Seite 2: Press F to F*** – Sex in Spielen... und warum er so unbefriedigend ist

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Gewalt ja, Sex nein

Diesem Prinzip folgt die Organisation bis heute und nimmt so Einfluss auf den weltweiten Spielemarkt, da in den USA entwickelte und vertriebene Titel ihrem Regelwerk folge leisten müssen. Auch Japan als bedeutsamer Spieleproduktions- und Absatzmarkt pflegt einen eher verhaltenen Umgang mit Intimität: Erotik ist dort zwar relativ gängig, wird im Gaming-Mainstream aber vorrangig durch knappe Kleidung und infantile Anzüglichkeiten zum Ausdruck gebracht. Außerhalb von Pornospielen ist Sex dort ebenfalls selten zu sehen.

Dass explizite Gewalt eher akzeptiert wird als ein ebensolcher Ausdruck von Intimität und Zuneigung, zeigte sich jüngst in The Last of Us Part 2, dessen drastischen, sich durch das gesamte Spiel ziehenden Darstellungen von Brutalität nur zwei kurze Sexszenen gegenüberstehen. Die explizitere der beiden wird gerahmt von Gewalt und auch der Sex selbst wirkt fast brutal, unangenehm. In einem ausgesprochen liebevollen, intimen Moment zwischen zwei anderen Figuren indes erfolgt der Schnitt, noch bevor sie ein einziges Kleidungsstück abgelegt haben.

Einen faden Beigeschmack erzeugt, dass ausgerechnet die Interaktion zwischen zwei queeren Figuren - Protagonistin Ellie und ihrer Freundin Dina - entsprechend zensiert wurde zumal deren Beziehung im Spiel eine weit größere Rolle einnimmt. Warum Naughty Dog sich für diesen Schritt entschieden hat, ist nicht bekannt.

Ein möglicher Grund: Es scheint, als dürfe Sex in seiner intimeren und expliziteren Form nur dargestellt werden, wenn er nicht nachahmenswert erscheint.

Ellies Gewalteskapaden dürfen, nein, müssen wir in The Last of Us 2 im Detail mitverfolgen, Sex mit Dina hingegen ist tabu. Ellies Gewalteskapaden dürfen, nein, müssen wir in The Last of Us 2 im Detail mitverfolgen, Sex mit Dina hingegen ist tabu.

Auch dort, wo romantische und sexuelle Beziehungen eine größere Rolle einnehmen, wird diesem wichtigen Teil des Annäherungsprozesses praktisch keine Bildschirmzeit zugestanden.

Spiele wie Dragon Age: Inquisition oder Assassin's Creed: Odyssey sind in diesem Sinne ebenso prüde wie ihre Vorgänger. Sie demonstrieren Fortschrittlichkeit zwar in der sexuellen Vielfalt, denn bi- und homosexuelle NPCs sind in Spielen dieser Machart immer häufiger anzutreffen, selbst Polygamie und Kink werden punktuell aufgegriffen.

Mehr zur Spielen mit queeren Hauptfiguren findet ihr übrigens hier:

Doch angesichts ihrer inhaltlichen Öffnung ist es umso bedauerlicher, dass diese Spiele formal nach wie vor erzkonservativ sind: Bringt man der Holden ein paar Kräuter oder Felle, führt das zu einer romantischen Zwischensequenz am Strand, bei der die Kamera direkt nach dem ersten Hautkontakt zum Sonnenuntergang schwenkt. Befriedigend ist das nicht.

Raum für Experimente

Dass sich das Medium in diesem Kontext kaum weiterentwickelt, hat ganz wesentlich mit Angst vor Risiken zu tun: Einerseits mit der Angst, für entsprechende Experimente mit höheren Alterseinstufungen abgestraft zu werden, was sich auf Spielverkäufe auswirken kann, und andererseits mit der Angst, zu scheitern.

Diese Angst ist nicht unberechtigt, denn beim Umgang mit einem so sensiblen Thema kann einiges schiefgehen, wie zahlreiche Titel im Laufe der Videospielgeschichte gezeigt haben. Scheitern ist aber wichtig für Fortschritt, denn der kann ohne Wagnisse nicht stattfinden.

In Hurt Me Plenty versohlen wir den Hintern unseres Partners. Wenn wir dabei aber seine Grenzen überschreiten, bestraft uns das Spiel, indem es sich für bis zu einen Monat deaktiviert. In Hurt Me Plenty versohlen wir den Hintern unseres Partners. Wenn wir dabei aber seine Grenzen überschreiten, bestraft uns das Spiel, indem es sich für bis zu einen Monat deaktiviert.

Raum dafür hat in den letzten Jahren glücklicherweise die Indie-Szene geschaffen, in der sich immer mehr Entwickler*innen an virtuelle Intimität heranwagen. Spiele wie Hurt Me Plenty, Ladykiller in A Bind oder In Tune zeigen, dass körperliche Nähe inhaltlich wie spielmechanisch vielfältige Formen annehmen kann, und sind deshalb eine wertvolle Inspiration nicht nur für Mainstream-Spiele, die Sexualität abbilden wollen, sondern für Spiele generell.

Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass Sex und Pornografie als Innovationsmotoren für massentaugliche Technologie dienen. Das ist nicht als Aufforderung misszuverstehen, künftig in allen Spielen elaborierte Sexszenen zu präsentieren. Dass sich etwa die Sims zum "Whoohoo" unter ihre Bettdecken zurückziehen, ergibt angesichts der teilweise sehr jungen Zielgruppe Sinn, und manchmal passt Sex einfach nicht in den narrativen Kontext. Er ist aber ein so zentraler Bestandteil der menschlichen Erfahrung, dass es sich lohnt, dieses Thema intensiver zu ergründen und mehr damit zu experimentieren.

Wenn Spiele wirklich erwachsen werden und wirken sollen, ist ein unaufgeregterer Umgang mit Sex ein wichtiger Schritt dorthin, er sollte zumindest einen ebenso selbstverständlichen Platz im Medium haben wie explizite Gewaltdarstellungen. Damit sind nicht nur Entwickler*innen und Publisher, sondern ausdrücklich auch Organisationen wie die ESRB gefordert, ihren Umgang mit digitalen Spielen zu überdenken. Von diesem Ziel jedoch sind wir leider noch weit entfernt.

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