Wurdet ihr schon einmal so stark von der Farbkraft eines Fernsehers in den Bann gezogen, dass ihr wie hypnotisiert auf sein Bild starren musstet? Einem Grafikfetischisten wie mir passiert so etwas nicht oft, aber letzte Woche war es zum dritten Mal soweit als ich einen brandneuen LG G3 OLED-Fernseher in 65 Zoll begutachten durfte.
Was für strahlende Farben! Aber die kosten auch einiges: Angesichts von 3999 Euro unverbindlicher Preisempfehlung hätte ich den Tränen nah sein können. Glücklicherweise überwog die Freude.
Hauptgrund dafür ist seine Strahlkraft: Selbst im konservativ eingestellten Spielemodus zeigte mir die HDR-Kalibrierungsfunktion meiner Xbox Series X einen Wert von 1450 Nits an, also deutlich mehr als bei jedem anderen gängigen OLED-Fernseher. Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen! Warum es das aber doch tut und wie meine Begeisterung aus technischer Sicht zu erklären ist, dazu jetzt mehr.
Vor- und Nachteile weißer Subpixel
OLED-TVs punkten in der Regel vor allem bei den Kontrasten, nicht aber bei der Reinheit der Farben und der dafür notwendigen Helligkeit. Viel mehr noch: Weil es üblichen Modellen an Strahlkraft fehlt, raten Expert*innen normalerweise vom Gebrauch in hellen Räumen ab.
Selbst LGs Gallery-Serie, die jedes Jahr zur TV-Spitze gehört, entfaltete bislang ihre volle Kontrastärke vorrangig in dunkler Umgebung, weil es "nur" um klassische OLED-Geräte mit WRGB-Panel ging.
Das W in WRGB steht für 'White' und besagt, dass jeder der vielen Bildpunkte, die das Panel zusammensetzen, neben den drei Grundfarben Rot, Grün und Blau noch einen rein weißen Subpixel verwendet.
Er erzeugt einerseits weiße Flächen, andererseits bestimmt er die Helligkeit aller anderen Farben. Eine bewährte Technik, die schöne Farbtöne und super sattes Schwarz ermöglicht, aber für zwei heftige Schwächen bekannt ist:
Erstens: Je heller die Farben sein sollen, desto ausgebleichter wirken sie, denn der weiße Subpixel überstrahlt die farbigen.
Zweitens: Je größer eine besonders helle Fläche ist, desto schneller muss sie abgedunkelt werden, damit der Bildschirm nicht aufgrund der Hitzeentwicklung der weißen Subpixel Schaden nimmt.
Zurück im Rennen um den besten TV
Beim Anblick des LG OLED65G39LA konnte ich diesem sonst so selbstverständlichen Urteil nicht zustimmen. Ausgebleichte Farben? Wenn überhaupt, dann nur minimal. Gedimmtes Bild bei hellen Flächen? Auch Fehlanzeige!
Selbst bei sehr hellen Bildern und einer Darstellung von mehr als zehn Minuten fuhr das Gerät die allgemeine Helligkeit nur so geringfügig herunter, dass ich es mit dem bloßen Auge nicht erkennen konnte.
Dabei habe ich es wahrlich auf extreme Ergebnisse angelegt. Ich liebe HDR-Demos (beispielsweise HDR Magic Fluids), bei denen meine Augen wortwörtlich in leuchtenden Farben baden. Daher erwartete ich während meiner Testläufe fantastische Bilder mit den üblichen Abstrichen. Tatsächlich staunte ich aber Bauklötze, denn bisher vermochten nur zwei andere Geräte einen ähnlichen Farbrausch in mir auszulösen.
Gemeint sind Sonys A95K und Samsungs S95B. Diese beiden QD-OLED-Geräte aus dem Jahr 2022 verwenden eine von Samsung Display etablierte Technik, bei denen Halbleiter (sogenannte Quantum Dots) vor den Pixeln liegen, um die Farbkraft des Bildschirms anzuheben. Mit so großem Erfolg, dass ich letztes Jahr noch schrieb, die Tage der WRGB-Panels seien gezählt. Nun führt mir der G3 vor Augen, wie sehr ich mich geirrt habe.
Zugegeben: warme Farben beherrschen die beiden QD-OLEDs noch immer einen Hauch besser. Allem voran Rot und Orange wirkt noch eine Nuance tiefer und satter.
Doch der Unterschied ist marginal, und im Ausgleich dafür setzt LGs Neuester Bestmarken bei kalten Farben wie Himmelblau und hellem Grün. Während meiner Testsitzungen verglich ich immer wieder Bilder zwischen meinem A95K und dem G3 und konnte mich nicht entscheiden, welcher von beiden das schönere Bild zaubert. Mal hatte der Eine die Nase vorne, mal der Andere. Nur in Sachen Helligkeit gab es keine Zweifel an der haushohen Führung des G3.
Hier könnt ihr den LG G3 bestellen:
Der Trick mit den Linsen
Aber wie macht LG das? Der südkoreanische Konzern verbaut in allen G3-Modellen bis 77 Zoll eine Schicht aus mikroskopisch kleinen Linsen, die viel von dem Licht, das normalerweise an den Seiten der Pixel verloren geht, bündelt. Diese Schicht nennt sich MLA (Micro Lense Array) und wurde ursprünglich für 8K-Fernseher entwickelt. Wie der G3 beweist, verrichtet sie jedoch auch bei 4K-Fernsehern ihren Job ausgezeichnet.
Im Verbund mit einer verbesserten Nachbearbeitungs-Software erzeugt das diesjährige Modell eine Bildgewalt, die ich der inzwischen in die Jahre gekommenen WRGB-Methode kaum zugetraut hätte. Weil durch die Lichtbündelung weniger Unterstützung durch weiße Subpixel nötig ist, wirken nicht nur alle Farben satter, das Gerät ist auch je nach Bildmaterial fünf bis zehn Prozent energieeffizienter.
So schlägt sich MLA-OLED bei Spielen:
Die Kombination aus MLA und verbesserter Software ist allerdings auch der Grund, warum der G3 im Spielemodus zwar merklich heller ist als übliche WRGB-OLEDs, aber nicht die gleiche Farbkraft auffahren kann wie in den Farbmodi, die für Filme gedacht sind. Im Spielemodus ist eine geringe Eingabeverzögerung wichtiger als ein idealer Kontrast, daher schaltet LG hier sämtliche Nachberechnung ab.
Das ist ein wichtiges Verkaufsargument, weil LG-Bildschirme einen guten Ruf unter Gamern genießen, und der G3 enttäuscht ebenfalls nicht. Zumal er als einer von wenigen TVs dieses Jahr vier vollständige HDMI-2.1-Buchsen samt 4K 120 Hz-Unterstützung, VRR und Dolby Vision Gaming mitbringt. Im Gegensatz zur nächsten Sony-Generation, die nur auf zwei Ports mit voller Bandbreite kommt.
Dank des Linsen-Arrays sieht die Grafik von PlayStation 5- und Xbox Series-Spielen absolut fantastisch aus. Horizon: Forbidden West und God of War Ragnarok wirkten (auf einem WOLED-TV) noch nie so farbenfroh.
Ein Ausblick auf die Zukunft
Ein so berauschendes Erlebnis wie bei HDR-Demos und Animationsfilmen, etwa Disneys Encanto, dürft ihr ohne eine verzögerte Bildnachbearbeitung aber nicht erwarten. Das schafft bislang noch kein Fernseher. Auch QD-OLEDs nicht. Aber wer weiß, welche Technik mich im nächsten Jahr beeindrucken wird, nun da die klassische OLED-Technik ein gehöriges Upgrade bekommen hat.
Das Linsen-Array könnte sogar schon im günstigeren Konsumenten-Lineup für 2024 - sprich der kommenden C-Reihe - enthalten sein. Nicht nur bei der teuren G-Serie, die ein ordentliches Loch in meinen Geldbeutel gerissen hat. Aber ich will mich nicht beschweren, für mich hat es sich gelohnt!
Habt ihr noch vor dieses Jahr einen Fernseher zu kaufen oder wollt ihr noch bis nächstes Jahr in der Hoffnung darauf warten, dass QD-OLED und MLA-WOLED günstiger zu haben sind?
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