The Last of Us 2 ist ein Accessibility-Vorbild, aber an einigen Stellen hakt's

Gastautorin Melanie Eilert hat sich die Accessibility-Optionen von The Last of Us Part 2 für PS4 genauer angeschaut und berichtet von ihren Erfahrungen.

Die Accessibility-Optionen von The Last of Us 2 unter die Lupe genommen. Die Accessibility-Optionen von The Last of Us 2 unter die Lupe genommen.

Kaum ein Spiel ist gerade mehr in der Diskussion als The Last of Us 2. Ein Spiel, das ich für mich zunächst gar nicht auf dem Radar hatte. Ich wollte den ersten Teil vor zwei, drei Jahren mal ausprobieren, doch es fehlte an wichtigen Einstellungsmöglichkeiten, um für mich spielbar zu sein und nach knapp 30 Minuten kam ich an einer eigentlichen Kleinigkeit (Zielentaste gedrückt halten und zusätzlich die Schießentaste drücken) nicht vorbei. Auch fehlte mir die automatische Kamera, die ich zuvor bei Uncharted 4 lieben gelernt hatte. Und so legte ich The Last of Us beiseite und verfolgte die News zu Part II nur ganz am Rande.

Eine Nachricht hat dann allerdings doch meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Wenige Wochen vor Release gaben Naughty Dog und PlayStation bekannt, dass, über die in Uncharted 4 etablierten Accessibility-Optionen hinaus, noch viele weitere Einstellungsmöglichkeiten implementiert wurden und The Last of Us 2 mit über 60 Accessibility-Optionen aufwarten wird.

All diese Optionen wurden über mehrere Jahre zusammen mit behinderten Spieler*innen entwickelt. Das machte mich dann doch extrem neugierig und so machte ich mich mit einem Let's Play des ersten Teils mit der Story und den Charakteren vertraut, um mit einer guten Basis in Part 2 starten zu können. Tatsächlich ist The Last of Us 2 das erste Triple-A-Game, das ich mir zum Release kaufte - Accessibility sells!


Zur Autorin:
Melanie Eilert beschäftigt sich mit Inklusion, Games und Musicals. Sie lebt mit Spinaler Muskelatrophie und cruist seit ihrem vierten Lebensjahr im elektrischen Rollstuhl durch die Welt. Auf ihrem Blog meilert.net und als @melly_maeh bei Twitter spricht sie über ihre Erfahrungen als behinderte Gamerin und alle Themen rund um Inklusion.

Dass ich dem Release dann schon fast ungeduldig, aber auf jeden Fall sehr aufgeregt, entgegen fieberte, lag an den überdurchschnittlich guten Accessibility-Bewertungen der englischsprachigen Seite caniplaythat.com, die ein Pre-Release-Review zu TloU 2 veröffentlichen durfte.

Das auf Accessibility spezialisierte Online-Magazin vergab sowohl im Bereich Accessibility für Gehörlose/schwerhörige Menschen als auch bei der Accessibility für blinde Menschen jeweils fast die höchste Wertung. Das Review für motorisch behinderte Menschen, was mich persönlich am meisten interessierte, ließ zu meinem Bedauern auf sich warten.

Das sind meine Erfahrungen mit den Accessibility-Optionen in The Last of Us Part 2

Die ?Accessibility-Einstellungen von TloU 2 sind im Vergleich zu Uncharted 4 um einiges umfangreicher. Die ?Accessibility-Einstellungen von TloU 2 sind im Vergleich zu Uncharted 4 um einiges umfangreicher.

Und so kam der Tag des Releases, bevor ich durch eine Einschätzung von anderen behinderten Spielenden meine zugegebenermaßen sehr hohen Erwartungen überprüfen konnte und ich startete unbedarft das Spiel.

Diese Optionen gibt es: Direkt zu Beginn wurde abgefragt, ob ich die Accessibility-Voreinstellungen für blinde, hörbehinderte oder motorisch behinderte Spielende aktivieren möchte und ich aktivierte die entsprechende Option. Danach tauchte ich noch tiefer in die Optionen ein, um zu sehen, welche Einstellungen dadurch vorgenommen wurden und ob es noch weitere Einstellungen gibt, die mich unterstützen könnten. Hier sind alle Einstellungen in der Übersicht.

Ich fand einige "alte Bekannte" aus Uncharted 4 wieder, wie die Kamerahilfe oder die Möglichkeit, dass fürs Zielen der gleiche Stick genutzt wird wie fürs Laufen oder auch dass Button-Mashing in Button-Halten umgestellt werden kann.

Daneben fand ich aber natürlich auch einige neue Features. Sehr hilfreich für mich war zum Beispiel, dass neben voreingestellten Controller-Belegungen auch individuelle Belegungen erstellt werden können. Leider klappt das nicht ganz so frei und individuell wie es auf den ersten Blick den Anschein macht. So können zum Beispiel Aktionen, die auf dem Steuerkreuz liegen, gar nicht neu zugewiesen werden.

Da ich das Steuerkreuz nur schwer drücken kann und auch nur mit sehr langsamer Reaktionsgeschwindigkeit, führte das dazu, dass ich über das ganze Spiel fast komplett auf den Einsatz von Sprengkörpern, Stein- oder Flaschenwürfen verzichtete und auch nur die Waffen nutzte, die ich per Schnellwechsel erreichen konnte.

Ein Ablenkungsmanöver mit Flasche oder Stein ist aufgrund unzureichender Tastenbelegung nicht für mich möglich. Ein Ablenkungsmanöver mit Flasche oder Stein ist aufgrund unzureichender Tastenbelegung nicht für mich möglich.

Dies führte zu einigen unnötigen Toden, wenn ich mal wieder nicht mit der passenden Waffe ausgerüstet war oder mir von allen gut geeigneten Waffen die Munition ausging, was insbesondere den Kampf gegen einen sehr robusten, unheimlich aggressiven und schnellen Infizierten zu einer Geduldsprobe machte. Auch waren mir dadurch Ablenkungsmanöver nicht möglich, um mich besser an Feinden vorbei schleichen zu können.

Manche Tasten sind kontextsensitiv mit verschiedenen Aktionen belegt. Grundsätzlich ist das gut, um die Anzahl der benötigten Tasten zu reduzieren, leider ist es jedoch nicht möglich, die Aktionen zu trennen und unterschiedlichen Tasten zuzuweisen. Dadurch konnte ich zum Beispiel Zielen, was ich gerne auf eine für mich besser zugängliche Taste gelegt hätte, nicht neu zuweisen und verlor mit zunehmender, zusammenhängender Spielzeit an Kraft und somit an Reaktionsgeschwindigkeit, da mich die vorbelegte Taste sehr anstrengte.

Hilfreiche Touchpad-Gesten mit Problemen beim Bogenschießen

Ein weiteres neues Feature, das wohl das hilfreichste für mich war, sind die Touchpad-Gesten. Bei der Controller-Belegung kann, statt einer Taste, auch einer Wischbewegung (nach links, rechts, oben sowie unten) eine Aktion zugewiesen werden. Das ermöglicht mir, vier Tasten zu ersetzen, an die ich üblicherweise nicht oder nur mit Anstrengung komme. Ich konnte so völlig mühelos beim Schießen den Abzug drücken oder einen Waffenschnellwechsel durchführen. Hoffentlich übernehmen das viele weitere Spiele.

Die Sehne des Bogens lässt sich mit den Touchpad-Gesten nicht spannen. Die Sehne des Bogens lässt sich mit den Touchpad-Gesten nicht spannen.

Doch auch hier ein kleiner Abzug in der B-Note: Beim Einsatz von Pfeil und Bogen musste ich feststellen, dass sich die Sehne nicht per Geste spannen ließ. Ich kann mir nicht ganz erklären, woran das liegt, denn grundsätzlich ist es schon möglich, die Geste als gedrückt halten zu benutzen. Die Anwendung vom Medikit, wo auch die Taste/Geste gehalten werden muss, klappte ohne Probleme. Die Problematik mit Pfeil und Bogen verhinderte häufig, dass ich mich unbemerkt durch feindliche Gebiete schleichen konnte.

Ärgerlich: Beim Schleichen durch hohes Gras, umringt von einer Gruppe Scars, wäre der Einsatz von Pfeil und Bogen sehr hilfreich gewesen. So versuchte ich, mich an einzelne Gegner*innen anzunähern und sie unbemerkt auszuschalten, doch früher oder später wurde ich immer entdeckt und es endete in einer Schießerei.

Innerhalb meiner ersten Spielstunden besuchte ich immer wieder mal die Optionen und stellte hier und da noch etwas um, bis ich die für mich besten Einstellungen gefunden hatte. Auch im späteren Verlauf probierte ich hin und wieder noch andere Sachen aus oder habe gezielt nach etwas gesucht.

The Last of Us 2 bietet immerhin die Möglichkeit, Kletterpassagen wie diese zu überspringen. The Last of Us 2 bietet immerhin die Möglichkeit, Kletterpassagen wie diese zu überspringen.

So musste ich zum Beispiel feststellen, dass ich mich nicht am Seil von der einen zur anderen Ebene schwingen und dann abspringen konnte. Hierfür gab es jedoch keine passende Einstellung und ich musste auf "Rätsel überspringen" ausweichen. Da dabei aber wirklich nur der Sprung geskippt wurde, war das nicht so schlimm.

Ein neuer Meilenstein für Accessibility in Games

Der Umfang an Möglichkeiten ist schier gigantisch und nur durch ausprobieren lässt sich das optimale Setup finden.

Rückblickend betrachtet, waren meine Erwartungen an die Accessibility ein wenig zu hoch und ich habe nicht "Das Barrierefreie Spiel™" bekommen. Dennoch habe ich es alleine durchspielen können, denn die umfangreichen Einstellungen, die The Last of Us Part II bietet, waren in jedem Fall hilfreich und haben mir das Spielen ermöglicht.

Neben der emotionalen Geschichte, die ich dadurch erleben konnte, ist es für mich, als Teil der Gaming-Community, auch sehr wertvoll, ein so stark diskutiertes Spiel selbstständig gespielt zu haben. Es wurden noch nicht alle Barrieren entdeckt und manche Lösungen funktionieren noch nicht uneingeschränkt, aber The Last of Us Part 2 wird ganz sicher und völlig zurecht ein neuer Meilenstein für Accessibility in Games.

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