Als die PlayStation 1995 in Deutschland erschien, stach sie die Konkurrenz im Handumdrehen aus. Nicht nur brachte sie 3D-Grafik auf dem Niveau von leistungsfähigen Arcade-Automaten ins Wohnzimmer, mit einem Startpreis von 600 DM war sie außerdem ein Stückchen günstiger als die damalige Konkurrenz, also der SEGA Saturn, der für 700 DM verkauft wurde.
Außerdem war die Hit-Dichte enorm: Entwickler*innen fiel es leicht, für die PlayStation 1 zu produzieren, da ihre Architektur von Sony bewusst simpel gehalten wurde. Eine für die entwickelnden Teams leicht verständliche Technik sorgte für einen zuverlässigen Nachschub an großartigen Titeln, mit denen Fans der PlayStation rechnen konnten.
Hier findet ihr unsere Favoriten:
In einigen Punkten mussten Entwickler*innen dennoch tricksen, da die PlayStation 1 technische Limitierungen mitbrachte. Diese prägten entscheidend den Look aller Spiele und trugen zum ikonischen Gesamtbild bei.
1. Eigentlich hat die PlayStation Dreidimensionalität gar nicht verstanden
Obwohl die PlayStation 1 3D-Spiele inszenierte, war es ihr nicht möglich, Tiefe zu berechnen. Für einen dreidimensionalen Raum ist diese aber entscheidend. Damit wir dennoch 3D-Grafik zu Gesicht bekamen, griffen Entwickler*innen auf einen genialen Kniff zurück.
Objekte wurden in PS1-Spielen stets von hinten nach vorn in die Szene geladen, in etwa so, als würde man einer kunstschaffenden Person beim Malen zuschauen. Diese erstellt erst den Hintergrund und fügt dann weitere Schichten hinzu, die sich den Betrachtern nach und nach annähern, um eine glaubwürdige Perspektive zu erzeugen. Passenderweise spricht man daher vom "Maleralgorithmus":
Ein großer Nachteil des Maleralgorithmus ist, dass überlappende Objekte in Spielen ineinander clippen können. Habt ihr euch schon einmal die legendäre T-Rex-Demo angesehen, dann ist euch vielleicht aufgefallen, dass die Beine des Dinosauriers in seinen Bauch ragen. Da die korrekte, dreidimensionale Position der Körperteile nicht ermittelt werden kann, befinden sie sich praktisch auf demselben Platz.
2. Perspektivisch falsche Texturen
Da die PS1 die Tiefe einer Szene nicht kalkulieren kann, fehlt ihr die Grundlage für eine perspektivisch korrekte Darstellung der Spielwelt. Stattdessen wabern Texturen wild umher, verschieben sich ständig. Am Beispiel von Gran Turismo 2 wird der Effekt gut sichtbar. Die Bandenwerbung ist völlig verzerrt, gerade Linien bei Zäunen, Streckenrandmarkierungen und Häusern sucht man vergebens:
Die Verzerrungen entstehen, da die PS1 lediglich mit Zweidimensionalität umgehen kann. Damit dennoch eine Tiefenwirkung entsteht, wird die Krümmung für einzelne Bestandteile einer Textur geschätzt. Das geschieht so grob, dass sich die einzelnen Stücke so stark voneinander unterschieden, dass sie komplett unzusammenhängend wirken.
3. Viele Polygone und doch zu wenig
Die damals beeindruckendee T-Rex-Demo soll uns in diesem Artikel nicht nur als Beispiel eines technischen Makels dienen. Der in Echtzeit gerenderte Dinosaurier versetzte Spieler*innen, aber auch Entwickler*innen in Staunen, da sich sein Modell aus zigtausenden Polygonen zusammensetzte.
Genau genommen konnte die PlayStation 1 eine Szene mit knapp 360.000 Polygonen pro Sekunde füllen, bei einem Spiel in 30 fps entspricht das 12.000 Polygonen für jeden einzelnen Frame. In der Praxis lag die Zahl aber klar niedriger, da noch viele weitere Bestandteile eines Spiels berechnet wurden, etwa Texturen und deren Farbinformationen.
Zum Vergleich:
Ein dreidimensionales Super Nintendo-Spiel wie Star Fox schaffte es laut der Fan-Seite Anthrofox auf circa 15.000 Polygone - wohlgemerkt je Sekunde. Die PS1 konnte dieselbe Menge in wenigen Frames unterbringen.
Das Charaktermodell von Spyro aus Spyro the Dragon wurde beispielsweise aus 411 Polygonen erstellt, Leon aus Resident Evil 2 schafft es auf fast die doppelte Menge, wie der Spieledesigner Jaybee auf Patreon schreibt. Wirklich detailliert sind beide nicht, dafür ist die Polygonanzahl noch immer zu niedrig.
Im Kern konnte die "Geometry Transformation Engine" der PS1 unzählige Polygone in kürzester Zeit berechnen, praktisch sind das aber immer noch viel zu wenig, um komplexe Charaktere darzustellen.
4. Zittrige Charaktere
Die Hauptfiguren in PS1-Spielen sind aber nicht nur sehr simpel modelliert, sie zittern und ruckeln zudem ständig hin und her. Verantwortlich dafür ist das Fehlen einer Einheit für Fließkommaberechnungen. Damit könnten Bewegungen berechnet werden, die kleiner als ein ganzer Pixel sind, bei der PlayStation 1 fehlt die Möglichkeit jedoch komplett.
So sieht das in der Fan-Umsetzung von Bloodborne im PS1-Stil aus:
Link zum Twitter-Inhalt
Rutscht ein Teil des Charaktermodells nur einen Pixel weiter, verschieben sich alle Pixel eines dargestellten Polygons ruckartig. Da bei vielen Spielen kleinste Bewegungen dargestellt werden, schnappen Pixel ständig von einem Ort zum nächsten, wodurch der zittrige Eindruck entsteht.
5. Krümelige Farbverläufe
Texturen konnten bei der PlayStation mit einer 24-Bit-Farbpalette, also 16.777.216 Farben dargestellt werden. Um die Belegung des Videospeichers klein zu halten, kam praktisch aber nur eine 15-Bit-Palette, sprich 32.768 Farben zum Einsatz. Eine solch geringe Anzahl an Farben würde dazu führen, dass weiche Farbübergänge als harte Bänder dargestellt werden – man spricht dann von "Color Banding".
Mit dem sogenannten “Dithering” kann man dem effektiv entgegenwirken. Bei der Methode werden zwei Farben miteinander vermischt, indem sie zu einzelnen Punkten aufgelöst werden. Das menschliche Auge nimmt die einzelnen Bildpunkte als zusätzliche Mischfarbe beziehungsweise sanften Verlauf wahr.
So ziemlich jedes Spiel verwendete die Technik. Das Besondere an der PlayStation war, dass sie nicht von den Entwickler*innen, sondern automatisch von der Hardware umgesetzt wurde. Die wohl besten Beispiele sind:
6. Pixel, überall Pixel!
Spiele für die PlayStation 1 waren stets gestochen scharf, zum Teil zu einem Grad, an dem die Grafik pixelig oder auch rauschig erscheint. Texturen wurden stets in der höchsten Qualität, so hochwertig sie bei einer maximalen Render-Auflösung von 640 mal 240 Pixeln eben sein konnten, dargestellt.
Bei allen 3D-Konsolen nach der PS1 kam hingegen sogenanntes “Mip-Mapping” zum Einsatz. Dabei werden niedrig aufgelöste Varianten von Texturen abhängig von der Distanz zur Kamera eingesetzt. Das kann bei einem knapp bemessenen Videospeicher für viel Unschärfe sorgen, so wie es beim N64 passierte, bei der PS1 sorgte das Fehlen von Mip-Mapping im Gegensatz dazu aber für eine fast schon übertriebene Bildschärfe.
7. Statische Beleuchtung
Bei PlayStation-Spielen kam ein ziemlich einfaches Beleuchtungssystem zum Einsatz. Den Eckpunkten von Polygonen wurden Farben zugewiesen und die Zwischenräume dann mit Verläufen gefüllt. So konnte man den Eindruck von Schattierungen erwecken. Eine weitere Methode war es, Lichter und Schatten direkt in die Texturen zu malen.
Mit einem Trick konnte man aber auch eine dynamische Beleuchtung erzeugen: Die PlayStation konnte die Farbinformationen in den Eckpunkten von Polygonen auch dynamisch anpassen, jedoch nur für eine globale „Lichtquelle“. Dabei wurde die Helligkeit für einen bestimmten Bereich hochgedreht.
Ein gutes Beispiel dafür ist Silent Hill, bei dem die Taschenlampe als einzige Lichtquelle in einer Szene Einfluss auf die Umgebung nehmen kann:
8. Blockige Videos
Die PlayStation konnte Videos in der Hardware dekodieren und so spannende Zwischensequenzen abspielen. Es kam dabei jedoch nur ein recht einfacher Standard zum Einsatz, der das Signal stark komprimierte. Bei PS1-Titeln wurden Videos mit einer Auflösung von 320 mal 240 Pixeln in 300 Blöcke aufgeteilt, die man mit einem scharfen Blick auch gut erkennen kann.
So sieht das im Intro von Ridge Racer Type-4 aus:
Bei der PlayStation 1 war die Technik also längst nicht perfekt, für einen damals konkurrenzfähigen Preis stellte Sony den Spieler*innen jedoch potente Hardware zur Verfügung, für die auch noch leicht entwickelt werden konnte, wodurch es unzählige Top-Spiele auf die Plattform schafften. Mit ein paar Abstrichen musste man leben, aber ganz ehrlich – wer wollte sich die an sich tolle 3D-Grafik entgehen lassen?
Hässliche Platinum-Hüllen und mehr: Passend zum Thema nennt Linda in diesem Artikel PS1-Marotten, die heute zum Glück Geschichte sind.
Die Grafik welches PS1-Spiels hat euch damals richtig aus den Socken gehauen?
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