Sehen wir einen Charakter, können wir ihn auch spielen. Das ist die Grundregel in Watch Dogs: Legion, die lediglich für Figuren in Cutscenes eine Ausnahme macht. Egal, ob Freund oder Feind, das Hacker-Abenteuer lässt uns in quasi jeden Bewohner des dystopischen Londons schlüpfen. Auf eine "richtige" Hauptfigur verzichtet es dabei komplett und lässt die Tage von Aiden und Marcus hinter uns.
Dieses Charaktersystem ist eindeutig das größte und spannendste Feature des nun offiziell während Ubisofts E3-Präsentation enthüllten Watch Dogs: Legion. Wir konnten uns das Hacktion-Adventure bereits vorab ansehen und einen Blick darauf werfen, wie es sich in der Praxis macht und wie genau der Wechsel in Sachen Gameplay funktioniert.
Wie können wir "NPCs" wechseln und spielen?
Um einen Charakter rekrutieren zu können, muss er unserer Organisation DedSec gegenüber zunächst positiv eingestellt sein. Während das bei einigen Figuren von Anfang an der Fall ist, müssen wir andere teilweise erst manipulieren, damit sie sich unserem Widerstand gegen das autoritäre Regime des Post-Brexit-Londons anschließen.
Ist dieser Grundstein gelegt, ist der Rest eigentlich ganz einfach:
- Profil anlegen: Charakter auswählen und scannen, sodass Basis-Infos angezeigt werden
- Hacken: Profil hacken und mehr über ihn/sie herausfinden, inkl. Beziehungen, Terminplan, Perks, ...
- Einstiegsmission abschließen
- Rekrutieren: Der Charakter landet in einer Übersicht, in der wir ihn/sie dann auswählen können
In unserer Hands-On-Mission rekrutierten wir als rüstige (wenn auch sehr langsame) Rentnerin eine sogenannte "lebende Statue", einen silbern angemalten Straßenkünstler.
So verläuft eine Einstiegsmission: Damit er sich uns anschließt, mussten wir allerdings zuerst bei Interpol einbrechen und dort ein paar Daten über ihn von deren Servern tilgen. Das erledigt, konnten wir sofort in unseren neuen Freund schlüpfen und ihn selbst spielen.
Was passiert mit der rüstigen Rentnerin? Sie versteckte sich solange, da ihr Fahndungslevel nach mehreren Schießereien, Panzer-Diebstählen und überfahrenen Zivilisten etwas zu hoch war...
Drei Klassen für unzählige Charaktere
Sobald wir eine Person rekrutiert haben, können wir ihr eine von drei Klassen zuordnen und basierend darauf upgraden.
Die drei Klassen in der Übersicht:
- Enforcer: Fokus auf direkten Kampf; hat Zugriff auf ein großes Arsenal an Waffen, darunter schwere Wummen; besitzt eine Klebemine, kann Fallen legen und die Umwelt besser kontrollieren
- Infiltrator: Fokus auf Stealth; Nahkampfspezialist; kann kurzzeitig unsichtbar werden
- Hacker: Hybridklasse; besitzt einen sogenannten "Spider-Bot" (einen spinnenartigen Roboter), der an abgelegene Orte kommt und als Geschoss verwendet werden oder Leute angreifen kann
Jede Klasse kommt mit diversen Perks daher, die wir zunächst freigeschalten müssen. So können wir unsere Charakter-Armee nicht nur personalisieren, sondern vor allem auch spezialisieren.
Während unserer Hands-On-Session war nur eine handvoll Möglichkeiten freigeschaltet. Beim Infiltrator konnten wir uns beispielsweise entscheiden, ob wir lieber einen Schalldämpfer für leise Fernangriffe hätten oder einen stillen Nahkampf-Finisher.
Alle können sterben
Dass Entscheidungen Konsequenzen haben, ist ein beliebtes Feature in Rollenspielen und auch Ubisofts Action-Adventure möchte sich daran ein Beispiel nehmen. Die Folgen eines Fehltritts in Watch Dogs: Legion können unterschiedliche Auswirkungen haben.
Mischen wir uns in das Leben einer Figur ein, kann sie uns danach besser oder schlechter gesonnen sein, ebenso wie alle anderen Charaktere, die davon betroffen sind. Helfen wir einer alleinerziehenden Mutter ihre Schulden bei einem Kredithai loszuwerden, ist sie uns dankbar. Der Kredithai allerdings weniger und da auch er ein spielbarer Charakter ist, könnte das Nachwirkungen haben.
Es gibt ein Permadeath-Feature: Besonders spannend, alle Charaktere können sterben - endgültig.
Da wir nicht einen einzigen Hauptcharakter haben, der nach dem Ableben einfach zum letzten Speicherpunkt zurückgesetzt wird, konnte es sich Ubisoft Toronto erlauben, ein Permadeath-System in Legion einzubauen. Das bedeutet, wenn wir zum Beispiel an einer Mission scheitern, weil wir die falsche Herangehensweise gewählt haben, dann bedeutet das das Aus für den gerade noch gespielten Charakter.
Und so funktioniert das System in der Praxis: Während unseres Anspieltermins sah das so aus, dass wir an einer Stelle von Polizei förmlich überrannt wurden. Als wir blutüberströmt zu Boden sanken, gab uns das Spiel zwei Möglichkeiten: aufgeben oder weitermachen.
Wir entschieden uns fürs Aufgeben, weil wir wissen wollten, wie die Polizei reagiert. Nun, sie warf uns ins Gefängnis und unsere Jamaikanerin war vorübergehend aus dem Verkehr gezogen und unspielbar. Unseren irischen Raufbold segnete nach einer Auseinandersetzung mit dem Gesetz das Zeitliche. Sorry, Sean.
Was passiert, wenn alle Charaktere entweder unspielbar oder tot sind, konnten wir bislang nicht herausfinden. Wahrscheinlich ist jedoch, dass Ubisoft für diesen speziellen Fall eine Art Absicherung eingebaut hat.
Quantität statt Qualität?
Ubisofts herangehensweise an das Charakter-System von Watch Dogs: Legion ist überaus spannend. Der Verzicht auf einen klassischen Hauptcharakter eröffnet mit seinem Hacking-System unzählige Möglichkeiten und setzt auf Diversität und Freiheit, wie wir sie sonst nur selten sehen.
Auf den ersten Blick funktioniert das ganz hervorragend. Der Wechsel zwischen den Figuren ist flüssig, das rekrutieren macht Spaß und wir bekommen die Gelegenheit, Charaktere zu spielen, die sonst niemals zur Hauptfigur eines AAA-Blockbusters werden würden. Wer wie ich mit einer älteren Dame London aufmischen möchte, kann das ebenso gut tun wie diejenigen, die eher auf klassische Videospielfiguren stehen.
Der mögliche Haken an der Vielfalt: Durch seine Menge an Charakteren läuft Watch Dogs: Legion allerdings Gefahr, in Sachen Persönlichkeiten sehr oberflächlich zu bleiben. In den knapp 45 Minuten, die wir spielen konnten, wurde nicht klar, wie facettenreich unsere Figuren und wie glaubhaft ihre Hintergrundgeschichten tatsächlich sind.
Watch Dogs Legion - Screenshots ansehen
Eine Charakterbindung wird durch die Masse ebenfalls erschwert - wobei das natürlich nicht der Fokus von Legion sein soll. Und wenn wir ganz ehrlich sind: In den Vorgängern war das mit dem viel kritisierten Aiden Pearce und Marcus Holloway ebenfalls nicht möglich, wenn auch aus anderen Gründen.
Wie stark sich die Persönlichkeiten und Charaktere wiederholen, lässt sich nach nur 45 Minuten unmöglich sagen. Gerade die Größe des Open World-Spiels könnte sich selbst dabei zum Verhängnis werden.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.