Ego-Shooter statt Shooter-Rollenspiel?
Eine Sache allerdings müssen wir verraten, denn sie ist zentrales Spielelement: Nach rund zwei Stunden haben wir Elizabeth befreit – und dabei bemerkenswert viel geballert. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern hält sich Bioshock Infinite mit einem heimlichen Vorgehen gar nicht lange auf – schon früh im Spiel stürmt plötzlich ein halbes Dutzend Gegner auf uns zu, und wir halten notgedrungen mit der Maschinenpistole drauf.
Das ist übrigens kein Einzelfall; immer wieder lösen wir an bestimmten Punkten eine geskriptete Gegnerwelle aus und haben gar keine andere Wahl, als die Bande unter Dauerfeuer zu nehmen.
In den von uns angespielten Stunden fühlt sich das Ganze streckenweise frappierend wie ein Ego-Shooter an – Rollenspiel-Elemente bleiben zumindest latent auf der Strecke, zumal wir die sogenannten »Vigors« (sozusagen die Plasmide von Columbia) automatisch finden und schnöde mit Geld verbessern.
Genau das gleiche gilt übrigens auch für Waffen: Einmalige Upgrade-Stationen sind Geschichte, stattdessen kaufen wir größere Clips und zusätzlichen Schaden kurzerhand ein. Unterschiedliche Munitionstypen? Raus. Die Karte? Gestrichen; es gibt bloß noch einen optional eingeblendeten Pfeil zum aktuellen Missionsziel. Medikits? Werden jetzt direkt beim Aufheben benutzt und lassen sich nicht mehr bunkern.
»Darauf habe ich gewartet«, sagt Ken Levine mit einem breiten Grinsen, als wir ihn auf diese Punkte ansprechen. Er zückt ein Design-Dokument und liest vor: mehr Waffen als im ersten Bioshock, mehr Upgrades, dazu das »Gear« -- maximal vier Ausrüstungsgegenstände, die jeweils einen passiven Bonus (wie etwa einen höheren kritischen Schaden) gewähren.
»Ich kann verstehen, dass du dir Sorgen machst, weil die ersten Spielabschnitte ziemlich linear sind. Aber wenn sich die Welt erst mal öffnet, dann gibt’s nicht weniger Rollenspiel als im ersten Bioshock – es gibt viel mehr.«
Selbstmord – sonst war ja keiner da!
Ob das stimmt? Nach dreieinhalb Stunden können wir darüber beim besten Willen keine Auskunft geben – soweit durften wir schlicht nicht spielen. Was wir hingegen objektiv konstatieren können: Die ausprobierten »Vigors« machen ziemlich viel Laune.
Besonders angetan hat’s uns die »Possession«. In der Basisvariante programmieren wir damit einen mechanischen Gegner um; zum Beispiel einen Geschützturm, der anschließend auf seine Freunde ballert – und nicht mehr auf uns.
Okay, das kann jeder. Spannender wird’s, wenn wir die nächste Stufe von »Possession« kaufen und menschliche Gegner »umprogrammieren« dürfen. Dann ballern die sich nämlich gegenseitig um – oder begehen alternativ einen beeindruckenden Selbstmord, wenn gerade niemand in der Nähe ist, den sie umballern könnten.
So machte sich ein von uns besessener Soldat erst fleißig auf die Suche nach verfügbaren Opfern … und prügelte sich anschließend mit dem eigenen Knüppel zu Tode, weil sonst keiner da war.
Elizabeth hat einen Riss
Überhaupt legt Bioshock Infinite – ähnlich wie beispielsweise Dishonored – viel Augenmerk auf möglichst kreative Problemlösungen. Haben wir Elizabeth erst mal befreit, dann sucht sie nicht nur nach Klimpergeld, Munition oder wirft uns mal eben ein Scharfschützengewehr zu, wenn wir gerade wirklich eins brauchen könnten.
Nein, sie öffnet auf Befehl auch Risse im … äh … nun ja … eigentlich haben wir keine Ahnung, wie (oder wo) sie diese Risse jetzt genau aufmacht, Hauptsache sie lässt mal eben einen Geschützturm erscheinen oder ein Medikit oder eine der eingangs erwähnten Wolkenschienen, an die wir uns anschließend dranhängen dürfen, um Achterbahn zu fahren – oder einen bedauernswerten Gegner à la Assassin’s Creed 3 mit einem Sprungangriff zu erledigen.
Steuern tut sich das übrigens großartig. Ist ein verfügbarer Riss in der Nähe, dann flimmert er wie Asphalt an einem heißen Sommertag und wir können ihn per Tastendruck aktivieren. Und wer sich jetzt immer noch fragt, woher diese Dame plötzlich einen Riss hat, dem sei gesagt, dass wir das auch nicht wissen. Aber keine Sorge, bis zur Aufklärung ist es ja nicht mehr lange hin. Wie sagte Andy Möller doch gleich? März oder Madrid, Hauptsache Italien.
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