Videospielsucht - Wissenschaftler warnen vor der Klassifizierung als psychische Störung

Die WHO will Videospielsucht als offizielle, psychische Störung in den ICD-11 aufnehmen. Ein wissenschaftliches Paper widerspricht dieser Einordnung und warnt, dass die wissenschaftliche Grundlage fehle.

Gibt es überhaupt eine wissenschaftliche Grundlage dafür, Videospielsucht offiziell als psychische Störung anzuerkennen? Gibt es überhaupt eine wissenschaftliche Grundlage dafür, Videospielsucht offiziell als psychische Störung anzuerkennen?

Die Weltgesundheitsorganisation WHO will demnächst den neuen ICD-11 vorstellen. Dabei handelt es sich um die Internationale Klassifikation der Krankheiten, die bald zum ersten Mal seit 1990 ein Update erhält. Die WHO will auch Videospielsucht darin aufnehmen und somit als offizielle psychische Störung anerkennen. Vor Kurzem wurde die darin enthaltene Definition des Krankheitsbildes bereits heftig kritisiert. Selbst das Konzept der Videospielsucht an sich sei kontrovers und völlig unklar, wenn es um Symptome und Diagnosekriterien geht. Eine neue wissenschaftliche Arbeit stößt jetzt in dasselbe Horn, geht aber noch weiter.

Die wissenschaftliche Grundlage ist schwach

36 bekannte Forscher und Wissenschaftler warnen davor, Videospielsucht nach den Kriterien der WHO als psychische Störung anzuerkennen. Vor allem deshalb, weil so viele Unklarheiten bestehen bleiben und das Ganze nur auf einer sehr schwachen, wissenschaftlichen Grundlage stehe. Für eine derartige Entscheidung brauche es mehr Forschung, sonst sei sie verfrüht. Das Paper mit dem wundervollen Namen "A Weak Scientific Basis for Gaming Disorder: Let us err on the side of caution" warnt außerdem auch vor den vielen Konsequenzen, die die Klassifizierung mit sich bringen kann.

Was soll Videospielsucht überhaupt sein?

Selbst unter denjenigen, die eine Klassifizierung als psychische Störung befürworten, herrscht offenbar Unklarheit darüber, was genau Videospielsucht überhaupt sein soll. Ganz abgesehen davon, dass auch die Beweise für die Existenz einer solchen Störung keiner eingehenden Prüfung standhalten sollen.

Die WHO nutzt einen Großteil der Kriterien, die auch bei der Glücksspielsucht zum Tragen kommen, um zu erklären, was Videospielsucht sein soll. Allerdings riskiert sie laut den Wissenschaftlern so auch, dass das als normal angesehene Verhalten von Millionen regulärer Gamer zur Krankheit stilisiert – und stigmatisiert wird.

"Es bleibt unklar, was die klinischen Vorteile eines "Videospielsucht"-Labels sind. Die damit einhergehenden Risiken der Stigmatisierung und einer diagnostischen Inflation müssen ebenfalls bedacht werden."

Umstrittene Entscheidung:
Videospielsucht wird bald zur offiziell anerkannten psychischen Störung

Fragen, die noch offen bleiben:

Laut dem Paper hat die WHO anscheinend vier unterschiedliche Kategorien von Videospielsucht geplant, die sich allesamt von der Internet-Spielsucht aus dem DSM-5 unterscheiden. Das sorge für unnötige Verwirrung und außerdem gebe es noch viel zu viele unbeantwortete Fragen. Wie zum Beispiel die folgenden:

"Würde sich Videospielsucht nur auf Glücksspiel-orientierte Spiele beziehen oder eher allgemein auf Videospiele? Wird das Problem vom Verhalten verursacht oder von anderen, tiefer liegenden, psychischen Störungen oder ist es eine Konsequenz aus den verführerischen Spielmechaniken?"

"Diagnostizieren wir Leute, die Online-Spiele oder Offline-Spiele spielen, oder beide? Und ist Videospielsucht nur eine Unterkategorie einer weiter gefassten Internetsuchtstörung oder vielleicht nur eine von vielen Verhaltens-Süchten?"

"Was genau sind die Symptome der Videospielsucht? Oder sollen wir annehmen, dass die Mediziner sie erkennen, wenn sie sie sehen?"

Die WHO soll die Formalisierung vertagen

Da die Schwere dieser Klassifizierung sowie ihre Wirkung nicht abzusehen sei, warnen die Wissenschaftler die WHO eindringlich vor der Entscheidung. Sie mahnen zur Vorsicht und bitten darum, die Formalisierung zu verschieben. Damit stehen sie nicht alleine dar: Gaming-Verbände aus 22 Ländern lehnen die geplante Klassifizierung der Videospielsucht ab. Auch Widerstand aus der Wissenschaft hat sich schon mehrfach geregt. Aktuell wird auch sehr viel darüber diskutiert, ob es sich bei Lootboxen um Glücksspiel handelt.

Wie fändet ihr es, Videospielsucht offiziell als psychische Störung anzuerkennen – mit den Kriterien der WHO?

Lootboxen + Charity-Fail - Video: Warum die Spieler bei Mittelerde: Schatten des Krieges schon vor Release sauer sind Video starten 12:04 Lootboxen & Charity-Fail - Video: Warum die Spieler bei Mittelerde: Schatten des Krieges schon vor Release sauer sind

zu den Kommentaren (5)

Kommentare(4)
Kommentar-Regeln von GamePro
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.