So sehr ich Assassin's Creed Origins, Odyssey (und teils auch das deutlich schwächere Valhalla) für ihre Action-RPG-Mechaniken schätze – eine Sache geht mir gewaltig gegen den Strich: Die große Leere ihrer weitläufigen Open World-Landschaften. Zwischen florierenden und quest-reichen Städten wie Alexandria, Athen und Lunden regiert das große Nichts, das mich auf dem Weg zum nächsten story-relevanten Ziel mit angriffslustigen Nilpferden, Bären und Wölfen beschäftigen will.
Es langweilt mich zutiefst. Dieses Herumgerenne und Herumgereite durch öde Landstriche, in denen sich fünf Minuten Reisezeit wie eine Ewigkeit anfühlen. Eine gefühlte Ewigkeit, in der ich nichts Nennenswertes zu tun bekomme. In der ich weder den Eindruck habe, spielerisch gefordert zu werden, noch überhaupt ein richtiges Assassin's Creed zu spielen.
Linda Sprenger
@lindalomaniac
Als langjähriger Serienfan feiert Linda Origins, Odyssey und (bis zu einem gewissen grade auch Valhalla) gerade für ihre motivierenden RPG-Elemente und hält das immer noch für eine sinnvolle Ergänzung, die Assassin's Creed besser macht. Gleichzeitig findet sie es aber schade, dass Ubisoft Parkour in den letzten drei Teilen so sehr in den Hintergrund rückt, dabei könnte man doch gut beides miteinander verbinden: Ein Action-RPG mit coolem Parkour-System!
Von den Dächern auf den Pferdesattel
Was Assassin's Creed für mich ausmacht? Abseits des abwechslungsreichen Mixes aus wuchtigen Kämpfen und effizientem Stealth machte mir Parkour in früheren Ablegern stets am meisten Spaß. Wenn ich nach einem erfolgreichen Attentat elegant über Häuserdächer husche und halsbrecherisch Kirchtürme erklimme, um meine Feinde in einer Staubwolke zurückzulassen... das! Genau das waren für mich schon immer die stärksten Momente von Assassin's Creed.
Genau diese Magie haben Origins, Odyssey und Valhalla größtenteils verloren. Und schuld ist der Aufbau ihrer Open Worlds. Anders als in den meisten Action-Adventure-Ablegern (Black Flag mit seinen Inseln und großen Wasserflächen mal ausgenommen) stehen in allen drei Action-RPGs nicht mehr einzelne große Städte im Vordergrund. Stattdessen erkunde ich hier frei nach dem Motto "größer = besser" riesige Welten. In denen finde ich war einzelne Dörfer und Städte, dazwischen herrscht aber Leerlauf.
Die Open Worlds von Origins, Odyssey und Valhalla "erschummeln" sich einen Großteil ihrer Landmasse durch weitläufige, aber eben auch leere und belanglose Gebiete. So belanglos, dass ich anders als in allen Assassin's Creed-Ablegern zuvor in den drei Action-RPGs darauf verzichtete, ihre Spielwelten bis in den letzten Winkel zu erkunden.
Ich hatte einfach keine Lust auf lange Reisewege, auf denen nichts spannendes passiert. Ich hatte keine Geduld, die immergleichen Wüsten, Steppen und Wälder auf dem Gaul oder zu Fuß zu bereisen und zwischendrin ein Rudel Wölfe zu erschlagen. In Assassin's Creed brauche ich Adrenalinschübe, will lieber Höhenluft schnuppern als Landstriche abgrasen. Doch einen wirklichen Kick geben mir die letzten drei Serienteile nicht.
Die Open World-Problematik der neuen AC-Ableger führe ich übrigens in einer anderen Kolumne genauer aus:
Ohne Parkour, ohne mich
Klar besuche ich auch in Origins, Odyssey und Valhalla größere Städte. Klettern kann ich hier zwar ebenfalls, jedoch meine Parkour-Freude nicht voll und ganz ausleben. Bis auf vereinzelte Bauten wie den Leuchtturm von Alexandria, die prunkvolle Statue der Athena und die zerklüftete Stadtmauer von Lunden, sind die restlichen Gebäude in allen drei Städten größtenteils eher flach gebaut, optisch unscheinbar und liegen teilweise zu weit auseinander.
Das ist natürlich der jeweiligen Zeitepoche geschuldet, in der Origins, Odyssey und Valhalla angesiedelt sind: In den Städten und Siedlungen des alten Ägyptens, antiken Griechenlands und Englands der Wikingerzeit herrscht eben eine geringere Wahrzeichendichte als in Paris zur Zeit der Französischen Revolution und das hat letztendlich auch spürbare spielerische Auswirkungen.
Auf dem Open World-Spielplatz von AC: Unity springe ich so geschmeidig und leichtfüßig von Hausdach zu Hausdach, als hätte ich mir vorher eine Choreographie überlegt. Im Flow kraxele ich auf verzierte Bauten voller Vorsprünge und Türme wie die Bastille und Notre Dame, nur um mich von oben in einen Heuhaufen fallen zu lassen und beim nächsten Gebäude zu einem neuen Run anzusetzen.
Origins, Odyssey und Valhalla bieten im direkten Vergleich weniger Spielraum für die spektakulären Freerunning-Einlagen, dank denen ich die Assassin's Creed-Reihe so lieben gelernt habe. Stylische Parkour-Lines ohne Unterbrechung sind hier kaum möglich, und das finde ich schade.
Der Spaß, den ich in Assassin's Creed einst bei der Fortbewegung durch die Open World hatte, ist in den Action RPGs beinahe komplett verloren gegangen. Zwei Paar Pferdehufen ersetzen für mich eben noch lange keine flinken Assassinen-Beine, die akrobatisch Wände, Abgründe und Dächer überwinden.
Ubisoft bleibt bei großen Welten
Für den nächsten Assassin's Creed-Ableger würde ich mir deshalb am liebsten wieder eine Open World zurückwünschen, die sich auf eine einzelne Stadt konzentriert. Ganz genauso wie Unity oder Syndicate. Doch dass mein Wunsch wahr wird, ist eher unwahrscheinlich.
In Sachen Open World-Aufbau hat Ubisoft für die Zukunft nämlich bereits klare Vorstellungen: Chef Yves Guillemot erklärte letztes Jahr in einem Interview, dass Assassin's Creed wohl nie wieder so werden wird wie es früher war: Das Studio strebt noch größere Spielwelten an, in denen wie schon in Origins, Odyssey und Valhalla mehrere Städte angesteuert werden können.
Ganz gebe ich meine Hoffnung aber nicht auf: Wie Parkour in zukünftigen Ablegern umgesetzt wird, hängt natürlich auch immer vom Setting ab. Stellt euch mal vor, das nächste Assassin's Creed würde zur Zeit des Kalten Krieges spielen und uns zwischen Russland, Deutschland und den USA umherspringen lassen, wo wir dann Städte wie Moskau, Berlin und Washington besuchen.
Wünschenswert wäre es dann natürlich, wenn Ubisoft beim Aufbau der Städte einen ähnlichen Detailgrad und eine ähnliche Dichte wie in London aus Syndicate und Paris aus Unity erreichen würde, sodass spaßige Freerunning-Einlagen wieder möglich sind. Ob das so umgesetzt werden kann, ist natürlich fraglich.
Lang lebe Parkour!
Aber ganz egal ob nun große oder kleine Open World: Letztendlich ist es mir nur wichtig, dass Ubisoft in kommenden Serienablegern Parkour nicht aus den Augen verliert oder eher: wieder aufleben lässt. Nach Origins, Odyssey und Valhalla ist es an der Zeit, den Pferdesattel wieder gegen die flinken Assassinen-Beine auszutauschen.
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