Lange Zeit wussten wir überhaupt nicht, was wir vom neuen Obsidian-Spiel (The Outer Worlds, Fallout New Vegas) erwarten können. Nach mehreren Previews war dann immerhin klar: Avowed ist ein RPG aus der Ego-Perspektive (na ja, meistens zumindest) mit Echtzeitkämpfen und Story-Fokus, das uns aber auch mit weitläufigen Gebieten zum Erkunden motivieren will.
Jetzt konnten wir endlich ausgiebig testen, wie gut das funktioniert. Für alle, die sich nach einer spannenden Story mit richtig gut geschriebenen Dialogen und erinnerungswürdigen Companions sehnen, haben wir eine gute Nachricht: Das sind die großen Stärken von Avowed.
Bei der Präsentation und den Spielmechaniken müssen wir dafür vor allem im Vergleich zu anderen aktuellen Rollenspielen einige Abstriche in Kauf nehmen.
Update am 18. Februar 2025: Wir haben den Test zum heutigen Releasetag für euch noch mal hochgezogen. Zudem haben wir uns das Spiel nach dem Day One Patch, der zum Early Access-Release erschienen ist, noch mal angeschaut. Der hat allerdings an den technischen Problemen, die wir im Test-Zeitraum erlebt haben, wenig verändert. Lediglich manche Cutscenes liefen etwas flüssiger. Queststopper und andere beschriebene Probleme hatten wir immer noch.
Die Story: von Pilzen und Politik
Obsidian führt uns einmal mehr in die bunte Fantasywelt von Eora, die einige von euch bereits aus Pillars of Eternity kennen dürften. Wir schlüpfen in die Rolle eines "Gottähnlichen", also einer Person, die bei der Geburt von einem Gott berührt wurde.
Welche Gottheit das war, wissen wir nicht, aber immerhin hat das mächtige Wesen ein paar mehr oder weniger stylische Pilze in unserem Gesicht hinterlassen – die wir im eher reduzierten Charaktereditor gleich mit anpassen können.
Muss ich Pillars of Eternity kennen, um Avowed zu verstehen? Nein, das ist nicht nötig. Avowed erzählt eine ganz frische sowie eigenständige Geschichte und das Universum wird samt Fraktionen gut erklärt. Trotzdem dürften Fans von Eora noch mehr Spaß mit der Welt und den vielen kleinen Anspielungen auf Altbekanntes haben.
Wir haben aber sowieso ganz andere Probleme als ferne Götter: Der Kaiser von Aedyr schickt uns als Gesandte*n in eine Region namens Land der Lebenden, um einer mysteriösen Seuche auf den Grund zu gehen. Die raubt Betroffenen nämlich den Verstand – im wahrsten Sinne des Wortes.
Noch bevor die Ursachenforschung so richtig in Fahrt kommt, stechen wir allerdings in ein politisches Wespennest und finden uns zwischen den Fronten wieder. Besonders spannend ist dabei, dass wir nicht zu den “Guten” gehören und aus Pflichtgefühl die Welt retten wollen. Stattdessen verfolgt unsere Regierung kolonialistische Interessen und die brutale Inquisitorin Lödwyn, die mit Aedyr im Bunde ist, prügelt ihre ganz eigene Agenda durch.
Spannende Geschichte, sparsam inszeniert
Die einzelnen Storyfäden erfinden das Rad ganz gewiss nicht neu, greifen aber stimmig ineinander. Uns hat vor allem die politische Komponente mit einigen kniffligen Entscheidungen bei der Stange gehalten.
Wie wir mit der unangenehmen Rolle im Auftrag Aedyrs umgehen, ist uns komplett selbst überlassen. Von der herzensguten Heldin über den regimetreuen Patrioten bis hin zum fiesen oder albernen Troll – die vielseitigen Dialogoptionen geben uns volle Rollenspielfreiheit.
Allerdings wurden bei unserem Ende zwei groß aufgebaute Story-Elemente derart unspektakulär abgefrühstückt, dass in der Beziehung auch ein bisschen Enttäuschung geblieben ist.
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Avowed: Neuer Trailer zeigt die hübsche Fantasy-Welt mit modernster Technologie
Allgemein solltet ihr nicht mit der ganz großen Inszenierung rechnen. Zwischensequenzen sind eher selten und teilweise auf Standbilder beschränkt, wie schon bei PoE. Auch die wenigen Videosequenzen bleiben unscheinbar. Eine vermeintlich große Explosion verpufft am Ende beispielsweise auf Sparflamme.
Dafür gibt es immerhin sehr viele, auf Englisch wunderbar vertonte Dialogszenen. Nur schade, dass unsere Hauptfigur selbst nicht spricht.
Technik von Avowed: In der von uns gespielten Vorabversion von Avowed sind wir auf der Xbox Series X auf ganz unterschiedliche technische Probleme gestoßen. Im hauptsächlich von uns getesteten Performance-Modus gab es immer wieder kleinere Ruckler, größere Einbrüche in Kämpfen traten aber glücklicherweise nur in Einzelfällen auf.
Dialogszenen litten dagegen häufig unter sehr niedrigen und hakeligen Framerates, manchmal auch nur, wenn bestimmte Personen im Fokus waren. Immer wieder bewegten sich auch NPCs in der Welt sehr abgehackt.
Texturen flimmerten in hellen Bereichen oft stark und hinzu kamen an einigen Stellen Beleuchtungsfehler.
Auch Queststopper, die sich auch mit dem Laden alter Spielstände nicht beheben ließen, haben wir in Nebenmissionen mehrfach erlebt. Im Laufe der Hauptmission wurde außerdem einmal eine wichtige Dialogszene komplett übersprungen.
Obisidan hat aber bereits einen großen Release-Patch angekündigt, den wir uns in den nächsten Tagen anschauen werden.
Facettenreiche Dialoge und Figuren
Die Gespräche sind in Avowed wirklich außergewöhnlich gut geschrieben und haben uns mit Charme und Witz immer wieder zum Lachen gebracht. Richtig gut gefällt uns, dass die Story sich an vielen Stellen nicht bierernst nimmt und ein feines Händchen für bissigen Sarkasmus beweist.
Aber Avowed ist eben nicht nur albern und zynisch, sondern trifft auch die ernsten Töne. Ein wunderbares Beispiel sind die persönlichen Missionen zweier unserer Begleiter. Der warmherzige Aumaua-Hüne Kai muss sich mit einem schweren Verlust auseinandersetzen, während der misstrauische Survival-Profi Marius ein verdrängtes Trauma mit sich herumschleppt.
Beide Geschichten bringen interessante Twists mit und werden mit viel Fingerspitzengefühl erzählt. Überhaupt sind uns Begleiter*innen in RPGs selten so schnell ans Herz gewachsen wie Kai und Marius. Die ehrgeizige Wissenschaftlerin Giatta und die liebestolle Ruinenforscherin Yatzli können da zwar nicht ganz mithalten, bringen aber ebenfalls interessante Temperamente und Sichtweisen mit.
Das Kampfsystem ist flexibel, die Gegner sind es nicht
In Kämpfen spielen Companions dagegen eine untergeordnete Rolle. Wir können immer zwei gleichzeitig aus dem Camp mitnehmen, aber lediglich ihre Spezialfähigkeiten wie fesselnde Pflanzenranken sind richtig nützlich. Die müssen wir aber über ein Fertigkeitenrad auswählen. Abgesehen davon haben wir keine Kontrolle über sie oder ihre Ausrüstung.
Controller oder Maus und Tastatur? Falls ihr auf PC zockt, empfehlen wir euch unbedingt Letzteres. Mit dem Pad haben wir nämlich immer nur zwei Schnelltasten für Fertigkeiten, die bei uns mit den eigenen Spezialfähigkeiten unseres Charakters belegt waren.
Daher mussten wir für die Companion-Fertigkeiten immer das Rad-Menü aufrufen, was uns häufig zu umständlich war. Auf der Tastatur gibt es dagegen viel mehr Schnellwahltasten. Zudem fühlt sich die Steuerung allgemein etwas präziser an.
Wir haben uns auf Xbox also lieber auf unsere eigene Stärke verlassen und dabei hat uns die Flexibilität des Kampfsystems besonders gut gefallen: Statt eine Klasse zu wählen, stehen uns theoretisch alle passiven Perks und Spezialangriffe aus drei Bäumen zur Verfügung: Kämpfer, Waldläufer und Zauberer. Sind wir außerdem der Stimme in unserem Kopf gegenüber aufgeschlossen, können wir weitere Vorteile in Anspruch nehmen.
Dadurch können wir frei mit Waffen experimentieren und auch fliegend im Kampf zwischen zwei Sets wechseln. Mit Fernkampfwaffen wie Bögen und Gewehren hatten wir dabei etwas mehr Spaß als mit Schwert, Schild, Axt und Co.. Im Nahkampf ging nämlich schnell mal die Übersicht flöten, gerade in großen Gegnergruppen.
Mit denen haben wir es in Avowed übrigens ständig zu tun: eine Ladung Xaurips (humanoide Echsenwesen), Geister, Bären, ein paar menschliche Feinde – und natürlich: Pilze! Egal, ob Hauptstory oder Erkundung: Meistens prügeln wir uns durch gemischte Gegnerhorden.
Etwas größere Bosse gibt es sehr selten und richtig imposante Monster bleiben komplett aus. Auch davon ab haben die Angreifer nicht sonderlich viele unterschiedliche Tricks auf Lager.
Dadurch nutzen sich Kämpfe über die Spieldauer stark ab, was wir nur verhindern können, wenn wir mit unterschiedlichen Waffentypen herumprobieren. Aber das funktioniert immerhin sehr gut.
Auf Upgradejagd zwischen Berg und Tal
Wer experimentierfreudig ist, hat auch bei der Erkundung der vier großen, offenen Gebiete mehr Spaß. Dabei kann nämlich die Jagd auf besonders gute Uniques motivierend sein. Sind wir aber auf einen ganz bestimmten Waffentyp aus, werden wir meist frustrierend lange Zeit nicht fündig.
Wollen wir Gegner richtig vermöbeln, zählt sowieso vor allem die passende Ausrüstungsstufe. Sind Feinde uns diesbezüglich überlegen, knabbern wir nämlich nur quälend langsam an ihrem Lebensbalken. Gegenwirken können wir nur ein klein wenig, indem wir Zutaten sammeln und uns Gerichte kochen, mit denen wir uns mehr Leben und Buffs anfuttern.
Mit dem System will uns Avowed offensichtlich dazu bringen, Nebenaufgaben nicht liegenzulassen. Folgen wir nämlich nur strikt der rund 20-stündigen Hauptstory, dann sind wir Feinden in der Ausrüstungsstufe chronisch unterlegen. Wer dagegen so ziemlich alles erkunden will, kann auf etwa 70-80 Stunden Spielzeit kommen und wird entsprechend sehr mächtig.
Wir haben letztendlich jedes neue Gebiet zu Beginn nach Craftingmaterialien für Verbesserungen abgeklappert und genug Nebenmissionen erledigt, um mithalten zu können. Danach hat sich die Erkundung für uns schnell nicht mehr allzu belohnend angefühlt:
Mal eine Kiste mit oft mäßig spannendem Inhalt, dann wieder ein Xauripmob, der mit uns den Boden aufwischt, bevor wir gestärkt zurückkehren, hier noch ein paar Schriftstücke. Das Übliche eben! Das flotte Parcouring-Movement macht dabei aber wesentlich mehr Spaß als das Herumgelatsche in vielen anderen offenen Spielwelten.
Barrierefreiheit & Sprachen
Avowed verfügt über einen eigenen Barrierefreiheitsreiter im Einstellungsmenü. Hier könnt ihr beispielsweise Folgendes einstellen und anpassen:
- Gesprächsuntertitel, Umgebungsuntertitel, Textgröße und Hintergrund
- Hervorhebung von Items und Interkationssymbole
- Kopfwippen
- Ducken und Sprinten umschalten oder halten
- Zielhilfe
Optionale Third Person-Perspektive: Avowed bietet diese Ansicht zwar an, die Kameraverfolgung des Charakters wirkt aber nicht ganz optimal und auch die Animationen sehen ziemlich hakelig aus. Wir empfehlen daher, die Perspektive nur als optionales Barrierefreiheits-Feature zu nutzen, falls ihr darauf angewiesen seid.
Sprachen: Englische Synchro und deutsche Untertitel
Nebenquests sind mal interessanter gestaltet, mal eher Standard: Nicht selten sollen wir nur Gegner töten oder einen Gegenstand suchen. Aus Story-Sicht rentieren sich viele von ihnen trotzdem, weil sie zusätzlichen Kontext zur Hauptstory oder den Fraktionen geben.
Außerdem bieten Dialogoptionen häufig unterschiedliche Herangehensweisen: Flüchtlingen helfen – oder sie lieber bei der Obrigkeit verpfeifen? Haben wir bestimmte Stats wie Stärke oder Wahrnehmung hoch gelevelt, gibt es manchmal zusätzliche Optionen.
Damit stehen die optionalen Missionen stellvertretend für das gesamte Spielerlebnis von Avowed: Die erzählerischen Stärken stechen klar heraus. Drumherum gibt’s viel Durchschnitt, der zeitweise spaßig ist, aber auf Dauer auch immer wieder Abwechslung vermissen lässt.
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