Atomic Heart angespielt: Wir sind so erleichtert, doch zwei große Zweifel bleiben

Ganze vier Stunden konnten wir den Ego-Shooter vom russischen Entwickler Mundfish anspielen und sind jetzt mehr denn je auf den Release im Februar gespannt.

Dennis konnte Atomic Heart auf einem Preview-Event in Paris ganz vier Stunden spielen. Dennis konnte Atomic Heart auf einem Preview-Event in Paris ganz vier Stunden spielen.

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Genre: Ego-Shooter Entwickler: Mundfish Publisher: Focus Entertainment Plattform: PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X/S, PC Release: 21. Februar 2023 Spielzeit 25 Stunden (für die Story)

Kaum ein Singleplayer-Spiel hat uns seit seiner Ankündigung vor gut fünf Jahren so viele Rätsel aufgegeben wie Atomic Heart vom russischen Entwickler Mundfish. Neben überaus beeindruckenden Trailern zum futuristischen Ego-Shooter waren wirklich handfeste Informationen und Anspieleindrücke nämlich rar gesät. Dadurch stand immer wieder die Frage im Raum, ob das optisch imposante, mit seiner Ästhetik an BioShock angelehnte Open World-Projekt in der Form auch wirklich existiert.

Während eines Anspielevents in Paris konnten wir Atomic Heart jetzt ganze vier Stunden spielen und verließen das Event danach mit großer Erleichterung, jedoch auch mit ungläubigem Blick. Allerdings nicht, weil das Gespielte kaum etwas mit den Trailern gemein hat. Vielmehr haben wir uns gefragt, wie ein bislang so unbekanntes Studio innerhalb von fünf Jahren ein solch hochwertiges AAA-Spiel entwickeln konnte, das uns unter anderem mit seiner einzigartigen Spielwelt fasziniert hat.

Das konnten wir spielen: Wir konnten auf PC den Beginn und die ersten recht linearen Missionen spielen, uns voll ausgerüstet frei in der Open World bewegen und einen Bosskampf erleben. Zudem wurde ein Speicherstand geladen, der uns in einen Rätselraum geführt hat.

Der interessanteste Spielstart seit BioShock

Habt ihr BioShock oder Half-Life erlebt, sind euch bestimmt auch heute noch die legendären ersten Minuten in Erinnerung. Der Blick auf die Unterwasserwelt Rapture, die hallende Stimme von Andrew Ryan oder die lange Zugfahrt nach Black Mesa samt der freundlichen Begrüßung von Wachmann Barney. Beide Spiele haben gemein, dass sie von der ersten Sekunde an Worldbuilding in Perfektion betreiben und wir sofort in die interessanten Spielwelt gesogen werden.

Es ist also ein riesiges Lob, wenn wir sagen, dass Atomic Heart mit seinem gemächlichen Spielbeginn, der mehr an einen Walking Simulator als ein Actionspiel erinnert, exakt in diese Kerbe schlägt.

WIr schlüpfen in die Rolle von KGB-Spezialagent Nechaev, der von KI Charles (linke Hand) begleitet wird. WIr schlüpfen in die Rolle von KGB-Spezialagent Nechaev, der von KI Charles (linke Hand) begleitet wird.

Doch worum geht's in Atomic Heart? Wir spielen den sowjetischen KBG-Spezialagenten Nechaev, der im Jahr 1955 zu Zeiten einer alternativen Sowjetunion lebt. Genauer gesagt einer Utopie, in der Roboter immer mehr die Aufgaben von Menschen übernehmen und dank eines "Kollektiv 2.0" genannten Implantats Wissen wie das Lernen einer Sprache verpflanzt wird. Euch kommt Isaac Asimovs "I, Robot" in den Sinn? An das später verfilmte Werk des russisch-amerikanischen Biochemikers mussten wir auch denken.

Zu Spielbeginn befinden wir uns in einer Wolkenstadt, auf der eine festliche Parade abgehalten wird – Columbia aus BioShock Infinite lässt grüßen. Roboter jonglieren an den Ufern eines künstlich angelegten Flusses, Hundertschaften von KI-Soldaten marschieren im Gleichschritt an uns vorbei, riesige Propaganda-Statuen erheben sich über unseren Köpfen. Was Mundfish hier in puncto Artdesign und Worldbuilding auffährt, ist erstklassig. Auch eine von Robotern korrumpierte sowjetische Forschungseinrichtung, die später samt Umland Schauplatz von Atomic Heart wird, strotzt nur vor so vor kleinen Details. Jeden Winkel wollten wir uns angucken, um auch wirklich alles an Atmosphäre aufzusaugen.

Ein optischer Leckerbissen

Das wollten wir aber auch, weil Atomic Heart tatsächlich rein optisch der Leckerbissen ist, den uns die bisherigen Trailer suggeriert haben. An dieser Stelle wollen wir allerdings anmerken, dass uns eine PC-Version mit deaktiviertem Raytracing zur Verfügung stand. Wie sich der Ego-Shooter auf PS5 oder Xbox Series X/S und erst recht auf der mittlerweile doch spürbar in die Jahre gekommenen Last-Gen schlägt, bleibt abzuwarten. Speziell was die technische Umsetzung für PS4 und Xbox One anbelangt, sind wir doch sehr, sehr gespannt und nach unserer Erfahrung mit Cyberpunk 2077 auch ein wenig vorbelastet.

Eine alternative Sowjetunion im Jahr 1955. Bei der Wolkenstadt werden Erinnerungen an BioShock Infinite wach. Eine alternative Sowjetunion im Jahr 1955. Bei der Wolkenstadt werden Erinnerungen an BioShock Infinite wach.

Eindruck vom technischen Zustand: Da wir gut vier Wochen vor Release bereits eine weit fortgeschrittene Version samt hervorragender deutscher Sprachausgabe spielen konnten, wollen wir hier auch wenige Worte zum technischen Zustand verlieren – auch wenn sich dieser wie erwähnt nur auf die PC-Version bezieht.

Generell ließ sich die von uns ausprobierte Version von Atomic Heart ohne große Probleme spielen. Inklusive einer gefühlt konstanten Framerate von 60fps gab es keine gravierenden Mängel. Jedoch bekamen wir den Eindruck nicht los, dass an manch Stelle bis zum baldigen Release noch ein wenig Arbeit auf Mundfish wartet. Gelegentliche Bild-Stotterer waren der größte Mangel, doch auch bei den Kämpfen gab es unter anderem beim Trefferfeedback noch deutlich Luft nach oben.

Eine Survival-Sandbox mit 90 Skills

Wo wir beim Trefferfeedback sind, kommen wir doch auch gleich zum First Person-Kampfsystem, das sowohl bei Nah- als auch Fernkampfangriffen einiges zu bieten hat.

Mit 13 unterschiedlichen Waffen – vom Dampfhammer bis hin zum futuristischen Raketenwerfer sowie diversen Telekinese-, Frost- und Elektrofähigkeiten, fährt Atomic Heart einiges auf. Klasse ist, dass wir ähnlich wie in BioShock unterschiedliche Angriffe auch kombinieren können. so beispielsweise ein leitfähiges Gel auf dem Boden platzieren, das unter Strom gesetzt zu einer tödlichen Falle für unsere mechanischen Gegner wird.

Hier könnt ihr euch den neuen Gameplay-Trailer anschauen. Video starten 1:03 Hier könnt ihr euch den neuen Gameplay-Trailer anschauen.

Apropos Gegner: Hier haben sich Mundfish passend zum fantastischen Artdesign des Spiels so einiges einfallen lassen. Von humanoiden Kung-Fu-Robotern, über kapselartige Heil-Drohnen bis hin zu gruselig aussehenden Sensenmännchen (siehe Bild oben) wird einiges geboten. Kämpfen konnten wir auch gegen den aus Trailern bekannten Kugelboss, der zu den brachialen Klängen von Doom Eternal-Komponist Mick Gordon wild durch eine Kampfarena flitzt und selbst bei uns Souls-Recken einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat.

Was die Charakterentwicklung anbelangt, konnten wir uns in fünf Skilltrees mit insgesamt 90 passiven und aktiven Fähigkeiten austoben, beispielsweise einen Skill freischalten, mit dem Nechaev tödliche Treffer durch eine Laserbarriere mit einem Lebenspunkt überlebt, unseren Elektroschaden erhöhen und vieles mehr. Auch Waffen lassen sich durch das Sammeln von Crafting-Materialien mit verschieden Griffen, Läufen etc. verstärken. Dadurch kommt eine angenehme Prise Rollenspiel in Atomic Heart, die Potential für allerlei Experimente und damit verbundene Builds liefert.

Das ist Entwickler Mundfish: Der russische Entwickler wurde 2017 gegründet und hat seinen Hauptsitz in Zypern. Abseits des VR-Spiels Soviet Lunapark fokussiert sich das anfänglich aus nur vier Personen bestehende Team rein auf die Entwicklung von Atomic Heart.

Wie aus einem russisch sprachigen Report hervorgeht (via Resetera), soll die Entwicklung von Atomic Heart nicht nur durch Crunch und eine hohe Fluktuationsrate bei den Angestellten durchzogen sein, auch wurden versprochene Boni scheinbar nicht ausbezahlt.

Nachdem ein Statement auf Nachfrage von GamePro zuvor ausblieb, hat sich Mundfish am 16. Januar zum Thema "Angriffskrieg in der Ukraine" geäußert. Die entsprechende Aussage findet ihr unter dem Link

Zum Thema Crafting: Da sich beim Feature bekanntlich die Geister scheiden, hier eine kurze Einordnung. In Atomic Heart könnt ihr mit einem fixen Tastendruck allerlei Materialien aus beispielsweise in der Nähe befindlichen Schubladen oder toten Gegnern looten. Nechaev lässt die Items per Telekinese zu sich schweben, was angenehm fix geht. An roten Automaten wir dann nicht nur unser Fähigkeitenmenü zum Erwerb neuer Skills aufgerufen, hier lassen sich auch recht übersichtlich und schnell getragene Waffen verstärken. Grob hat uns das Crafting-System an The Last of Us erinnert, die Sammelflut eines Fallout 4 wird aber bei weitem nicht erreicht.

Bevor wir zur Open World kommen, müssen wir am Kampfsystem auch neben dem eher mäßigen Trefferfeedback noch etwas anderes bemängeln. Stealth bspw. wurde trotz Röntgensicht obsolet, da uns Gegner selbst aus der Deckung heraus entdeckt haben. Und generell wirkten die Kämpfe mit dem Controller noch ein wenig hölzern – also noch eine Gemeinsamkeit, die Atomic Heart mit BioShock verbindet.

Mit der Rostlaube durch die Open World

Neben Story-getriebenen, mehr linearen Abschnitten, bietet Atomic Heart zudem eine waschechte Open World, die wir zu Fuß, mit herumstehenden 50er-Jahre Karren oder einer Monorail durchqueren können. Eine Schnellreise gibt es dagegen übrigens nicht.

Mit 50er-Jahre Autos flitzen wir durch die offene Spielwelt. Mit 50er-Jahre Autos flitzen wir durch die offene Spielwelt.

Im weitläufigen Gebiet rund um die besagte sowjetische Forschungsanlage, die Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist, finden wir in erster Linie Dungeons, die Blueprints für neue Waffen beinhalten. Zwar sind diese Gebiete in der Theorie optional, wenn wir aber bedenken, dass uns das Actionspiel selbst auf dem niedrigsten von drei Schwierigkeitsgraden ordentlich (!) gefordert hat, kommen wir um Nebenaufgaben vermutlich nicht drumherum.

Atomic Heart könnt ihr durchaus als sehr forderndes Survival-Spiel betrachten, in dem die Hauptfigur speziell zu Spielbeginn nicht allzu viele Treffer bis zum Ableben einstecken kann. Zumindest so unser Eindruck aus der Preview. Wie sich die Schwierigkeit unter normalen Testbedingungen verhält, in der wir auch mehr Zeit für die Erkundung haben, wird sich zeigen.

Die Open World sieht wie das ganze Spiel toll aus und weckt unseren Entdeckerdrang. Dennoch könnte sie zum Knackpunkt des Spiels werden. Die Open World sieht wie das ganze Spiel toll aus und weckt unseren Entdeckerdrang. Dennoch könnte sie zum Knackpunkt des Spiels werden.

Der größte Knackpunkt: Zwar sieht die offene Spielwelt toll aus, jedoch könnte sie neben der Technik auf Konsolen im finalen Test der große Knackpunkt werden. Leider konnten wir selbst noch keinen der Dungeons betreten, uns nur in der Open World bewegen, jedoch wird es stark darauf ankommen, wie spaßig die optionalen Gebiete sind oder ob wir hier nach Ghostwire Tokyo mal wieder eine Open World erleben, die unnötiger kaum sein könnte.

Bedenkt man, dass wir laut Entwickler rein für das Durchspielen der Geschichte stolze 25 Stunden benötigen, könnten aufgepfropfte Inhalte das Spiel unnötig in die Länge ziehen und massiv am Spielspaß rütteln.

Flapsiger Humor und Rätselei

Kommen wir zum Abschluss der Preview noch zu zwei Punkten, die uns richtig gut gefallen haben: Spielerische Abwechslung in Form eines großen Rätselraums, in dem wir die Wände der Spielwelt verschieben mussten und unser KI Begleiter Charles.

Nechaev ist permanent mit KI Charles verbunden, der ihn über die Spielwelt aufklärt und seine Geschichte kommentiert. Die Gespräch der beiden sind dabei von eher flapsiger Natur und mit dem ein oder anderen Schimpfwort versehen, haben die Fremdscham-Grenze jedoch für unseren Geschmack nie überschritten. Auch wurden wir zumindest zu Spielbeginn und in der Open World nicht permanent zugetextet. Lediglich in einer späteren Passage, hat uns Charles das eigenständige Denken doch etwas zu stark abgenommen.

Doch ihr merkt es schon: Auch wenn Atomic Heart nicht in allen Punkten glänzt und hier und da noch ein wenig Feinschliff von Nöten ist, die Open World zudem noch eine mehr oder weniger Unbekannte ist. Was Mundfish hier geschaffen hat, ist nach unseren Eindrücken aus der Preview wahrlich imposant. Natürlich kann es wie zuletzt beim bestenfalls mittelprächtigen Gotham Knights gut sein, dass wir hier nur die Sahnestücke spielen konnten und der Rest des Spiels wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzt. Doch bleibt das Niveau konstant, könnte Atomic Heart eines der wirklich großen Highlights des Jahres werden.

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