In Ubisofts Nordsaga Assassin's Creed: Valhalla geht es nicht nur ums Erobern, Blutvergießen und Mythologie. Auch bodenständige Belange, wie der Gründung eines Ortes zum Leben bewegen Eivors Alltag. Kaum in Englaland angekommen, gilt es die Existenz des Rabenclans zu sichern und mit dem Siedlungsbau zu beginnen. Wichtig sind dabei nicht nur lebensnotwendige Einrichtungen, wie Getreidefarm, Handelsposten, Bäckerei und Brauerei, sondern auch ein Museum, eine Schiffswerkstatt, ein Tattooshop und viele weitere Gebäude.
Doch so schön und heimelig das alles klingen mag, ein richtiges Zuhause bietet die Siedlung damit trotzdem nicht. Die Gründe erkläre ich hier – und was Valhalla sich bei Spielen wie Dragon Age hätte abgucken können.
Spoiler: Diese Kolumne enthält Spoiler zu Mitgliedern des Rabenclans.
Rollen limitieren Persönlichkeit
Erste Immersionskonflikte: Die Bewohner:innen haben allesamt bestimmte Funktionen im Dorf, was ja auch in Ordnung ist, schließlich basierten frühmittelalterliche Zivilisationen oft auch auf Zweckgemeinschaften. Diese Rollen binden die NPCs aber an einzelne Gebäude, was diese Charaktere auf ihre Aufgabe in der Siedlung reduziert, und nicht auf sie als Personen festlegt.
So finden wir Jägerin Petra ausschließlich in der Jagdhütte, Bäcker Thorbjörn ist immer in der Bäckerei, Seherin Valka in der entsprechenden Hütte usw. Die wenigen Quests, die wir mit oder für diese Klanmitglieder erledigen, sind häufig zu kurz, nur einmalig und nicht aussagekräftig genug, um unsere Spielfigur - um uns - an sie zu binden.
Vielleicht spielt dabei eine Rolle, dass Eivors Hintergrundgeschichte direkt im ersten Kapitel der Reise abgehakt wird, wohingegen mich Hawkes Vergangenheit in Dragon Age II durch das gesamte Spiel geleitet hat. Im Fokus stehen in DA2 nicht nur Hawkes familiäre Bande, sondern auch Freudschaften, Liebe und eine Extraportion Schmerz. Ohne diese wichtigen Beziehungen wäre Hawkes Geschichte eine vollkommen andere, oberflächlichere und weniger involvierende. Genau das fehlt mir in Valhalla.
Ja, wir erfahren ein paar Dinge zu unserem Dorfbäcker und können optional sogar mit ihm anbändeln aber das reicht nicht aus, damit der Mann einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlässt.
Ziemlich lustig dabei ist, dass wir unsere Clanmitglieder jederzeit fragen können: "Was machst du hier noch gleich?", als sei es normal, dass sich Eivor unter Umständen nicht an sie erinnert.
Angesichts der geringen Anzahl an ansprechbaren Mitmenschen in Hræfnathorp, ist das sehr unglaubwürdig. Außerdem wirkt es unfreiwillig komisch, wenn Wallace Eivor beim Verlassen der Jagdhütte "Grüß Petra, wenn du sie siehst" hinterherruft, während diese in unmittelbarer Nähe steht.
Die unterschiedlichen Gebäude wirken ein wenig wie Onlineshops, bei denen ein bewegtes Bild des Inhabers oder der Inhaberin neben dem Laden abgebildet ist. Wir gehen dorthin, nehmen den Dienst des dort hausenden Menschen in Anspruch und gehen wieder. Teilweise beschränken sich diese Kontakte auf die Abgabe von Sammelzeug, wie Fische oder Jagdgüter mit wenig echter Interaktion oder gar einer richtigen Unterhaltung.
Das geht mir alles zu schnell: Bestimmte Emotionen werden uns aber auch viel zu früh im Storyverlauf aufgezwungen, sodass traurig angedachte Szenen eher verwirrend als emotional involvierend stattfinden. So berichtet uns eine sympathische Wikingerin beispielsweise niedergeschlagen von Sveins Tod und wir stehen da und fragen uns: "Wer ist das?". Und zwar sowohl in Bezug auf den besagten Svein, als auch in Bezug auf die Frau, mit der wir gerade reden.
Das Herz, das nicht schlägt
In einer der Ladesequenzen von ACV steht, Hræfnathorp sei "das Herzstück des Abenteuers". Mag sein, dass das irgendwie auch zutrifft, aber dieses Herz schlägt nicht.
Man merkt, dass die Entwickler:innen gerne mehr aus der Siedlung herausgeholt hätten, denn die Ansätze sind vorhanden und durchaus gut: Wir können unser Dorf optisch verändern und ausbauen, dürfen Beziehungen mit einzelnen Menschen aus dem Rabenclan eingehen und erleben teils lustige und ergreifende Szenen im Dorf, dennoch bleibt Hræfnathorp für mich eine ziemlich leblose Kulisse.
Nele Wobker
@ElenRekbow
Die Atmosphäre der Haupthubs ist für Nele ein wichtiger Faktor in Videospielen, insbesondere dann, wenn das Setting eine große Open-World bietet. Noch heute weckt die Stadt Balmora aus TES III: Morrowind ein nahezu einzigartiges Gefühl der tristen Geborgenheit in ihr. Nicht weniger entscheidend, wenn nicht sogar noch wichtiger, sind ihr die Beziehungen zu NPCs. Als großer Wikinger:innen-Fan hätte sich Nele mehr von Hræfnathorp & dem Rabenclan erhofft, zumal das Potenzial definitiv vorhanden ist. Ein Beispiel, wie Beziehungen in Games aussehen können, hätte man sich an BioWares Dragon Age nehmen können. Trotzdem zählt die Welt von ACV für Nele mit zu einer der schönsten überhaupt und sie verbringt dort noch immer gerne ihre Zeit.
Im Grunde ebenfalls sehr schön ist, dass wir durch Missionsentscheidungen oder im generellen Storyverlauf unseren Rabenclan durch neue Mitglieder erweitern können. Da wären beispielsweise Vili, Birna, Finn, Hunwald & Svanhild sowie Hrolf. Sobald diese Einzug ins Dorf gewonnen haben, darf Eivor aber nur noch ein-zwei Sätze mit ihnen wechseln und das ohne Gesprächsoptionen, unabhängig von der gemeinsamen Geschichte.
Mein Eivor guckte schon ziemlich dumm aus der Wäsche, als Vili, mit dem er zuvor noch Sex auf einer Felsklippe hatte und der zudem ein alter Freund aus Kindertagen ist, nur noch ein einziges Mal in Hræfnathorp ansprechbar war. In dieser knappen Konversation wurde außerdem kein Wort über die Ereignisse zwischen den beiden verloren.
Dragon Age hat vorgemacht, wie es hätte sein können: Gehen wir in DA2 oder Inquisition eine Romanze ein, wird darauf Bezug genommen. Wir können sogar Quests freischalten, die wir nur erleben, wenn eine Beziehung zu dem jeweiligen Charakter aufgebaut wurde.
Apropos Kindertage: Eivor hat mehrere solche Bekanntschaften. Während der Snotingahamscir-Questreihe fiel mir zum ersten Mal bewusst eine junge Wikingerin auf, die Eivor ebenfalls schon im Sandkastenalter gekannt haben soll: Sunniva. Diese hat nicht einmal einen Kodexeintrag bekommen, was bei vielen Rabenclanmitgliedern versäumt wurde. Bis zum finalen Teil des Spiels konnte ich diese angebliche Vertraute Eivors einfach nicht fühlen, was schade ist.
Insbesondere bei optionalen Clanmitgliedern hätte ich mir mehr Handlungsspielraum gewünscht, da ich manche Questentscheidungen bewusst mit dem Hintergedanken getroffen habe, dass der jeweilige Charakter sich dann dem Rabenclan anschließt. Ich wollte damit auch bewirken, dass sie Siedlung lebhafter wird und ich mich fühle, als würde ich heimkommen, wenn Eivor nach Hræfnathorp zurückkehrt.
Um Eivors Liebelei mit Vili im Dorf fortsetzen zu können, ernannte ich Tryggvi zum Jarl und nicht Vili. Dessen kalte Schulter traf mich deshalb mit am härtesten. Um Hunwald und seine Partnerin Svanhild nach Hræfnathorp zu bekommen, traf ich ebenfalls eine entsprechende Wahl.
Die Siedlung könnte mehr Rollenspiel vertragen
Hätte Ubisoft den ohnehin schon starken RPG-Anteil des Spiels konsequent weiter ausgebaut hätte Valhallas Ravensthorpe sicher davon profitiert. Eivor als mein Lieblingshauptcharakter in AC, ist für mich extrem charismatisch und liebenswürdig. Auch darauf hätte man bei der Gestaltung des Klans aufbauen können.
Eivors Bindungen brauchen mehr Gewicht: Wie Beziehungen in den Fokus des Spielgeschehens gerückt werden können, hat Dragon Age II hervorragend demonstriert. Dort stehen die Bindungen zu anderen klar im Vordergrund.
Doch wie in vielen anderen Punkten, wollte Valhalla hier zu viel auf einmal, sodass unmöglich ausreichend Fokus auf einzelne Aspekte wie den Haupthub, das gewünschte "Herzensstück des Abenteuers", gelegt werden konnte. Dennoch ist Hræfnathorp ein wahrer Augenschmaus. Nur werde ich von diesem aber nicht satt. Einen Ort, den ich mein Zuhause nenne, möchte ich auch fühlen können und nicht nur als Außenstehende betrachten.
Welche sind eure Lieblingsdörfer in Videospielen?
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