Ein wenig verrückt ist es ja schon: Ich bin 27 und habe wohl nur etwa vier Jahre meines Lebens ohne Videospiele verbracht. Bunte Pixelblöcke, die je nach Spiel Katzen, Cowboys oder Tennisspieler darstellen sollten, gehörten ebenso zu meiner Kindheit wie regelmäßige Prügeleien mit den Nachbarskindern im Matsch. Die blauen Flecken und Siegerehrungen dieser Faustkämpfe sind allerdings schon lange vergessen, doch die Erinnerungen an die Videospiele dieser Zeit sind fest in mein Hirn gebrannt.
Obwohl ich nun schon so lange auf Controllern herumdrücke und mittlerweile auch beruflich täglich meinen Kopf in den virtuellen Welten versenke, so sind meine prägendsten Spielerfahrungen alle bereits ein wenig älter. Woran das liegt, kann ich vielleicht irgendwann mal in einem anderen Artikel spekulieren, aber heute will ich mich ganz auf den Ausflug in meine Vergangenheit konzentrieren und euch die drei für mich wichtigsten Videospiele vorstellen.
The Secret of Monkey Island
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Ich weiß nicht, wer meiner Kollegen diesen Artikel korrigieren wird, aber die Chancen stehen gut, dass ich bei dieser Person gerade für eine genervt-gerunzelte Stirnpartie gesorgt habe. Keine Bestenliste, kein Gespräch über Videospielkultur, kein Einkaufsberatung für Wandposter vergeht ohne meine Erwähnung von The Secret of Monkey Island - und das ist alles andere als Zufall.
Die Abenteuer von Guybrush Threepwood, der tollpatschig aber immer optimistisch und ein wenig treudoof durchs Leben spaziert, öffneten mir Anfang der 90er die Augen dafür, dass Videospiele echte Geschichten erzählen können. Zugegeben, aus heutiger Sicht ist das Threepwood-Epos alles andere als ein überraschendes, wendungsreiches Drama, aber jede Szene, in die wir stolpern, strotzt nur so vor Details, während sich an nahezu jedem Gespräch unglaublich liebenswürdige Charaktere beteiligen, die allesamt ein wenig schief gewickelt sind.
Ich erinnere nur an die beiden Zwillingsbrüder im Zirkus, den überdrehten Verkäufer Stanley und den von inkompetenten Helfern umgebene Piraten LeChuk, dessen Name ich jahrelang als Schimpfwort für meine Widersacher beim Matsch-Faustkampf benutzte.
Auch nach über 20 Jahren spiele ich immer noch mindestens einmal im Jahr The Secret of Monkey Island und erinnere mich mit diesem Spiel ganz nostalgisch-ungehemmt an früher, als die Sorgen noch klein und die Freizeit endlos war - und ich das erste Mal die Zeilen "Mein Name ist Guybrush Threepwood und ich will ein Pirat werden!" las.
Age of Empires 2
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Völlig ungeplant und absolut überraschend dreht sich meine Freizeit in den letzten Wochen mehr und mehr um den Strategiespiel-Klassiker schlechthin: Age of Empires 2. Wie ich zufällig herausfand, existiert hier eine sehr aktive und große eSport-Community, die fast 20 Jahre nach Release des Spiels eigene Turniere mit Preisgeldern ausrichtet und natürlich auch eine Fülle an Standardformaten wie Let's Plays und Livestreams bedient.
Doch all das gab es 1999 freilich noch nicht, als ich ohne Kenntnis des Vorgängers dieses Spiel in den Rechner schob und die Geschichte von El Cid, Dschinghis Khan und anderen historischen Helden nachspielte. Ohne es so wirklich zu merken, klapperte ich damit den Geschichtslehrplan der 1. bis 9. Klasse ab und stürzte mich, angestachelt von Age of Empires 2, nach jeder Runde in die ausführliche Bibliothek des Spiels oder meines Nachbarorts. Tangentielles Lernen nennt das die Wissenschaft, "absolut geniales learning by playing" nenne ich es.
Age of Empires 2 hat mir zu verstehen gegeben, welchen Wert, aber auch welche Verantwortung Videospiele haben, um uns über unsere eigene Geschichte aufzuklären. Diese hier entdeckte Begeisterung motivierte mich nicht nur zu einem Archäologie-Studium, sondern ermöglichte mir außerdem eine andere Perspektive auf unser Lieblingsmedium, die ich hier und da immer wieder in meine Texte einzustreuen versuche. Und mit Spielen wie Hellblade, For Honor und Horizon: Zero Dawn ist das Thema "Geschichte in Videospielen" auch 2017 alles andere als abgehakt. Yeah!
Jedi Knight 2: Jedi Outcast
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Dafür, dass ich ein wirklich großer Star Wars-Fan bin und noch immer mindestens einmal im Monat versuche, mit Hilfe der Macht den Kühlschrank zu öffnen oder das Katzenklo zu säubern, habe ich außerordentlich wenige Star Wars-Videospiele gespielt. Eines davon war Jedi Knight 2: Jedi Outcast - doch während ich in die Kampagne relativ weit links liegen ließ, erlebte ich im Multiplayer zum ersten Mal die Magie einer Online-Community.
Rückblickend fällt es mir schwer, in Worte zu fassen, was die zahllosen Mitspieler und ich Abend für Abend anstellten, aber ich glaube, "Rollenspielen" kommt dem Ganzen noch am nächsten: Ein großer Teil der Jedi Knight-Community traf sich regelmäßig auf den Servern, ignorierte die "Capture the Flag!"- oder "Team Deathmatch!"-Ansagen und unternahm stattdessen kleine Abenteuer ganz im Stile eines MMORPGs.
Wir trafen uns auf den Flaggenpunkten, um uns zu duellieren oder via Chat-Funktion miteinander zu sprechen. Es gab sogar feste Hierarchien: Einige Spieler waren Meister, die einen Schüler erwählten und ihm besonders komplizierte Sprungmaneuver zeigten. Teabagging wurde als Verrat gedeutet und mit einem Duell auf Leben und Tod bestraft. Nach dem Respawn war aber wieder alles vergessen.
Etwas ähnliches habe ich seitdem kein zweites Mal in einem Online-Spiel erlebt, doch die Erinnerungen an das warme Gefühl, mit vollkommen fremden Menschen virtuell Lichtschwertschwünge zu trainieren und sich danach immer brav zu verbeugen, sind mir bis heute erhalten geblieben.
Das sind sie also, meine drei Spiele, die mich rückblickend am meisten geprägt haben. Ich bin gespannt, ob die kommenden Jahre einen dieser Titel vom Treppchen verstoßen können und vertreibe mir die Zeit bis dahin mit meiner eSports-Karriere in Age of Empires 2. Wir sehen uns auf den Servern - und habt eine schöne Weihnachtszeit!
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