Alejandro González Iñárritu wird üblicherweise mit einer gewissen Schwere assoziiert. Sein letztes Werk beispielsweise, das mehrfach für den Oscar nominierte Drama Biutiful, erzählte rund zwei Stunden lang die tragische Geschichte eines todkranken Vaters, der seinen Kindern den Abschied so leicht wie irgend möglich gestalten will. Viel angenehmer wird es auch in seinen früheren Werken (Amores Perros, 21 Gramm oder Babel) nie.
Und dann sitzt man in Birdman oder (Die unverhoffe Macht der Ahnungslosigkeit), sieht Michael Keaton (wo war der eigentlich all die Jahre?) dabei zu, wie er sich in skurrilste Alltagssituationen hinein träumt und seine Phantasien mit Visionen von riesigen Robotervögeln, Kometen und fliegenden Helden ausstaffiert, so als hätten Ally McBeal und J.D. aus Scrubs einen Superhelden-Film zusammen gedreht. Und man muss schmunzeln, sogar lachen.
Es ist als habe Iñárritu plötzlich seine leichtfüßige Seite entdeckt. Beißende Kommentare auf gesellschaftliche Missstände, ob nun unterschwellig oder offensichtlich, das konnte er schon vorher. Aber unterhalten - oder anders gesagt - SO SEHR unterhalten hat das mexikanische Wunderkind noch nie. Während seine nicht minder genialen Landsleute Guillermo del Toro und Alfonso Cuaron in Filmen wie Pans Labyrinth oder Children of Men große Themen mit großen Bildern vermengten, blieb Iñárritus Schaffen immer ein wenig »artsy«.
Aus dem Leben eines Schauspiel-Losers
Birdman scheint nun beinahe zwanghaft den Beweis antreten zu wollen, dass Iñárritu auch großes Unterhaltungs-Kino kann. Nicht falsch verstehen: Auch dieser Film ist keine große Superhelden-Oper (wie man anhand von Postern oder Titel möglicherweise missinterpretieren könnte) sondern eine formal wie inhaltlich weiterhin höchst eigensinnige Abrechnung mit dem Showbusiness, das nun eben auch komödiantische Wege beschreitet und hier an da mit CGI-Effekten protzt.
Die besten Geschütze in Iñárritus Arsenal sind jedoch zwei andere. Zum einen wäre da die nahezu perfekte Amalgamisierung von Hauptfigur und Hauptdarsteller. Birdman verhandelt die Geschichte des Schauspielers Riggan Thompson, der den Zenit seiner Karriere vor vielen Jahren in der Rolle des mächtigen Superhelden Birdman feierte. Als er es wagt, aus dem Kreislauf von Fortsetzungen auszubrechen, gerät die Karriere jedoch ins Stocken.
Was folgt ist eine zwar überzeichnete, aber derart schmerzhaft ehrliche Abrechnung mit den allzu typischen Phasen, die man als Schauspieler durchlaufen kann, dass es in Hollywood so manchen (Ex-)Star unangenehm getroffen haben dürfte. Riggan stürzt ab, versucht sich als Charakterdarsteller, landet am Theater und backt fortan eher kleine Brötchen. Darunter leiden er, seine Beziehungen, die Tochter und vor allem: sein Ego.
Ich bin Birdman!
Iñárritu schafft es, daraus eine charmante, mit viel Augenzwinkern inszenierte und dennoch mit beißender Mediensatire versehene Allegorie zu formen, in der tatsächlich lebende Hollywood-Stars ordentlich ihr Fett wegkriegen und in der der namensgebende Birdman als Versinnbildlichung von Ängsten und Zweifeln dient, die auch die Zuschauer nur zu deutlich kennen dürften.
Als brillanter Schachzug erweist sich dabei das Casting von Michael Keaton. Jenem nahezu vergessen Star der frühen Neunziger, den die Rolle in Tim Burtons Batman einst beühmt gemacht hatte. Keaton spielt hier gekonnt mit seiner eigenen Historie und verkörpert damit alles, wofür auch Riggan Thompson steht. Keaton spielt dabei fern von falscher Eitelkeit mit so viel Inbrunst und Hingabe auf, als wolle er ein letztes Mal beweisen, dass er doch noch jemand ist - und schließt damit den Kreis zu seiner Rolle.
Der Rest des Ensembles weiß da kaum weniger zu begeistern. Edward Norton (der seinerseits ebenfalls in den letzten Jahren etwas aus dem Blockbuster-Fokus geraten ist) brilliert als egozentrischer Konkurrent von Riggan, der wie eine Blaupause für manchen US-Darsteller wirkt. Emma Stone und Zach Galifianakis trumpfen in für beide eher ungewöhnlichen Rollen auf, Frau Stone sogar in preisverdächtiger Liga.
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