BioWare wollte mit Anthem den "Bob Dylan der Videospiele" erschaffen: Ein Spiel, das noch in vielen Jahren als Referenz und für Zitate herhalten könnte. Als Anthem dann im Februar das Licht der Welt erblickte, war es sehr viel weniger als das: Kritiker und Spieler zeigten sich größtenteils enttäuscht.
Was bei Anthem schief gelaufen ist, ergründet Kotakus Jason Schreier in seinem neuen ausführlichen Bericht. Unter anderem scheint vor allem die Frostbite-Engine für riesige Probleme gesorgt zu haben.
Frostbite-Engine macht Entwicklern das Leben schwer
Was ist die Frostbite-Engine? Eine Engine ist das Grafik-Grundgerüst und gleichzeitig quasi der Werkzeugkasten, mit dem Videospiele erstellt werden. Die Frostbite-Engine stammt vom EA-Entwickler DICE, der sie für die First Person Shooter-Reihe Battlefield ins Leben gerufen hat.
Warum Frostbite? Alle Electronic Arts-Entwicklerstudios arbeiten mit der Frostbite-Engine. Vor allem, weil das Kosten spart, indem keine Lizenzgebühren bezahlt werden müssen. Zusätzlich sollten die Entwickler eigentlich von den Erfahrungen der anderen Teams mit der Engine lernen.
Was ist das Problem? Die Frostbite-Engine ist auf First Person-Shooter ausgelegt und die Arbeit damit offenbar sehr kompliziert. Das hießt, dass viele Dinge angepasst werden müssen, schlicht nicht mit diesem Grundgerüst machbar sind oder nur auf langwierigen Umwegen erreicht werden können.
Einer der Anthem-Entwickler, der anonym bleiben will, hat die Probleme mit der Engine gegenüber Jason Schreier folgendermaßen zusammengefasst:
"Frostbite ist wie eine In-House-Engine – mit allen Problemen, die das mit sich bringt: Es ist schlecht dokumentiert, zusammengehackt und so weiter – mit allen Problemen einer externen Engine: Niemand, mit dem du tatsächlich zusammen arbeitest, hat sie entworfen, also weißt du nicht wieso diese Sache so funktioniert, wie sie es tut und wieso das so genannt wird."
Ein anderer Anthem-Entwickler bringt die Problematik sehr eindücklich auf den Punkt:
"Es ist schon schwierig genug, ein Spiel zu machen. Es ist wirklich richtig schwierig, ein Spiel zu machen, wenn du die ganze Zeit mit deinem eigenen Werkzeug-Set kämpfen musst."
Das obendrein eigentlich auch auf etwas ganz anderes ausgelegt ist, weshalb viele Ideen letztendlich nie ins fertige Spiel implementiert wurden.
"Wir versuchen, diese riesige prozedurale Welt zu erschaffen, aber kämpfen konstant mit Frostbite, weil das nicht das ist, wofür sie designt wurde."
Anthem-Fans sind enttäuscht:
Update 1.04 sorgt für neue Loot-Probleme & Bugs
Anthem-Team musste quasi bei Null anfangen
Wie bei Dragon Age: Inquisition & Mass Effect: Andromeda. Sowohl die Entwicklung von Dragon Age: Inquisition als auch die von Mass Effect: Andromeda soll ebenfalls mit massiven Frostbite-Problemen zu kämpfen gehabt haben. Vor allem wohl deshalb, weil jedes Mal ganz von vorn angefangen werden musste.
Von Grund auf neu: Statt auf der Arbeit der anderen Teams aufzubauen und Technologien oder Tools aus der Entwicklung von DA:I und ME:A zu übernehmen, haben die Anthem-Entwickler offenbar wieder ganz von vorn angefangen.
Weil Anthem online ist. Die zugrunde liegende Logik war, dass vieles aus den beiden anderen Bioware-Spielen mit der Frostbite-Engine in Anthem nicht funktionieren könnte, weil es ein Online-Titel ist. Möglicherweise wäre es andersherum aber deutlich schneller, besser und einfacher gegangen, glaubt ein Entwickler:
"Gegen Ende des Projektes haben wir angefangen, uns zu beschweren. Vielleicht wären wir weitergekommen, wenn wir den Dragon Age: Inquisition-Kram gehabt hätten."
Ein anderer Bioware-Mitarbeiter, der an Anthem beteiligt war, drückt die Schwierigkeiten folgendermaßen aus:
"Teil des Problems war, dass du in der Engine genug tun konntest, um sie so zu hacken, dass sie zeigt, was möglich ist, aber es dann tatsächlich auch so hinzubekommen, dauerte sehr viel länger und in manchen Fällen sind wir einfach an Grenzen gestoßen. "
"Dann stellst du fest: Oh mein Gott, wir können das nur machen, wenn wir das Rad neu erfinden, was zu lang dauert. Es war manchmal schwierig, zu wissen, wann man aufgeben musste."
Anthem soll gerettet werden
Bioware verspricht, das Spiel zu fixen
Bugs fixen war offenbar nahezu unmöglich
Frostbite Engine-Bugfixes dauern Wochen: Weil sich niemand im Anthem-Team so richtig mit der Engine auskannte, dauerte es oft viele Tage, kleinere Bugs auszumerzen.
"Wenn es eine Woche dauert, einen kleinen Bugfix zu erledigen, entmutigt das die Leute, Fehler zu beheben. Wenn du drum herum hacken kannst, hackst du drum herum, anstatt es richtig zu fixen."
Viele Anthem-Entwickler stoßen in dasselbe Horn:
"Ich würde sagen, das größte Problem, das ich mit Frostbite hatte, war, wie viele Schritte man tun musste, um etwas simples zu erledigen. Mit einer anderen Engine könnte ich etwas selbst tun, vielleicht mit einem Designer. Hier ist es eine komplizierte Sache."
Es gibt auch viel Kritik an Electronic Arts. Die Anthem-Entwickler werfen dem Konzern zum Beispiel vor, dass die meiste Zeit und damit das meiste Geld in die Entwicklung und Problemlösung von FIFA-Titeln oder Battlefront geflossen sei. Weil die am meisten Umsatz machen.
"Viele der wirklich talentierten Techniker arbeiteten an FIFA, wenn sie eigentlich an Anthem arbeiten sollten."
Zeit ist Geld: Wer Schwierigkeiten mit der Engine hatte, konnte sich zwar an EAs zentrales Frostbite-Team wenden, um Hilfe zu bekommen. Er musste dann allerdings mit anderen Entwicklern um deren Zeit konkurrieren. Ein Entwickler drückt das so drastisch aus:
"Die Menge an Support, die man von EA zu Frostbite bekommen würde, basierte darauf, wie viel Geld das Spiel deines Studios machen wird."
Daraus gelernt? In Zukunft soll sich zumindest schon mal eine Sache ändern: Die nächsten Bioware-Spiele bauen auf der Arbeit und den Erfahrungen der anderen Teams auf und nutzen Teile des Codes der bisherigen Frostbite-Spiele.
Hier könnt ihr euch den vollständigen, sehr ausführlichen Kotaku-Report von Jason Schreier zur Entwicklung von Anthem durchlesen.
Was sagt ihr zur Frostbite-Engine und der Entwicklung von Anthem?
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