Wird über Animal Crossing: New Horizons gesprochen, dann fallen oft Stichworte wie "Entspannung" und "Eskapismus". Ob Holz fällen oder Fische fangen: Der Alltag des Simulationsspiels bietet viele Aktivitäten mit meditativem Charakter. Spätestens mit dem ersten Auftritt des halsabschneiderischen Waschbären Tom Nook wird jedoch klar, dass auch die Welt Animal Crossings von Geld beziehungsweise Sternis regiert wird und mit entsprechenden Verpflichtungen einhergeht.
Tom Nooks Angebot umfasst zwar viele attraktive Möglichkeiten zur Verschönerung der eigenen Insel, allerdings sind diese stets an unverschämt hohe Kreditsummen geknüpft. Für den Sterni-Verdienst bietet das Spiel zum Glück zahlreiche Möglichkeiten, die mal mehr, mal weniger Aufwand erfordern.
Einigen Fans reicht das Geldsammeln auf herkömmlichem Wege allerdings nicht aus. Um Items und Bewohner für ihre Trauminsel zu ergattern, toben sie sich stattdessen in Online-Börsen aus und zahlen dort bewusst Wucherpreise.
Finja Walsdorff
Im Zuge der Recherche für diesen Artikel hat Finja das Eichhörnchen Huschke für 1 Mio. Sternis verkauft. Damit konnte sie zwar ihre Schulden bei Tom Nook abbezahlen, fühlte sich im Nachhinein aber ein bisschen schuldig. Schenken und Tauschen machen ihr mehr Spaß, weshalb sie die Schätze ihrer Insel künftig lieber kostenlos weitergeben will.
Die Handelsbörsen um Animal Crossing florieren
Denn es ist vor allem der Multiplayer-Modus Animal Crossings, der den Aufstieg zum Sterni-Millionär beschleunigt. In digitalen Tausch- und Verkaufsbörsen wird alles angeboten, was sich von Insel A nach Insel B transportieren lässt: Möbel, Dekoration, Crafting-Anleitungen, Fossilien oder gar Bewohner – der Fantasie sind fast keine Grenzen gesetzt.
Diese Online-Börsen sind beliebt: Wer auf der Suche nach einem bestimmten Gegenstand oder Nachbarn ist, wird auf Plattformen wie Nookazon, einer Art Animal Crossing-Amazon, oder dem Discord-Server Animal Crossing: New Horizons, der aktuell fast 280.000 Mitglieder zählt, problemlos fündig. Sogar die traditionelle Rübenbörse wird durch das Internet optimiert, da hier gezielt nach Inseln mit hohem Rübenankaufspreis gesucht werden kann.
Derartige Plattformen liefern die Infrastruktur für den Handel unter Fans. Auf dem größten Handels-Discord existieren neben separaten Kanälen für den Tausch und Verkauf sämtlicher Inhalte des Spiels auch Erläuterungen zum Ablauf der Transaktionen sowie zum Wert einzelner Items.
Scammer-Listen geben zudem Auskunft über schwarze Schafe, die gegen die Regeln des Servers verstoßen haben. Längst hat sich hier ein an Auktionshäuser angelehntes Vokabular etabliert: LF ("Looking for"), FT ("For trade"), C/O ("Current Offer") und B/O ("Buyout") sind Begriffe, die in fast allen Beiträgen auf dem virtuellen Discord-Marktplatz auftauchen.
Die Beliebtheit und der Preis der Items variieren. Als am 11. April das Angelturnier stattfand, waren Fischköder hoch im Kurs. In der Anfangszeit stellten Zauberstäbe ein begehrtes Item dar, da viele Nutzer noch keinen Zugriff auf diese hatten. Mittlerweile hat ein Großteil der Spielerschaft die Stäbe freigeschaltet, weshalb sie im Preis stark gesunken sind.
Darum kaufen Spieler Items in Online-Börsen
Für viele Animal Crossing-Fans sind solche Börsen ein elementarer Teil des Spielerlebnisses. Sie haben feste Vorstellungen zur Gestaltung ihrer Insel und suchen im Internet gezielt nach den dafür benötigten Inhalten.
Zwar ist das Item-Angebot im Spiel für alle gleich, allerdings erlaubt Animal Crossing: New Horizons täglich nur den Zugriff auf eine begrenzte Anzahl an Gegenständen, die auch noch zufallsbasiert ist. Bis die beliebte Kücheninsel in Nooks Laden auftaucht oder der Traumbewohner einzieht, können in dem Echtzeitspiel Monate vergehen.
Und auch das bei vielen Spielern etablierte Vorspulen der Zeit kann aufgrund der Zufallsauswahl aus einem großen Item- und Bewohner-Pool nur bedingt Abhilfe schaffen, schließlich gibt es in Animal Crossing: New Horizons fast 400 potentielle Nachbarn und aktuell 520 Einrichtungs- und Dekorationsgegenstände, die sich etwa dem Katalog Nook Plaza entnehmen lassen.
Woher bekommen Spieler so viele Sternis?
Online-Börsen können auf dem Weg zur Trauminsel ein wichtiger Faktor sein. Wer sich im Internet mit anderen Fans zum Handel und Tausch zusammenschließt, kann nicht nur das Zufallssystem aus Animal Crossing: New Horizons umgehen und gezielt Gegenstände erwerben, sondern auch unkompliziert zu virtuellem Reichtum gelangen.
Die Tilgung des Kredits, der für den Hausbau bei Immobilienhai Tom Nook aufgenommen werden muss, ist in vielen Fällen nur eine Discord-Transaktion entfernt, denn selbst gewöhnliche Gegenstände werden hier hoch gehandelt. Während eine unscheinbare Restmülltonne im Spiel selbst 1000 Sternis kostet, können auf dem Discord-Marktplatz durchaus 100.000 Sternis für diese anfallen. Auch Angebote in Millionenhöhe für einzelne Bewohner sind keine Seltenheit.
Doch wie kommt es, dass die In-Game-Währung Sternis bei vielen Nutzern derart locker sitzt? Kurz nach der Veröffentlichung von Animal Crossing: New Horizons wurde ein Trick bekannt, der es ermöglichte, gewisse Items beliebig oft zu duplizieren.
Wie Dupen zur Sterni-Inflation geführt hat
Zwar behob Nintendo diesen die Spielbalance deutlich beeinträchtigenden Duping-Glitch mit einem Update am 26. März, jedoch hatte ein großer Teil der Spieler wertvolle Items längst derart häufig dupliziert, dass Sterni-Millionäre bereits in den ersten Tagen des Spiels keine Ausnahme mehr waren.
In den Communities wimmelte es in dieser Anfangszeit von Beiträgen, in denen wertvolle Königskronen oder direkt ganze Sterni-Säcke im großen Stil verteilt wurden, sodass auch technisch weniger versierte Fans leicht zu unverhofftem Reichtum gelangten.
Die Online-Marktplätze rund um Animal Crossing: New Horizons sahen sich bald mit einer Inflation konfrontiert: Da die Nutzer plötzlich mehr als liquide waren und riesige Sterni-Beträge in die Ökonomie flossen, stiegen die Preise für sämtliche Items innerhalb kürzester Zeit drastisch an, während die Währung an Wert einbüßte. Ein neues Zahlungsmittel musste also her.
Meilentickets sind das Zahlungsmittel der Wahl
Neben der Währung Sternis können Spieler im Rahmen des von Nook Inc. initiierten Bonusprogramms bekanntlich Nook-Meilen sammeln und diese gegen Items und Bastelanleitungen tauschen. Im Angebot des Bonusprogramms ist auch das Meilenticket, das für 2000 Meilen erworben werden kann. Dieses Ticket ermöglicht die Flugreise zu einer Meileninsel, auf der Rohstoffe und mitunter seltene Tiere und Pflanzen warten. Wer auf seiner Heimatinsel ein freistehendes Grundstück hat, kann hier sogar neue Nachbarn treffen und einladen.
Meilentickets gehören zu den wenigen Items, die sich durch den anfänglichen Glitch nicht duplizieren ließen und für deren Erwerb es im Spiel keine allgemein bekannten Tricks gibt. Dass die Tickets vergleichsweise wertstabil zu sein scheinen, macht sie als Währung innerhalb der Animal Crossing-Ökonomie besonders interessant.
Preistreiberei lässt sich aber auch bei dem Handel mit Meilentickets beobachten. Für den Kater Gunnar etwa, einen der neuen Charaktere aus Animal Crossing: New Horizons, werden bis zu 2000 Meilentickets veranschlagt. Gunnar hat keine Amiibo-Karte, kann also nicht über den NFC-Reader der Switch in das Spiel gebracht werden. Zugleich ist er innerhalb der Community besonders beliebt – und wird so zum begehrtesten Artikel in der Animal Crossing-Ökonomie.
Alles wird zur Ware und das sorgt sowohl für Kritik als auch für Zustimmung
Die Beträge, für die Figuren wie Gunnar gehandelt werden, erscheinen oft willkürlich und überzogen. Doch obwohl im Spiel selbst niemand Verwendung für 2000 Meilentickets haben dürfte, werden sie bezahlt, denn innerhalb der Animal Crossing-Ökonomie bringt ein hohes Budget den entscheidenden Vorteil.
Neulinge und weniger handelsaffine Fans können durch die Preisgestaltung jedoch ausgegrenzt werden. Als Währung sind Meilentickets zudem mit Vorsicht zu betrachten, da sie sich mit einer modifizierten Switch-Konsole durchaus illegal duplizieren lassen. Kritische Fans gehen davon aus, dass viele dieser Hacker-Tickets bereits in die Ökonomie geflossen und für die zum Teil sehr hohen Preise verantwortlich sind.
Wer in den Online-Marktplätzen ernsthaft mitmischen will, muss sich dem Meilenticket-Diktat aktuell fügen. Tausch- und Geschenkaktionen sind selten geworden. Selbst für den Zugang zu fremden Inseln werden Eintrittsgebühren erhoben – und für die eingangs erwähnte Restmülltonne sind mittlerweile zwei Meilentickets fällig.
Kurzum, in den Animal Crossing-Communities wird alles zur Ware: das Gespräch mit einem NPC auf einer fremden Insel, ein Besuch im Einkaufsladen einer anderen Person oder das Katalogisieren eines Gegenstandes.
Vielen geht das zu weit: Sie wünschen sich mehr Solidarität und wollen nicht für jede Kleinigkeit zahlen müssen. Die starke Ausrichtung auf Profit widerspricht für sie der Philosophie des Spiels. Immer wieder steht zudem die Frage im Raum, ob das auf ein Langzeiterlebnis ausgelegte Animal Crossing überhaupt noch Spaß machen kann, wenn sämtliche Erfolge erkauft werden.
"Animal Crossing-Fans beschweren sich über den kapitalistischen Tom Nook [...], aber verlangen gleichzeitig eine Gebühr von 50k Sternis, damit du auf ihre Insel darfst."
Andere halten den Animal Crossing-Kapitalismus für legitim. Sie erklären, dass das Bereitstellen von Gegenständen mit viel Aufwand verbunden ist und betrachten die Transaktionen auch als Schutz vor Schmarotzern oder Personen, die auf ihrer Insel Schaden anrichten könnten.
Viele haben an den virtuellen Marktplätzen auch einfach nur Spaß: Sie freuen sich über gute Deals und verstehen die Handelsplattformen als elementaren Teil des Spiels. Manche von ihnen verbringen mehr Zeit mit dem Online-Handel als auf der eigenen Insel.
Immer häufiger fließt echtes Geld
Rechtlich ist nichts daran auszusetzen, Inhalte aus Animal Crossing gegen Items und In-Game-Währungen zu tauschen.
Anders sieht es aus, wenn echtes Geld ins Spiel kommt: Auf Plattformen wie eBay werden immer wieder Items, Bewohner und digitale Zahlungsmittel zu teils hohen Beträgen angeboten.
Selbst für die umstrittenen Häschentag-Rezepte oder für Früchte, die besonders leicht zu finden sind, werden hier stolze Preise verlangt. Dass Kater Gunnar auf eBay mit bis zu 100 Euro gelistet wird, verwundert da kaum. Oft haben die Verkäufer mit Animal Crossing selbst nur wenig am Hut, dafür aber einen guten Riecher für lukrative Geschäfte.
Die Items kommen nicht selten von modifizierten Switch-Konsolen, auf denen sich Bewohner, Meilentickets, Möbel & Co per Editor beliebig oft erstellen lassen. Gefälschte Amiibo-Karten runden das Angebot ab.
All das verstößt gegen Nintendos Endbenutzer-Lizenzvertrag, der die kommerzielle Nutzung der Software untersagt. Nintendo erklärt hierzu: "In der Regel werden unsere Spiele so gespielt, wie sie gedacht sind. SpielerInnen, die versuchen, spielinterne Gegenstände über Online-Verkaufsplattformen zu verkaufen oder zu versteigern, verstoßen gegen unsere Nutzungsvereinbarungen. Nintendo arbeitet daher daran, diese Art von Verkäufen zu unterbinden."
Über die Animal Crossing-Ökonomie entscheiden die Spieler
Handelsbörsen rund um Animal Crossing gab es schon lange vor der Veröffentlichung New Horizons'. Die Erfahrung zeigt, dass sich das Preisniveau in solchen Communities stabilisieren kann. Ist der Run auf die meisten Items zu Beginn noch groß, so sinkt irgendwann der Bedarf – und damit auch die Preise.
Jedem steht es außerdem offen, die Schätze seiner Insel nicht für 100, sondern vielleicht nur für 10 Meilentickets anzubieten. Auch das Schenken ist etwas, das allem Animal Crossing-Kapitalismus zum Trotz fortbestehen kann. Gefragt sind hier die Spieler, denn sie entscheiden über Angebot, Nachfrage und den Wert der gehandelten Waren. Ob sie Tom Nooks Beispiel folgen oder doch einen anderen Weg einschlagen möchten, haben sie selbst in der Hand.
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