Ach Heinrich, was musste ich da vor ein paar Tagen von dir lesen? Der VR-Trend nervt dich? Und du vergleichst die Technologie auch noch mit dem Hype um die Wii oder mit dem 3D-Strohfeuer bei HD-Fernsehern und im Spielebereich? Ich finde, mit deiner Argumentation machst du es dir etwas zu leicht und tust dem ganzen Themenkomplex VR damit unrecht. Klar, die von dir angesprochenen Punkte kann und will ich gar nicht ganz von der Hand weisen.
Vielmehr will ich versuchen, dich und alle anderen VR-Skeptiker etwas umzustimmen. Denn ich bin begeistert von Virtual Reality und erwarte mit Spannung die Entwicklungen der kommenden Jahre. Und das, obwohl der kürzlich enthüllte Verkaufspreis der Oculus Rift deutlich höher ausfällt, als ich es erwartet habe. Ja, Virtual Reality wird teuer, richtig teuer. Aber mich stört das überhaupt nicht.
Heinrich Lenhart vs. VR: Der nervigste Trend 2016
Der Autor
Sebastian ist ein Mann der Widersprüche. Denn einerseits trägt er bis heute ein Uralt-Mobiltelefon in der Hosentasche, andererseits lässt er als Virtual-Reality-Evangelist der Redaktion keine Gelegenheit aus, seinen Kollegen von den Vorzügen neuer Technologien zu erzählen. Nicht umsonst stülpt er jedem, den er in die Finger kriegt, sofort das redaktionseigene Oculus-Rift-Devkit über. Denn über Virtual Reality sprechen reicht nicht - man muss sie erlebt haben. Und wer sie erlebt hat, ist nicht selten begeistert.
Ich glaube an VR - seit Jahren schon!
Ja, ich bin einer dieser VR-Gläubigen. Ich traue der Technologie zu, unsere Gesellschaft ebenso dramatisch zu verändern wie seinerzeit das Internet. Diese Überzeugung fußt sowohl auf diversen überzeugenden Spielerfahrungen als auch darauf, wie massiv derzeit in VR-Startups investiert wird. Der Zwei-Milliarden-Deal zwischen Facebook und Oculus von 2014 ist ein extremer Einzelfall, aber allein 2015 flossen über 384 Millionen US-Dollar in entsprechende Projekte
Und bei diesen Virtual-Reality-Startups ist so ziemlich alles dabei: 360-Grad-Kameras, Umgebungs-Scanner, Laufplattformen für die Spielesteuerung oder ein VR-gesteuerter Teddybär. Und herrje … die Erotikindustrie bietet schon jetzt ein erstaunliche breites und eindrückliches Spektrum an Produkten und Video-Abos an - obwohl die meisten VR-Headsets noch nicht einmal im Laden stehen.
Kurzum: hinter den Kulissen des kommenden Virtual-Reality-Markts herrscht emsige Betriebsamkeit, und konzeptionell wird da gerade derart kreativ herumgesponnen, dass sich die traditionellen Blockbuster-Spieleprojekte der letzten Jahre direkt mal zum Schämen in die Innovationsecke stellen dürfen. Endlich kommt das beste Hobby der Welt mal wieder einen Schritt voran! Da kann ich mich doch nicht fortschrittsverweigernd in die Ecke kauern!
VR wird teuer. Na und?
Aber, Heinrich, ich stimme dir in einem Punkt zu: 2016 müssen VR-User »kaufkräftige Technikenthusiasten mit starkem Early-Adopter-Trieb sein«. Ganz genau so ist es! Wer dieses Jahr mit Oculus Rift und Vive spielen will, braucht einen leistungsstarken PC mit High-End-Grafikkarte und moderner CPU. Und er wird viele hundert Euro für ein VR-Headset ausgeben. Mit dem aktuellen Angebot des Oculus-Stores dürfte das Rift-Headset inklusive Versand aus den USA und Einfuhrsteuer 741 Euro kosten. Das ist teuer.
Aber bevor ich laut darüber klage, warte ich lieber ab. Sobald das Rift-Headset auch bei deutschen Händlern geführt wird, dürfte der Gesamtpreis fallen. Zumal der Preis für das im April erscheinende Vive-Headset von Valve und HTC noch gar nicht feststeht. Und auch wenn das Oculus-Konkurrenzprodukt ebenso teuer wird, sehe ich das nicht als großes Drama. Dieses Jahr steht die virtuelle Realität ja erst ganz am Anfang, die Hardware wird zukünftig - wie bei Smartphones oder HD-Fernsehern auch - immer billiger und immer leistungsfähiger werden.
Wer später kauft, kauft billiger. Und er kann aus einem deutlich breiteren Softwareangebot wählen. Konsolenbesitzer kennen das ja auch. Und immerhin erscheint mit PlayStation VR dieses Jahr auch ein Headset, das zum einen deutlich billiger als das Oculus-Rift ausfallen dürfte, und zum anderen keinen High-End-PC als Zuspieler benötigt, sondern lediglich eine PlayStation 4.
Und selbst wenn jemand schon jetzt zuschlägt, selbst wenn jemand eine Menge Geld in die Oculus Rift investiert – selbst dann ist das, was diese Frühnutzer schon bald mit VR erleben können, alles andere als, Zitat Heinrich, »Software […], der man sich ohne Helm vorm Kopf nur mit entsicherter Kneifzange nähern würde.« Es ist die Zukunft.
Der Zauber von VR
VR lebt vom Gefühl der Immersion. Davon, dass die Technologie unser Hirn geschickt austrickst und ihm glaubhaft versichert, sich an einem anderen, virtuellen Ort zu befinden. »Presence« wird in VR-Kreisen dieser einmalige Zustand bezeichnet, an dem man sich voll und ganz an einen anderen Ort transportiert fühlt - auch wenn man ja rational von der Illusion dahinter weiß. Und diese Präsenz ist eine ganz entzückende, reizvolle Sache, die rein gar nichts mit Innovationen wie Bewegungssteuerung oder 3D-Brillen zu tun hat.
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Es ist nur leider unmöglich, dieses Gefühl an eine Person zu vermitteln, ohne ihm ein VR-Headset über den Kopf zu ziehen. Das frustriert mich ungemein. Denn das führt Außenstehende nur zu leicht auf die falsche Fährte. Heinrich, du belächelst da etwa Cryteks »Rock Climbing Simulator 2016« The Climb, weil's wirklich nur ums Erklimmen eines Berges geht, und weil man da zwei körperlose Hände steuert.
Ja, um nichts anderes geht es in The Climb. Wäre es ein normales PC-Spiel würde ich, wie du auch, »ein solch läppisch klingende Spielidee […] höflich belächeln und sie in der Schublade mit den unfreiwillig komischen Nutzfahrzeug-Simulationen einsortieren.« Aber es ist eben kein normales PC-Spiel. Es ist ein VR-Spiel!
Den Eintrittspreis wert
In VR wirken ganz banale Dinge plötzlich sagenhaft spannend. Das Umherlaufen in 3D-Umgebungen etwa. Die Unreal-Engine-4-Demo bietet etwa einen verschneiten Gipfel samt Lavahöhle und Funken-Ritter. Das ist auf einem PC-Bildschirm rasch angeguckt und schnell vergessen. In VR ist es ein erstaunliches Abenteuer, tatsächlich in diese Welt einzutauchen - dort zu sein. Und das macht VR zu einem Medium, in dem ganz andere Dinge funktionieren - oder ganz fürchterlich scheitern - als wir es von gewöhnlichen Spielen kennen.
Das Erklimmen eines Berges mit körperlosen Händen funktioniert etwa wunderbar. Team Fortress 2 hingegen ist dank seiner Hektik und Geschwindigkeit nur schwer in VR zu ertragen. Das Rezept für perfekte VR-Spiele ist noch nicht gefunden, das wird gerade von zahlreichen Indie- und Profi-Entwicklern ergründet, und daran werden wir in den kommenden Jahren teilhaben können. Ist es nicht spannend, dieses brandneue Medium von Anfang an zu verfolgen?
Mag sein, dass VR dieses Jahr nur mit relativ simplen und begrenzten Spielideen startet. Auch wird die Technologie - wie jede andere - in ihrer ersten Generation noch nicht ganz ausgereift sein, etwa beim Thema Übelkeit. Vielen Spielern wird bei bestimmten Bewegungen schnell schlecht. Aber diese Herausforderungen sind den VR-Schaffenden bekannt, und sowohl bei der Hardware als auch beim Spieldesign gibt es diverse Lösungsansätze. Oculus hat beispielsweise eine frei verfügbare Anleitung für gute VR-Inhalte veröffentlicht, die Entwicklern hilft, magenerschütternde Design-Fehler zu vermeiden.
Die Virtual Reality ist nicht perfekt. Aber sie wird weiter reifen, wir stehen gerade erst am Anfang. Als in den späten 1990ern und frühen 2000ern die ersten Smartphones auf den Markt kamen - etwa der Nokia Communicator oder das Sony Ericsson P900 - waren sie auch sündhaft teuer und wurden belächelt: Braucht doch keiner. Und heute? Genau.
So lange die Technologie begeistert, werden zukünftige Titel immer neue Grenzen ausloten, neue Gewohnheiten sowie Standards etablieren und virtuelle Welten weiter perfektionieren. Das werden extrem spannende Zeiten. Und ich hoffe, lieber Heinrich, dass du das Thema VR in den kommenden Monaten und Jahren nicht einfach unter dem Motto »Ach, das wird nix!« abtust und ignorierst. Bleib am Ball, probiere Demos und Hardware aus und lass dich davon überzeugen. Es mag vielleicht nie so wirklich deine Sorte Spielerfahrung werden - aber bitte Virtual Reality dennoch eine Chance, auch wenn dich der Hype darum nervt!
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