Täter trainiert – in einem 2D-RPG?
Im September 2007 ereignet sich im kanadischen Montreal ein weiterer Amoklauf. Der 25-jährige Kimveer Singh Gill verletzt 19 Menschen und tötet einen Mitschüler, bevor er sich selbst erschießt. Im Internet gab der Täter an, dass Super Columbine Massacre RPG! eines seiner Lieblingsspiele sei. Massenmedien, Poltiker und Elternverbände schießen sich auf Dannys Ledonnes Spiel ein: Der Täter habe darin trainiert, er sei durch die Glorifizierung ermutigt worden, es Eric und Dylan gleich zu tun.
Reichlich absurde Vorstellungen, wenn man sich die pixelige 2D-Grafik von Super Columbine Massacre RPG! anschaut. Auch eine Stilisierung der Täter zu Märtyrern sucht man vergebens, dann am Ende des Spiels landen sie in der Hölle, wo sie gegen Charaktere aus der Popkultur (z.B. Pikachu, Bart Simpson, Mega Man, Mario) sowie der Geschichte (z.B. Malcolm X, Ronald Reagan, John Lennon) antreten müssen.
Super Columbine Massacre RPG! ist also ein Fantasieprodukt. Trotzdem vermerken einige Journalisten, dass es wohl die akkurateste Faktensammlung über den Amoklauf sei. Wer das gleiche Wissen darüber aus klassischen Massenmedien holen will, der muss es mühsam zusammensuchen.
Ende 2006 wird das Spiel für die »Guerrilla Gamemaker Competition« des Slamdance Filmfestivals in Utah nominiert, zusammen mit Beiträgen wie Braid, flOw und Castle Crashers. Die Jury sieht in Dannys Titel eine legitime Aufarbeitung der Vorkommnisse von Columbine. Super Columbine Massacre RPG! sei ein Schritt in Richtung ernster Spielen, die nicht nur unterhalten sollen, sondern auch unangenehme Themen ansprächen.
Völlig überraschend wird das Spiel dann aber vom Festivalchef Peter Baxter aus dem Programm genommen, ohne dass er Gründe dafür nennen möchte. Es kommt zum Eklat: Aus Solidarität ziehen die andern Entwickler ihre Titel ebenfalls zurück, Juroren distanzieren sich öffentlich von der Festivalleitung. Es war das Ende der Gamemaker Competition. Preise für Videospiele werden auf dem Slamdance Festival seitdem nicht mehr verliehen.
Danny, inzwischen Filmstudent am Emerson College in Boston, beschließt daraufhin, die Dokumentation »Playing Columbine« zu drehen, in der er seine Sicht der Dinge darstellen möchte. Damit ist ihm nebenbei ein Manifest für erwachsenere Videospiele und das Recht auf freie Meinungsäußerung gelungen. Ein Film, der nicht nur für Spieler interessant ist.
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