"Am Ende wollten wir, dass alle sterben."
So hat Kollege Dennis kürzlich seinen Little Hope-Test betitelt. Habt ihr das im Horror-Gaming auch schon mal erlebt? Wenn sich Charaktere wie Abziehbilder anfühlen, stellt sich schnell eine gewisse Gleichgültigkeit ein. Leider ist diese nicht nur für die Spielfigur, sondern auch für den Gruselfaktor tödlich. Klar, Horror lässt sich auf ganz verschiedene Arten erzeugen. Aber intensiv wird er gerade dann, wenn wir die Angst der Hauptperson nachfühlen können und sie vor einem furchtbaren Schicksal bewahren wollen. Das setzt voraus, dass wir es mit authentischen Charakteren zu tun haben, für die wir Empathie empfinden.
Was hat das Genre da zu bieten? Darüber musste ich lange nachdenken.
Ego ohne -zentrisch
Zunächst fällt auf, dass sich Zocken in der Egoperspektive oft anfühlt, als würde ich in eine leere Hülle schlüpfen, oder in ein Kleidungsstück. In Resi 7 ist es eben ein gemütlicher Pulli, in Layers of Fear fühlt es sich eher nach Jackett an, rein metaphorisch gesprochen. Mehr kommt vom Charakter der Person nicht rüber. Noch ein Beispiel: Im kürzlich erschienen Maid of Sker war ich als Thomas auf der Suche nach der Freundin in einem unheimlichen Hotel. Aber wer dieser Thomas ist - außer dem "edlen Ritter", der die holde Maid of Sker retten will - wird mir nicht klar.
In der Egoperspektive muss der Charakter nicht automatisch verschwinden
Das beweist das kürzlich erschienene Amnesia: Rebirth. Als Tasi müssen wir eine unheimliche Reise durch Algerien bestreiten. Trotz Egoperspektive ist sie ständig präsent und kommentiert die Welt um sich herum auf sympathische Weise, mit überzeugendem Voiceacting und markantem französischem Akzent. Ich mag sie und möchte sie heil nach Hause bringen. Ganz ähnlich ging es mir schon mit Simon in SOMA, einem früheren Titel von Frictional Games. Er war ganz einfach ein authentischer netter Kerl.
Samara Summer
@Auch_im_Winter
Samaras Faszination für Horror-Games keimte bereits in den 90ern auf, als Monster aus faustgroßen Pixeln noch gruslig waren. Als sie einem Kumpel bei den frühen Resi- und Silent Hill-Teilen beistehen musste, war es endgültig um sie geschehen. Seither verfolgt die Zockerin die Entwicklung des Genres und begeistert sich für Blockbuster-Titel, hat aber auch ein Herz für innovative und ungewöhnliche Indie-Spiele.
Welche Persönlichkeiten kommen mir - unabhängig von der Perspektive - noch in den Sinn?
Schwierig. Es gibt viele, bei denen ich interessante Ansätze sehe, die mir aber doch nicht tief genug gehen: In Blair Witch fand ich anfangs die Backstory des Protagonisten Ellis spannend, mit zunehmender Länge blieb er mir jedoch zu blass. In Remothered 2, einem Prequel, war ich gespannt auf Rosemarys Vorgeschichte. Diese ist aber zu wirr erzählt, um ihr mehr Tiefe zu verleihen.
Letztendlich würde ich Alan Wake und Sebastian Castellanos nennen
Alan Wake, weil er als Schriftsteller einen Beruf hat, der einen Mehrwert für die Geschichte bietet und mir seine Selbstironie gefällt. Sebastian, weil er in The Evil Within hauptsächlich in seiner Rolle als Polizist auftritt, im zweiten Teil aber seine persönliche Story vertieft wird und er sich wesentlich verletzlicher zeigt.
Da ist aber noch Luft nach oben
Ich habe ein paar Sympathieträger*innen genannt und es gibt natürlich noch andere, aber ich würde mir in Zukunft noch etwas mehr Individualität wünschen. So sieht in meiner Vorstellung die Stellenanzeige für künftige Hauptrollen aus: Zur Bereicherung des Horror-Gamings suchen wir Protagonisten (w/m/d) aus aller Welt, aller Altersgruppen, mit oder ohne Behinderung, die das gewisse Etwas mitbringen.
Sie haben Eigenarten, Spleens, eine markante Art zu kommunizieren, gerne auch auffällige äußere Merkmale? Sie haben bisher ein unkonventionelles Leben geführt oder Berufserfahrung in ungewöhnlichen Jobs gesammelt? Dann bieten wir Ihnen eine spannende, höllisch spaßige Tätigkeit.
Welche Hauptpersonen im Horror-Gaming findet ihr am spannendsten oder am langweiligsten? Findet ihr auch, dass wir künftig noch charakterstärkere Figuren brauchen könnten?
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