Eine neue Woche, ein neuer Mega-Deal in der Gaming-Branche. Kaum haben wir uns halbwegs von Microsofts Kaufrausch erholt, die beinahe 70 Milliarden US-Dollar für Activision Blizzard auf den Tisch legten, greift nun auch Sony tief in die Tasche und verkündet die Absicht, die Destiny 2-Macher von Bungie zum Kaufpreis von umgerechnet 3,2 Milliarden Euro zu übernehmen. Aber ist die Akquise der Shooter-Expert*innen jetzt Sony PlayStations große Antwort auf die anhaltende Exklusiv-Expansion von Xbox? Nein, aber genau deshalb ist der Deal auch so spannend.
Bungie bringt Expertise, keine Exclusives
Die Fakten im Überblick: Die geplante Akquise von Bungie ist schon deshalb keine Reaktion auf den Kauf von Activision Blizzard, weil die Gespräche zwischen Sony und Bungie bereits seit Monaten stattfinden. Auch wenn Großkonzerne wie Sony und Microsoft durchaus das nötige Kleingeld haben – Studioübernahmen sind keine Impulskäufe. Tatsächlich soll sich Bungie in jüngerer Vergangenheit auch mit Microsoft über ein Xbox-Comeback der Halo-Erfinder unterhalten haben. Den Zuschlag bekam jetzt aber Sony.
Hannes Rossow
@Treibhausaffekt
Hannes verfolgt die Strategien von PlayStation und Xbox mit großem Interesse und sieht einen klaren Trend. Spieler*innen auf die eigene Hardware-Plattform zu locken ist nur noch von sekundärem Interesse. Cloud Gaming und Co. sorgen dafür, dass historische Konsolengrenzen aufgeweicht werden und “PlayStation” und “Xbox” zukünftig anders zu denken sind.
Aber auch ganz unabhängig vom allgemeinen Wettrüsten der beiden Konsolenhersteller: Dass sich Sony jetzt Bungie ins Boot holt, ist keine (direkte) Kampfansage an Microsoft. Der Deal ist nicht die Exklusiv-Offensive, für die ihn manche Spieler*innen vielleicht halten. Stattdessen zeigt diese Entscheidung Sonys Einsicht, dass Exclusives nicht alles sind und ein verzweifelter Wettstreit um die meisten Exklusivtitel kein Duell ist, das Sony gewinnen kann. Bungie bleibt Multiplattform und das ist genau das, was Sony PlayStation jetzt braucht.
Mehr als nur Prestige
In der PS3- und PS4-Ära hat Sony PlayStation das eigene Image penibel gepflegt. Die PlayStation-Marke stand über Jahre hinweg für technisch ausgereifte, aufwändig produzierte Exklusiv-Blockbuster, die von Fans und Kritikern gleichermaßen gefeiert wurden. Dass es Titel wie The Last of Us nur auf der PS3 gab und Horizon Zero Dawn nur auf der PS4 waren attraktive Kaufgründe für PlayStation-Konsolen. Das Prestige dieser Titel verlieh PlayStation den Ruf, ein unschlagbares Exklusiv-Lineup zu besitzen.
Und ja, auch auf der PS5 ist dieses Geschäftsmodell noch immer deutlich zu spüren. Releases wie Horizon Forbidden West oder God of War Ragnarök werden dabei helfen, die Konsolenverkäufe weiter anzukurbeln. Übernahmen von kleineren Studios wie Housemarque deuten zudem ein fortdauerndes Investment an, Titel bieten zu können, die es nur auf PlayStation gibt. Aber auch Sony ist Marktveränderungen unterworfen und die Frage steht im Raum: Wie kann PlayStation auch abseits dieser risikobehafteten Langzeitprojekte florieren?
Eine frühe Antwort war es, bisherige PlayStation-Exclusives auch auf dem PC anzubieten. Noch vor ein paar Jahren undenkbar, mittlerweile recht üblich in Sachen PlayStation Studios. Über das aufgebaute PS-Publikum hinauszudenken und noch mehr Spieler*innen zu erreichen klingt wie ein logischer Schritt, hätte früher aber nicht zu den harten Grenzen des Ökosystems gepasst. PlayStation ist, wenn du eine PlayStation hast.
PlayStation ohne Grenzen
In einem Statement betonte Bungie-CEO Pete Parsons, dass sich an der Firmenphilosophie durch die SIE-Übernahme nichts ändert – man bleibe kreativ unabhängig und wolle an generations- und plattform-übergreifenden Videospielerfahrungen arbeiten. Destiny 2 (oder irgendwann Destiny 3) wird nicht PlayStation-exklusiv. Auch kommende Bungie-Spiele – hier spricht Parsons schon von “kommenden neuen Welten” – werden voraussichtlich auf Xbox-Konsolen spielbar sein. Dieses Zugeständnis an Bungie macht deutlich, dass Sony hier gar nicht an das eigene Exklusiv-Portfolio denkt, sondern an etwas anderes: Games as a Service.
Der Trend zu Live-Service-Spielen, die über Jahre hinweg mit Updates versorgt werden und die vor allem wiederkehrende Einnahmen durch Mikrotransaktionen versprechen, ist alles andere als neu. Und dennoch hat Sonys Prestige-Ansatz dazu geführt, dass sie hier bislang nicht partizipieren konnten. PlayStation-Spiele sind in der Regel in sich abgeschlossene Singleplayer-Abenteuer, die über das Vollpreis-Angebot und mögliche DLCs keine weiteren Umsätze garantieren. Sie schaffen zwar neue PlayStation-Besitzer*innen – aber wer schon Marktführer ist, muss sich woanders nach Wachstum umschauen.
PlayStation-CEO Jim Ryan gibt die Marschrichtung für die Zukunft der Marke in einem Interview mit gamesindustry.biz vor:
Ich habe schon viel darüber geredet, dass wir die Größe der PlayStation-Community erweitern und außerhalb der historischen Konsolengrenzen expandieren wollen. Das kann viele Formen annehmen. [...] Wir beginnen jetzt, Multiplattform zu gehen, das hat man bereits sehen können. Wir haben einen aggressiven Zeitplan hinsichtlich Live Services. Und die Gelegenheit, mit den brillianten und talentierten Personen von Bungie zu arbeiten und von ihnen zu lernen … das wird unsere Reise, auf der wir uns gerade befinden, beträchtlich beschleunigen.
PlayStation wird neu gedacht – weg von einer Hardware-Plattform, hin zu einer Marke, die überall da operiert, wo die Leute spielen. Und das ist der Philosophie Microsofts nicht ganz unähnlich, nur dass die Xbox-Marke hier schon viel weiter ist. Für Sony heißt das jetzt erst einmal die Teilhabe an einem Geschäftsmodell, das auf inhaltlichen Support reichweitenstarker Multiplayer-Titel ausgelegt ist und das eben auch auf fremden Plattformen.
Und die von Ryan angesprochene Zeitplan ist tatsächlich aggressiv: Laut dem aktuellen Finanzbericht sollen bis März 2026 gleich 10 Live-Service-Spiele aus dem Hause Sony PlayStation an den Start gehen.
Mit Destruction AllStars gab es zuletzt einen eher mäßig erfolgreichen Versuch, sich mit Multiplayer-Ansätzen auszuprobieren:
Das PlayStation von morgen
Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Sony mittelfristig Abstand von First Party-Blockbustern nehmen wird, auch wenn hier vergleichsweise weniger stark investiert werden könnte. Aber das Ziel von CEO Jim Ryan ist klar: PlayStation muss mehr sein als nur die eigene Hardware. Abo-Dienste, Streaming und Cloud Gaming werden immer tiefer in den Markt vordringen und Konsolengrenzen aufweichen. Wenn es nach Microsoft ginge, würden wir vermutlich ohnehin schon auf jeder Mikrowelle oder Smart TV den Game Pass laufen haben – dafür braucht es keine Xbox.
So weit ist Sony (noch) nicht. Aber das Umdenken, was “PlayStation” eigentlich bedeuten soll, findet dennoch statt. Und das ist natürlich spannend, denn schließlich bedeutet das, dass die üblichen Third-Person-Action-Adventures, für die wir Sony kennen, jetzt andere Genres und Gameplay-Konzepte an die Seite gestellt bekommen. Naughty Dogs geheimnisvolles Multiplayer-Projekt ist hier nur der erste Schritt – ein Arena-Shooter mit Ranked Matches unter dem PlayStation Studios-Branding auf PS5 und Xbox Series X könnte aber vielleicht schon der nächste sein – und vielleicht kommt der sogar von Bungie.
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