Es hätte so schön sein können: Resident Evil 4, eines der bedeutendsten Horror-Spiele aller Zeiten, hätte einer der letzten großen, grafisch beeindruckenden PS4-Titel sein können. Es hätte God of War Ragnarök als das Spiel ablösen können, das die PS4 in Rente schickt.
Aber wie heißt es eben auch: Hätte, hätte, Kettensäge. Oder so ähnlich. Die Neuauflage hat nämlich mit einigen Problemen zu kämpfen, die das eigentlich schicke Remake ruckeliger und unschärfer erscheinen lassen, als es eigentlich sein müsste. So gesehen reizt das neue Resident Evil 4 die PS4 tatsächlich noch einmal voll aus, aber auf die unangenehmste Art und Weise.
Das haben wir getestet und Hinweis zur Bebilderung:
Unsere Analysen basieren auf Version 1.02 von Resident Evil 4 auf der PS4, also ohne Day-One-Patch. Zur PS4 Pro findet ihr weiter unten einen eigenen Abschnitt, der auf Informationen anderer Quellen beruht.
Eigenes Bildmaterial dürfen wir lediglich aus den ersten 15 Minuten des Spiels verwenden, auch wenn wir deutlich weiter gespielt haben. Die Performance und auch einige grafische Unterschiede in späteren Arealen können wir daher nicht bebildern, wir thematisieren sie aber im Text. Zur Veröffentlichung des Spiels am 24. März behalten wir uns vor, einige Screenshots auszutauschen, damit ihr einen Besserung Eindruck vom gesamten Spiel erhaltet.
Eine zu gute Performance wird Resident Evil 4 auf der PS4 zum Verhängnis
Ausgerechnet unser größter Kritikpunkt mag ein wenig verwirrend klingen: Die PS4-Portierung des Resident Evil 4-Remakes läuft auf der Last Gen-Konsole eigentlich verdammt gut. Zu gut. Im Gegensatz zu vielen anderen, grafisch aufwendigen Titeln haben die Entwickler*innen die Bildwiederholrate nicht bei 30 fps begrenzt, sondern freigeschaltet.
Die PS4 rendert also so viele Frames wie möglich heraus, erreicht zu unserem Leidwesen aber nur in einem geheimen Mini-Spiel wirklich konstante 60 fps. Abseits dieses kleinen, vom Rest des Spiels abgetrennten Gebiets schwankt die Bildwiederholrate jedoch extrem in einem Bereich von 40 bis 50 fps, weshalb so gut wie nie ein halbwegs stabiler, flüssiger Eindruck entsteht.
Hier ein Beispiel unserer Messungen in der Nähe des anfänglichen Dorfs:
Dabei wäre die Lösung so einfach: Wie zuvor erwähnt, riegeln viele Studios die Bildwiederholrate bei 30 fps ab, und das aus gutem Grund. Auch wenn durchgehend weniger Bilder als jetzt bei Resident Evil 4 ausgegeben werden, ist eine stabile 30er-Framerate weitaus angenehmer für die Augen. Möglicherweise hat Capcom aber darauf verzichtet, da ein 30 fps-Lock mit vielen technischen Hürden verbunden ist.
Die Taktung, mit der die Bilder ausgegeben werden, ist entscheidend: Für flüssiges 30 fps-Gameplay muss in dem 60 Hertz-Signal, das die PS4 ausgibt, auf ein frisches Vollbild immer ein gleiches Duplikat folgen. Diese Verteilung ist aber gar nicht so leicht zu realisieren, da das Rendern einzelner Bilder unterschiedlich lang dauert.
Verpasst ein Frame die gewünschte Taktung auch nur leicht, muss die Spiele-Engine darauf reagieren, indem es die Zeit bis zum nächsten Bild verkürzt, um bei 30 fps zu bleiben. Daraus kann ebenfalls wieder ein Zuordnungsfehler beim nächsten Frame resultieren, was zu einem ordentlichen Geruckel führt. Der unheimliche Action-RPG-Meilenstein Bloodborne ist beispielsweise für seine inkonsistente Frame-Verteilung (sogenanntes "Pacing") berüchtigt, Wo Long: Fallen Dynasty litt aber auch jüngst auf der PS4 darunter.
Die Framerate freizuschalten ist dagegen die weitaus simplere Methode, weshalb sie häufig bei 3D-Spielen verwendet wird. Das Original von Resident Evil 4 hatte auf PS3 und Xbox 360 zum Beispiel auch mit Schwankungen zu kämpfen, aber muss das wirklich noch bei einem Remake aus dem Jahr 2023 sein?
Der Idealfall wäre also eine 30 fps-Begrenzung, die die ausgegebenen Bilder optimal im TV-Signal verteilt. Selbst wenn sie nur als Option eingebaut wird, wie vor kurzem in Hogwarts Legacy. Möglich sein sollte es, immerhin bietet die PC-Version (wie auch schon zuvor bei den Remakes von Resident Evil 2 und 3) einen solchen Begrenzer.
Zumal die Performance auf der PS4 so gut wie immer ausreicht! Selbst unsere niedrigsten Messungen lagen immer noch über 30 fps:
Mit einem Begrenzer würden vielleicht sogar noch ein paar Ressourcen für eine höhere Auflösung freiwerden, denn die PS4-Fassung von Resident Evil 4 wird nicht in Full HD, sondern in 900p berechnet. Die Differenz ist zwar nicht groß, aber selbst ein kleiner Schärfegewinn wäre eine tolle Sache, immerhin wirkt das Spiel aus einem anderen Grund häufiger verwaschen…
Etliche Texturen haben heftigere Verspätungen als die Bahn
"Remake oder Remaster?" – Diese Frage haben wir uns einige Male gestellt, als wir Screenshots der PS4-Version betrachtet haben, auf denen die Texturen noch nicht geladen waren. Mal dauerte es fünf Sekunden, bis die Rinde eines Baumes erkennbar war, mal blieb eine eingerissene Stahlbetonwand länger als zwanzig Sekunden ohne bröckelige Risse.
Das Resident Evil 4-Remake erinnert dann an das Original, hat sogar kurzzeitig einen noch geringeren Detailgrad. Die niedrigste Detailstufe bildet nämlich nur rudimentär ab, was eigentlich dargestellt werden soll.
Hier seht ihr den Unterschied an einer Steinmauer:
Klar, die PS4 hat nicht den stärksten Prozessor und verfügt auch nur über einen geringen Speicherdurchsatz, solch ein Grafikbrett wie das Resident Evil 4-Remake sollte aber dennoch besser optimiert sein! Erst recht, wenn die zeitgemäße Optik eines der Kaufargumente im Vergleich zum Original ist. Wir sprechen immerhin von teilweise 20 Sekunden! Wer bleibt denn so lang vor einer Textur stehen? Genau, niemand!
So performt die PS4 Pro:
Zur PS4 Pro-Version konnten wir aus technischen Gründen leider keine eigenen Daten sammeln. Videos aus der Demo von Youtubern wie ElAnalistaDeBits zeugen jedoch von einer 60 fps-nahen Framerate im Performance-Modus, bei dem die Auflösung auf niedrige 1080p reduziert wurde.
Der Auflösungsmodus ist hingegen im Bereich von schärferen 1440p angesiedelt, er erzielt allerdings nur selten die 40 fps-Marke, fühlt sich also noch ruckeliger an als die herkömmliche PS4-Version, die keine Modi zur Wahl stellt.
Auch auf der PS4 Pro laden zahllose Texturen zum Teil sehr spät, der Detailgrad ist deckungsgleich mit der Standardfassung für die PS4.
Grafische Unterschiede im Vergleich mit der Current Gen
Im Gegensatz zur PS4-Version des eingangs erwähnten God of War Ragnarök muss die Portierung des Resident Evil 4-Remakes auf der Last Gen-Konsole Federn lassen. Am auffälligsten sind die Unterschiede bei der Beleuchtung sowie dem quasi allgegenwärtigen Nebel:
In der Spielwelt werden an unzähligen Stellen außerdem keine Schatten auf der PS4 geworfen, wohl um Rechenleistung zu sparen. Verbleibende Schatten werden jedoch schön dynamisch dargestellt und lösen auch fein auf.
Sowohl die fehlenden Schatten als auch die qualitativ schlechtere Beleuchtung lassen Resident Evil 4 auf der PS4 kontrastärmer und auch weniger unheimlich wirken.
Hinzu kommen noch Reflexionen, die auf der PS4 ziemlich einfach gehalten wurden:
Und auch in weiteren Faktoren ist die Last Gen-Version unterlegen:
- Der Sound ist etwas blechern
- Animationen werden auf mittlerer bis großer Distanz in halbierter Framerate abgespielt
- Büsche und Sträucher knicken nicht mehr weg, wenn Leon sie berührt
- Die Vegetation ist weniger dicht
- Der Boden ist nicht so uneben und zerfurcht
- Pop-In bei Schatten und Umgebungsdetails wie Felsen ist sehr deutlich
- Haarsträhnen verpixeln ab und an sehr grob
- Wasser wird viel simpler simuliert und wirkt dadurch zäher bei der Durchfahrt
- Icons im Inventarkoffer sind stark verwaschen
- Leon und seine Gegner werfen nur manchmal einen Schatten
Resident Evil 4 ist kein Totalausfall und könnte richtig gut sein!
Ja, das waren jetzt ganz schön viele Punkte, die gegen die PS4-Version von Resident Evil 4 sprechen. Wir wollen aber klarstellen: Es handelt sich nicht um eine visuell schlechte Portierung und sie ist alles andere als unspielbar!
Unter der schwankenden Framerate und den viel zu spät ladenden Texturen steckt nämlich ein moderner Klassiker, der auch auf der Last Gen sehr gut aussieht und komplett ohne spielerische Bugs ausgeliefert wird.
Die Charaktermodelle sind absolut erstklassig:
Lichtstimmungen wurden großartig gesetzt:
Und der allgemeine Detailgrad ist immens hoch:
Fazit:
Wären die angesprochenen Probleme nicht, würdet ihr wahrscheinlich einen Artikel lesen, der voller Lob steckt und lediglich kleine, aber logische Änderungen beleuchtet. Stattdessen mussten wir ganz schön viel meckern, zumindest sofern Capcom nicht noch bis zum Release nachbessert. Wir haben beim Publisher nachgefragt, ob die Probleme bekannt sind und ob der angekündigte Day-One-Patch sich ihnen annimmt.
Die Antwort stimmt uns aber nicht gerade erwartungsvoll:
„Das Spiel wurde für die Hardware der PlayStation 5 entwickelt. Das Team hat sein Bestes gegeben, um sicherzustellen, dass alle Spiel-Features mit so wenigen Kompromissen wie möglich auf der PS4 vorhanden sind. Die Realität ist jedoch, dass zwischen den Konsolengenerationen technische Unterschiede bestehen, was sich in der Spielerfahrung des jeweiligen Systems äußert.“
Wir bleiben natürlich dran und hoffen, dass die gröbsten Fehler mit Updates ausgemerzt werden.
Werdet ihr euch Resident Evil 4 auf der PS4 kaufen oder habt ihr die PS5- beziehungsweise Xbox-Version im Visier?
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