der Freiheit gerät unser Fluchtversuch jäh ins Stocken, als bis an die Zähne bewaffnete Wachen den einzigen Ausgang blockieren. Mit Fäusten und in Sträflingsklamotten haben wir da keine Chance. Mit einer List hingegen schon: Wir lassen einfach weitere Gefangene frei, welche die Wachen in Nahkämpfe verwickeln und so unserem Zauberer Zeit und Raum für einen »Ignifaxius Flammenstrahl« verschaffen.
»Hä, Igniwas?«, mag manch neuzeitlich erzogener Diablo-Jüngling nun fragen. Unsereins, der in den 80ern und 90ern noch W20-Würfel über Wohnzimmertische gerollt hat, murmelt hingegen mit nostalgisch verklärtem Blick: »Ignifaxius Flammenstrahl - Magisch' Feuer, schmelze Stahl!« So lautet nämlich die vollständige Zauberformel im »Pen & Paper«-Rollenspiel Das Schwarze Auge. Und anders als sein actionlastiger Lizenzkollege Demonicon (siehe Kasten) will Blackguards die DSA-Welt und auch das Regelwerk so originalgetreu wie möglich umsetzen - mit allen Konsequenzen.
So können Zaubersprüche bei entsprechendem »Würfelglück« auch schief gehen und uns verletzten statt den Gegner. Während der Kämpfe dürfen wir nicht aufs Inventar zugreifen, sondern lediglich zwischen drei Waffensets wechseln, was ebenso wertvolle Aktionspunkte kostet wie Heiltränke schlucken. Und für Siege gibt es keine Erfahrung, sondern Abenteuerpunkte, mit denen wir vollkommen frei die Grundwerte und Talente unserer Helden steigern. Ein Fest für DSA-Veteranen und Rollenspielprofis, das uns angenehm an die Drakensang-Spiele erinnert. Aber auch ein unbezähmbares Komplexitätsmonster für Einsteiger? »Nein, auch die sollen natürlich ihren Spaß haben«, beschwichtigt Kai Fiebig, »wir arbeiten mit kontextsensitiven Menüs, es gibt mehrere Schwierigkeitsgrade und du bekommst vom Spiel konkrete Tipps, welche Steigerungen gerade sinnvoll wären«.
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