Pro forma Stadt
Obwohl sich Gat Out of Hell spielerisch nicht so anfühlt, ist die Welt trotzdem wie eine Stadt aufgebaut. Ähnlich wie im Vorgänger (wo wir in einer VR-Simulation der Stadt Steelport unterwegs sind) erschafft auch das Spin-Off ein Großstadtabbild, nur eben in der Unterwelt. Von einer auch nur im Ansatz realistischen Metropole lässt sich da aber beileibe nicht reden - statt Passanten bevölkern verängstigte Zombies die Straßen (Darksiders lässt grüßen), die Polizei gibt's in Form von Höllendämonen, die mit Panzerwagen oder gigantischen Monstertrucks anrollen.
An nahezu jeder Straßenecke erwarten uns feindliche Geschütztürme, denen wir das Höllenherz entreißen müssen; generell können wir kaum fünf Minuten durch die Stadt laufen, ohne uns mit irgendwem feindlich auseinandersetzen zu müssen. Gelegentlich überrascht uns sogar ein besonders fieser Overlord, der in etwa so aussieht wie der Horned Reaper aus Dungeon Keeper 2. Für den brauchen wir dann nicht nur Feuerwaffen, sondern auch Spezialfähigkeiten. Heißt: Bodenstampfer, Einfrierstrahl, Supergeschwindigkeit, das kennt man aus dem Vorgänger. Neu und besonders wirksam gegen den Oberfiesling sind garstige Imps, die wir beschwören und auf ihn hetzen können.
Solche Fieslinge zu erlegen, ist aber nur eine von vielen Möglichkeiten, den Teufel auf uns aufmerksam zu machen. Denn das Höllenstädtchen wartet mit einer ganzen Reihe Herausforderungen auf: Rampage-Missionen, in denen wir möglichst viel zerstören, Rambulance-Abschnitte, in denen wir mit einem Krankenwagen einen Haufen Zombiepassanten umfahren, Checkpoint-Flugrennen für unsere neuen Schwingen, Survival-Aufträge, bei denen Gegnerwellen Gat und Kinzie ans Leder wollen - um nur ein paar Nebenmissionstypen zu nennen.
Darüber hinaus können wir auch noch einen der vier abgedrehten Gangbosse gegen Herrscher Satan aufwiegeln. Einer davon ist der historische Vlad Dracula, dem wir beim Ausbruch aus einem Gefängnis unter die Arme greifen. Das spielt sich wie eine simple Ballermission, gestaltet sich aber umso atmosphärischer. Denn der altehrwürdige Pfähler hat ein wenig den Verstand verloren, nachdem ihn ein Höllen-DJ jahrhundertelang mit Kinderliedern malträtiert hat.
Saints Row Light
Saints Row: Gat Out of Hell erbt vor allem zwei Dinge: den abgedrehten Humor und die spielmechanische Stoßrichtung, die die Reihe seit dem dritten Teil vom GTA-Klon hin zu einem Open-World-Ballerspielplatz führt. Und beides ist Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil der alberne Humor auch im neuen Ableger niemanden an Bord holen wird, der die Witze in den Vorgängern schon platt und doof fand. Fluch obendrein, weil die Spielerfahrung aus brachialer Dämonenschießerei und Flugakrobatik all jene hinter sich lässt, die die Gangmechaniken und GTA-Elemente der ersten drei Serienteile gut finden. Denn davon ist kaum noch etwas übrig.
Ein Segen ist es aber, dass die Spielereihe hiermit endlich ihre eigene Nische geschaffen und für Freunde des infantilen Humors wirklich was zu bieten hat. Die dürfen sich guten Gewissens auf derbe Gags unterhalb der Gürtellinie freuen. Die englische Vertonung hat uns zumindest in der Anspieldemo durchweg überzeugt, einige der Sprecher scheinen sich wirklich in der Hölle auszutoben, und die zahlreichen popkulturellen Anspielungen machen Kennern Freude.
Und auch spielerisch geht Gat Out of Hell in keine schlechte Richtung, nur eben in eine ungewohnte. Die offene Spielwelt bietet uns zig Möglichkeiten, unsere Superkräfte zum Einsatz zu bringen, die Kämpfe fordern gleichermaßen Spezialfähigkeiten und Feuerwaffen, das Verbessern unserer Skills durch sammelbare Energie-Orbs motiviert, und der stufenlose Wechsel zwischen Lauf- und Flugmodus (sowohl bei uns als auch bei manchen Feinden) sorgt für spannende Verfolgungsjagden.
Allerdings - und das ist das große Aber an Gat Out of Hell - darf man keinen vollwertigen Nachfolger erwarten. Das Spin-Off kann zwar gespielt werden, ohne dass dafür eines der Vorgängerspiele nötig ist, es ist aber kleiner als der vierte Teil, die Technik macht im Vergleich keinen großen Schritt nach vorne und in punkto Missionsdesign bietet Saints Row zwar Quantität, aber nicht unbedingt einen großen Qualitätssprung.
Denn abseits der Flugherausforderungen haben wir die meisten Auftragstypen in irgendeiner Form schon mal gesehen, nahezu jeder Konflikt wird mit Brachialballerei gelöst. Features wie Auto-Tuning und Klamottengestaltung fehlen komplett. Wir sind gespannt, ob es überhaupt richtige Hauptmissionen geben wird. Was wir in unserer Version spielen konnten, waren vor allem Nebenbeschäftigungen.
Saints Row: Gat Out of Hell wird wohl in erster Linie ein Spielplatz für all jene, die sich in den Sandbox-Abschnitten des Vorgängers bereits prächtig ausgetobt haben und nicht davor zurückschrecken, 20 Euro auszugeben, um die Erfahrung im neuen Gewand noch einmal zu erleben. Das Abenteuer von Gat und Kinzie treibt die Evolution der Serie zwar weiter und baut auf den Stärken auf, wird aber wohl an keiner Stelle revolutionieren.
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