Mit Nier: Replicant erscheint eine aufpolierte Neuauflage von Nier, dem Vorgänger zum Action-Rollenspiel-Hit Nier: Automata, für PS4 und Xbox One. Dabei bedient sich das Action-Adventure mit Rollenspielelementen der gleichen Erfolgsformel aus melancholischem Zukunftsszenario samt spannender Handlung und krachenden Echtzeitkämpfen. Ebenso zelebriert Replicant die aus Automata bekannten Bullet-Hell- und Twinstick-Shooter-Passagen.
Trotz vieler sinnvoller Anpassungen im Vergleich zum Original hat es Entwickler PlatinumGames aber verpasst, die halboffene Anime-Spielwelt an heutige spielerische Ansprüche anzugleichen. Dadurch läuft das Remake vor allem bei Neulingen Gefahr, lediglich durch seine mitreißende Hauptgeschichte und die so besondere Atmosphäre zu begeistern.
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Zu dritt gegen die Runenpest
Nier Replicant spielt die meiste Zeit in einer ins Mittelalter zurückgefallenen Welt des Jahres 3461. Hier übernehmen wir die Rolle des integren Nier, der ist ein junger, im Laufe der Story heranwachsender Krieger, der sein Leben dem Kampf gegen die tödliche Runenpest verschrieben hat.
Dabei geht es ihm vor allem um die Rettung seiner kleinen Schwester Yonah, die seit Längerem Symptome der mysteriösen Krankheit zeigt. Während seiner Suche nach einem Heilmittel trifft Nier auf das umher flatternde, sprechende Magiebuch Grimoire Weiss; etwas später gesellen sich noch die charismatisch-brummelige Kainé sowie der vereinsamte kleine Emil hinzu, der zu Kainé eine geschwisterähnliche Beziehung entwickelt. Alle drei stehen Nier mit Schwert und Magie, aber auch mit einer sprichwörtlich hinterher hinkenden KI mehr oder weniger zur Seite.
Im Verlauf der Story zieht das Bruder-Schwester-Drama immer größere Kreise, bis es um eine fast schon biblische Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse geht. Letzteres mag zunächst abgedroschen klingen, dank der eindringlichen Erzählweise und einiger (für Nicht-Kenner) unerwarteter Wendungen hören wir die Spannung aber vom Prolog an knistern.
Zu den toll geschriebenen Dialogen wollen die durchweg plumpen "Nebengeschichten" allerdings gar nicht passen. Schließlich machen wohlfeile Formulierungen das Besorgen von fünf Ziegenfellen und drölfzig Stücken Hammelfleisch nicht spannender. Manche Auftraggeber schicken uns sogar zweimal hintereinander von A nach B und wieder zurück. Was den einen oder anderen dazu veranlassen dürfte, allein den Hauptfaden zu spielen.
Die Neuerungen im Vergleich zum Original
Bessere Optik: Die teils etwas weitläufigeren Areale wie auch sämtliche Charaktermodelle wurden grafisch überarbeitet. Die Qualität schwankt allerdings; besonders der Prolog wirkt insgesamt veraltet.
Zusätzliche Szenarios: Neben neuen Albträumen für Nier sowie einigen Automata-Referenzen ist die Nebengeschichte "Meerjungfrau" hinzugekommen, die auf dem nur in Japan veröffentlichten Buch "Grimoire Nier" basiert.
Knackigere Kämpfe: Waren die Scharmützel im Original noch ein Schwachpunkt, machen sie in Replicant dank guter Kontrollierbarkeit eine ordentliche Figur. Nahkampfangriffe und Magie lassen sich nun flüssig kombinieren, Gegner auskontern und parieren. Einzig in die Luft getragen werden die Gefechte unpräziser.
Neu arrangierter Soundtrack: Die Hauptthemen der aus Nier bekannten Stücke - darunter "Emil's Song" - sind leicht verändert worden, außerdem sind einige neue Stücke hinzugekommen.
Voll vertonte Dialoge: Die Gespräche zwischen den Charakteren wurden für Nier: Replicant komplett neu aufgenommen. Dadurch hat sich auch die Güte der Synchronisation verbessert.
Neues Ende: In Nier: Replicant empfiehlt es sich alle Enden freizuspielen, um hinter die wahre Magie der Handlung zu gelangen. Für die Neuauflage wurde noch ein vierter Ausgang ergänzt.
Durch die Wüste
Ähnlich wie in Nier: Automata steuern wir den weißhaarigen Helden samt Gefolgschaft durch eine halboffene Spielwelt mit erinnerungswürdigen Hauptschauplätzen. Dazu lauschen wir einem neu arrangierten, dynamischen Soundtrack, dessen kurze Themen sich schnell wiederholen. Die Level werden mitunter aus wechselnden Kameraperspektiven dargestellt, zum Beispiel aus einem isometrischem Blickwinkel oder einer kunstvollen 2,5D-Seitenansicht.
Besonders sticht die fantasievoll gestaltete Wüstenstadt Façade hervor, die wir nicht nur zu Fuß, sondern auch in kastenförmigen Sandbooten erkunden dürfen. Ja, ein bisschen so wie in Venedig. Dagegen wartet ein in Friedhofsnähe gelegenes Herrenhaus mit schönen Referenzen zum 1996 erschienenen Resident Evil auf. Keines der Settings fällt dabei aus dem Rahmen, denn sie sind glaubhaft mit der Story verwoben.
Die Hauptschauplätze, die wir aufgrund ausgiebigen Backtrackings in der zweiten Spielhälfte allzu oft wiedersehen, sind durch tiefgrüne Gebirgslandschaften oder vielmehr Levelschläuche verbunden. Hier und da öffnen sie sich zwar zu etwas weitläufigeren Gebieten. Diese sind jedoch bis auf ein paar Heilkräuter und gelegentliche Kämpfe aber uninteressant. Gut: Zuweilen stolpern wir noch über einen der fair verteilten Speicherpunkte.
NPCs beziehungsweise Auftraggeber finden sich einzig und allein in den insgesamt drei Städten, darunter eine gleißend helle Hafenstadt mit Nahost-Charme. Hier können wir die wenigen unterwegs gefundenen oder aus den Hauptmissionen erhaltenen Objekte in Bares verwandeln. Das Geld investieren wir überwiegend in Heilgegenstände, Gegengifte oder Schwerter. Andere physische Waffen oder gar Rüstungen gibt es nicht.
Schwertkämpfe im Kugelhagel
Wie gut wir uns in den weitgehend flüssig inszenierten Kämpfen (in kugellastigen Bossfights kommt es zu spürbaren Slowdowns) gegen zumeist schattenhafte Feinde schlagen, wird von zwei Faktoren bestimmt: Zum einen wäre da unsere Charakterstufe, die wie gehabt durch das Sammeln von Erfahrungspunkten erhöht wird. Allerdings erhalten wir Erfahrungspunkte ausschließlich aus Scharmützeln.
Zum anderen spielt die Angriffsstärke unseres Schwertes eine Rolle, wobei wir bessere Klingen nicht immer kaufen müssen, stärkere Waffen kommen manchmal nämlich auch mit dem Spielfortschritt. Die Handhabung der Schwerter ist ausgesprochen griffig. Lediglich im Sprung sind die Angriffstechniken, die sich mittels einprägsamer Tastenkombinationen zu mächtigen Kombos erweitern lassen, etwas unpräzise.
Freilich haben die bierkistengroßen bis in Bosskämpfen turmhohen Schattenmonster gegen scharfe Schneiden ein Mittel. So schlüpfen sie später in unverschämt starke Rüstungen, denen am besten mit unserer zweiten Waffe, der Kampfmagie, beizukommen ist.
Schwarze Magie
Niers stetig größer werdendes Arsenal an Zaubersprüchen ist schon früh im Spiel recht umfang- und abwechslungsreich. Mit dem Schnellfeuer-Zauber Dunkle Explosion können wir uns effektiv gegen Kugelteppiche wehren, während Dunkle Lanze, ein aufladbarer Angriff, kleinere Schatten von den Socken haut und Obermotzen nennenswerten Schaden zufügt.
All das funktioniert nicht zuletzt dank der sinnvollen Auto-Aim-Funktion prächtig. Doch in Nier Replicant geht es nicht allein ums Quatschen und Kämpfen - und so spielt Magie auch bei den extrem gut durchdachten Kisten- und Timingrätseln eine Rolle. Diese schieben sich gelegentlich zwischen die zünftigen Kloppereien, genau wie auch einige Topdown-Ballerpassagen, bei denen wir einmal sogar in einer Art Bergwerkslore unterwegs sind.
Damit das alles zusätzlich einen Wiederspielwert hat, gibt es vier verschiedene Enden, wobei sich sogar die Folgedurchläufe voneinander unterscheiden. Dann erfahren wir nämlich mehr über unsere Begleiter sowie deren Beweggründe - und erleben noch die ein oder andere Story-Überraschung.
Goldener Vogel im hölzernen Käfig
Replicants Stärken liegen klar in der einzigartigen, zeitweilig wehmütigen Stimmung, der wendungsreichen Hauptgeschichte und den technisch ordentlichen Kämpfen. Das optische Update der Neuauflage kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Nier schon beim Erscheinen der Urversion im 2010 für PS3 und Xbox 360 veraltet war.
Wer sich jedoch mit Spaß und Spannung durch eine philosophisch angehauchte Story kämpfen möchte, der ist mit Nier: Replicant gut beraten. Wer darüber hinaus hohe Ansprüche an Spielwelt und Nebenaufgaben stellt, könnte jedoch enttäuscht werden.
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