Clevere Erzählweise
Überaus lobenswert ist auch die Entscheidung, die Handlung des Spiels diesmal nicht linear zu erzählen. Stattdessen spielen wir in -jedem neuen Abschnitt eine bestimmte Schlüsselstelle aus Jodies Leben nach: die Ausbildung beim FBI, den Tag, an dem sie NathanDawkins kennenlernt, den ersten Einsatz im Job und so weiter. Durch die geschickt gewählte Abfolge dieser Erinnerungen entsteht beim Spieler nach und nach ein vollständiges Bild von Jodies Lebensweg und der mysteriösen Kreatur an ihrer Seite.
Das hält nicht nur unser Interesse aufrecht, sondern befreit vor allem Autor David Cage. Dessen frühere Spiele Fahrenheit und Heavy Rain erweckten beide den Eindruck, dass sich Cage gezwungen sah, in regelmäßigen Abständen große Actionsequenzen in die Handlung zu pressen, vermutlich um ungeduldige Naturen nicht zu langweilen. InBeyondgelingt ihm das erheblich eleganter, indem er einfach eher ruhige oder mysteriöse Szenen mit der nötigen Dosis riesiger Explosionen abwechseln kann.
Um dem Spieler beim Springen durch die Zeitebenen Orientierungshilfe zu geben, wird jeder neue Abschnitt im Ladebildschirm auf einer Zeitlinie eingeordnet. So weiß man am Ende genau, in welcher Abfolge die unterschiedlichen Erlebnisse stattgefunden haben.
Wo sind Logik und Emotionen?
Wo sich das Spiel jedoch schwer tut, ist bei der inneren Logik seiner Handlung. Vergegenwärtigen wir uns kurz die Ausgangslage: Jodie ist ein junges Mädchen, das mit einer unsichtbaren, oft schwer kontrollierbaren Kreatur verbunden ist, die ganze Mannschaftswagen der Polizei durch die Luftschleudern kann. Man sollte meinen, das arme Ding kann froh sein, wenn es nicht in einer frei hängenden Plexiglaszelle gehalten wird wie Magneto in X-Men 2.
Im Spiel wird dann auch deutlich gemacht, dass sie auf einer Militärbasis mit wenig Kontakt zur Außenwelt aufwachsen musste - nur um uns mit ansehen zu lassen, wie ihr väterlicher Betreuer Nathan Dawkins sie seelenruhig allein auf eine Geburtstagsfeier schickt. Während solche Logiklöcher noch verzeihlich sind, gelingt es Beyond nicht, den Umgang mit Aiden schlüssig in Spiel und Handlung zu integrieren. Die Kreatur greift im einen Moment einen FBI-Ausbilder an, der Jodie beim Training etwas zu hart anfasst. Kurze Zeit später kämpfen wir gegen eine ganze Gruppe von Angreifern und Aiden macht es sich anscheinend mit einer Tüte Popcorn gemütlich.
Gleich zu Beginn gibt das Spiel eindeutig zu verstehen, dass Jodie körperlich darunter leidet, wenn sich Aiden zu lange zuweit von ihr entfernt - aber wenn wir ihn selbst steuern, können wir die Kreatur beliebig lange am äußersten Ende ihrer Leine schweben lassen, ohne das irgendetwas passiert. Für sich genommen mag dass als recht kleinkarierte Kritik erscheinen, doch indem das Spiel seine interessante Prämisse so willkürlich behandelt, geht ihm die Glaubwürdigkeit flöten.
Kaninchen aus dem Hut
Für eine Mystery-Geschichte wie Beyond ist das kein völlig triviales Vergehen, da der Spieler einer Auflösung der vielen Fragen nur dann entgegenfiebert, wenn er darauf vertrauen kann, dass die Geschichte nicht am Ende einfach irgendwelche Kaninchen aus dem Hut zaubert. Wer am Anfang von Lost das Gefühl hatte, dass den Autoren sowieso nie einen vernünftige Erklärung für ihr mysteriöses Monster einfällt, hat vermutlich nicht gedacht: »Na ja, dann schaue ich es wegen der tollen Dialoge weiter.«
Und noch eine Sache ist in Beyond bislang nicht erkennbar: Die von Cage beschworenen Emotionen. Wie er selbst in einem Interview bemerkt hat, gehört mehr dazu, den Spieler zu rühren, als heulende Charaktere zu zeigen - egal wie lebensecht sie wirken. Ein Titel der uns mitreißen soll, muss bewegend sein, muss eine berührende Geschichte erzählen und sollte im Idealfall auch wirklich etwas zu sagen haben. Von alldem ist in Beyonds Preview-Fassung noch wenig zu spüren.
Die Actionszenen sind fesselnd, die Atmosphäre wechselt zwischen Anspannung und Furcht - bloß diese so schwer zu treffenden, anderen Noten auf der Klaviatur der Gefühle werden zu Anfang noch nicht angeschlagen. Umso gespannter sind wir natürlich, ob wir bei der Betrachtung des Gesamtkunstwerks Beyond im kommenden Monat eine Packung Taschentücher neben der Konsole stehen haben, oder ob unser Kaffee weiterhin das Einzige ist, was beim Spielen gerührt wird.
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