Neue Geschichte, ähnliche Erzählweise
Nier: Automata entführt uns in eine unbekannte Zeit nach den Ereignissen des Vorgängers und beginnt mit den beiden Charakteren 2B und 9S, die wir bereits in der Demo kennenlernen durften. Die wortkarge Kampf-Androidin und der redselige Scan-Androide gehören dem YorHa-Trupp an, dessen Basis auf dem Mond liegt. Hierhin haben sich auch die Reste der Menschheit zurückgezogen, die die YorHa-Soldaten in einen Stellvertreterkrieg gegen Maschinenwesen auf die zerstörte Erde schicken.
Während der Erstling eine herzergreifende Vater-Tochter-Beziehung zum Dreh- und Angelpunkt der Story macht, startet der Nachfolger vergleichsweise gefühlskalt. Im Zentrum stehen nun nicht länger markante Charaktere wie die ewig fluchende Kaine oder das Sprüche klopfende Zauberbuch Weiss. 2B, 9S und der dritte, noch weitgehend unbekannte spielbare Charakter A2 sind viel ernstere Figuren, die sich aber bewusst von Kaine und Co. absetzen sollen. Wie mir Taro Yoko im Interview verriet, habe er die Geschichte von Nier nicht noch einmal wiederholen wollen und sich deshalb darauf konzentriert, neue Charaktere zu entwerfen.
Trotz des anderen Ansatzes hat Nier: Automata wie der Vorgänger mehrere Enden, die die Handlung aber auf anderem Wege auskleiden sollen.
"Es wäre langweilig, wenn wir in Automata auf der gleichen Art und Weise mit den verschiedenen Enden und erzählerischen Perspektiven umgegangen wären wie im ersten Teil. Wir erzählen die Geschichte von Automata auf ähnlichem Wege, machen aber nicht noch einmal das Gleiche."
In welche Richtung sich die Story letztendlich bewegt, wissen wir allerdings erst, wenn wir die verschiedenen Enden des Spiels freigespielt haben. Aber allein die Tatsache, dass Nier: Automata eben das wieder ermöglicht, stimmt mich bereits hoffnungsvoll. Story-Twists des ersten Teils trafen mich umso härter, weil ich sie durch die untypische Erzählweise nicht vorhersehen konnte. Die Schicksale der Charaktere nahmen mich genau deswegen emotional so sehr mit. Allein durch die multiplen Enden hat Automata das Potenzial, uns in eine ähnlich komplexe, emotional mitreißende Story zu verwickeln.
Brutale, leere Welt
Die Spielwelt scheint atmosphärisch die perfekte Kulisse für eine Geschichte um Krieg und Zerstörung darzustellen. Anders als im Vorgänger schwingt nun nicht länger Melancholie mit, vielmehr soll uns die Welt laut Taro Yoko wie Feinde behandeln. Sie sei unfair, sogar brutal.
Die Ruinenstadt, eines der ersten großen Gebiete des Spiels, scheint diese Stimmung auf dem ersten Blick perfekt zu transportieren. Während ich mir zusammen mit 9S den Weg durch ein leerstehendes Hochhaus bahnte, traf ich weder NPCs, noch konnte ich im Gebäude irgendeinen Rückstand einer früheren Zivilisation feststellen. Es hingen keine Bilder an den Wänden. Es versperrten mir keine ramponierten Möbelstücke den Weg. Nichts.
Die Umgebung außerhalb des Hochhauses schienen Natur und Maschinen indes fair untereinander aufgeteilt zu haben. Sträuche und Bäume ragten über die Dächer der zahlreichen Betonbauten hinaus. Auf den Grasflächen patrouillierten Roboterwesen. Aber auch hier fand ich bis auf ein paar wenige Truhen mit Crafting-Materialen und eine winzige Menschensiedlung nichts, für das es sich anzuhalten gelohnt hätte. Die Ruinenstadt erschien kahl und ausgestorben.
Im Kontext der Geschichte ergibt die Leere des Gebietes aber Sinn. Ich sollte nirgendwo stehen bleiben und nach Erinnerungen an eine vergangene Zivilisation suchen. Ich war eine bloße Schachfigur in einem verbitterten Krieg und kämpfte für eine Seite, die bereits von der Erde vertrieben wurde. Und das ließ mich die Ruinenstadt an vielen Stellen spüren.
Das Spiel mit den Kontrasten
An anderen Stellen fasste ich mir hingegen an den Kopf. Wie die Spielwelt des Vorgängers ist die Ruinenstadt durchzogen von Kontrasten, die vorherige Eindrücke auf den Kopf stellen. Stürmte ich zuvor noch von Kampf zu Kampf, durfte ich an einem kleinen Tümpel inmitten von Hochhausruinen genüsslich angeln. Griff mich ein Elch anfangs an, durfte ich einige Zeit später mit der Hilfe eines bestimmten Tierköders durch Trauben von Maschinenwesen auf ihm reiten.
Die Ausgestaltung des Gebiets ergibt im Kontext der Geschichte Sinn - und in genau solchen Situationen wiederum überhaupt nicht. Sie erscheint zwar brutal, kalt und unfair, durchbricht diese Stimmung aber immer wieder mit friedliebenden Aktivitäten. Am Ende entsteht ein seltsames Bild, das mich wie beim Vorgänger vor die gleiche Frage stellt: Was zur Hölle passiert hier eigentlich?
Linda Sprenger @lindalomaniac
Ich bin erleichtert, wie viel Nier trotz des neuen Entwicklerstudios in Automata steckt. Das Team von PlatinumGames hat dem Nachfolger zwar seinen eigenen Stempel aufgedrückt, bleibt den unkonventionellen Designentscheidungen des ersten Teils aber treu. Nier: Automata ist spielerisch so bunt und abwechslungsreich ist wie der Vorgänger. Gameplay-Mechaniken mischen sich zu einem uneinheitlichen Werk, das aber zur atmosphärisch widersprüchlichen Spielwelt passt.
Das erste Nier faszinierte mich so, weil es mich auf mehreren Ebenen konstant überraschte. Nier: Automata erscheint genauso unvorhersehbar - und damit hat PlatinumGames den Grundstein für ein verrücktes, charmantes und hoffentlich emotional mitreißendes Abenteuer gelegt.
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