Meinung - Der Anfang von Final Fantasy 15 macht Spaß, die Helden aber nicht

Final Fantasy 15 soll die mageren Jahre der letzten Ableger vergessen machen. Doch so groß die Fortschritte in spielerischer Hinsicht auch sind, das Helden-Quartett lässt noch zu wünschen übrig.

Noctis gehört nicht gerade zu den sympathischsten Final Fantasy-Helden. Noctis gehört nicht gerade zu den sympathischsten Final Fantasy-Helden.

Es ist gar nicht so lange her, da wäre ein kommender Final-Fantasy-Ableger mit Open-World-Konzept wohl von einem gigantischen Hype begleitet worden, der das Spiel schon im Vorfeld als neuen Höhepunkt der Reihe gefeiert hätte. Doch nach der unbeliebten Subreihe zu Final Fantasy 13 sowie den zahllosen Remakes und Spin-offs der letzten Jahre sieht sich das legendäre JRPG-Franchise mit Reaktionen konfrontiert, die sie früher nicht in diesem Ausmaß kannte: Skepsis und Vorsicht.

Natürlich gibt es weiterhin eine treue Fan-Gemeinde, die mit Freude auf Final Fantasy 15 hinfiebert und dennoch bleibt die unterschwellige Angst, dass die Marke ihren Zenit längst überschritten hat. Jeder neue Eintrag zögert den langsamen Tod doch ohnehin nur weiter hinaus und die einstige Größe bleibt sowieso auf ewig unerreicht. Aber eigentlich sieht die Spielwelt ja auch so großartig aus und es soll doch auch vieles besser werden. Mit dem neuen Ableger steht das ganze Franchise auf Messers Schneide.

Final Fantasy 15 soll nun die Einsicht von Square Enix zeigen, dass sich die Final-Fantasy-Reihe in die falsche Richtung entwickelt hat. Endlich dürfen wir die Akte Lightning beiseite legen und endlich nimmt spielerische Freiheit den Platz der überlangen Cutscenes ein. Nach einem halben Nachmittag mit Final Fantasy 15 blicke ich auf einen erfrischenden Einstieg in das Rollenspiel zurück und mache mir dennoch etwas Sorgen um die nächsten 50 Stunden.

Der Autor
@Treibhausaffekt
Hannes ist zwar kein Final-Fantasy-Fan der ersten Stunde (dafür ist er dann doch etwas zu jung), hat aber auch die frühen Teile der Reihe nachgeholt. Zu seinen Favoriten zählen Final Fantasy 9, Final Fantasy 6 und ja, auch Final Fantasy 12. Er freut sich auf den neuen Teil und hofft, endlich die Angst ablegen zu können, dass die Marke auf Dauer ihre einstige Bedeutung verloren hat.

Ich könnte sehr viel über die neuen Features sprechen, die Final Fantasy 15 von dem »Cinematic RPG«-Stigma erlösen und dem Spieler ausreichend Gameplay in die Hand geben. Doch die weitläufigen Areale, die Nebenquests, das Magie-System und auch das actionreiche Kampfsystem machen nicht meinen Ersteindruck aus. Zwar finden sich hier viele dringend benötigte Ideen, wirklich neu sind die Elemente im Einzelnen jedoch nicht. Spielerisch ist die Final Fantasy-Reihe wieder auf Abwechslung getrimmt.

Weniger ist mehr

So viele Neuerungen Final Fantasy 15 aber auch für Serien-Veteranen und -Neulinge plant, meine größten Hoffnungen beruhen nicht auf neuen Features, sondern auf der wiedererlangten Zugänglichkeit der erzählten Welt. Das krude Worldbuilding von Final Fantasy 13 mit seiner Fal'Cie/L'Cie-Esoterik hat auf mich sehr verkopft gewirkt und mir den Zugang zum Spiel erschwert. Die Geschichte wollte unbedingt bedeutsam sein, verpuffte aber schnell in einem verhältnismäßig dünnen Plot.

Das Auto weckt Erinnerungen an Final Fantasy 8 und dient zudem im späteren Spielverlauf als Luftschiff. Video starten 1:29 Das Auto weckt Erinnerungen an Final Fantasy 8 und dient zudem im späteren Spielverlauf als Luftschiff.

Der Beginn des Abenteuers von Prinz Noctis und seinen Freunden verläuft vielleicht deshalb so einsteigerfreundlich, weil er leichtherzig und unbeschwert daherkommt. Die vier Helden in der schwarzen Kluft fahren mit dem Auto über Asphaltstraßen in das benachbarte Königreich, um dort die zukünftige Braut des rebellischen Prinzen zu treffen. Anstatt schon mit dem Spielbeginn die schweren Themen auf dem Tisch zu werfen und mich zu zwingen, sofort alles über Politik, Gesellschaft und Mythologie der Spielwelt zu begreifen, nimmt sich Final Fantasy 15 anfangs Zeit.

Aus dem Autoradio ertönen Pop-Melodien, während ich nach einer Panne das Auto zur nächsten Werkstatt schieben muss. Nirgends ist die befürchtete, künstliche Schwere zu spüren und ich habe ausreichend Zeit, mich mit den vier Burschen zu beschäftigen, die ich in Zukunft begleiten werde. In Verbindung mit der überraschend "realistisch" inszenierten Spielwelt fällt es mir leicht, mich in diese Landstraßen, Restaurants und Camping-Plätze hineinzudenken. Ob dieser Ansatz auf Dauer spannend bleibt, muss sich zeigen, zumindest versperrt mir aber kein dichter Busch aus prätentiösen Vokabeln den Zugang.

Die ersten Stunden von Final Fantasy 15 sind also geprägt von gelangweilten Protagonisten, die nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen. Das Auto ist in der Reparatur, also entscheide ich mich dazu, mit ein paar Nebenaufgaben an bitter nötiges Kleingeld zu kommen. Denn finanziell ist die royale Truppe auf ihrem Roadtrip nicht sonderlich gut aufgestellt. Diese anfängliche »Banalität« von Final Fantasy 15 gefällt mir sehr. Ich mag es nämlich nicht, wenn mir Geschichten keinen Raum geben, um selbst ein Gefühl dafür zu bekommen, was beim zentralen Konflikt auf dem Spiel steht.

Die falschen Leute im richtigen Spiel

Leider bedeutet eben diese Quality Time, die ich mit dem frischen Helden-Cast verbringen darf, dass ich auch die Makel der Vierer-Truppe sofort zu spüren bekomme und davon gibt es leider jede Menge. Während mir Lightning, Snow, Hope und Co. in erster Linie egal waren, hege ich schon nach einer halben Stunde Antipathien für meine Protagonisten. Über die eintönige Kleidung der Helden kann ich hinweg sehen, vor allem, da ich sie auch durch Freizeitkleidung ersetzen kann.

So eintönig die Heldentruppe auftritt, so einfältig scheint sie anfangs auch zu sein So eintönig die Heldentruppe auftritt, so einfältig scheint sie anfangs auch zu sein

Schwieriger fällt mir es mir da schon, zu akzeptieren, dass ich es mit verwöhnten Schnöseln zu tun habe, die mit ihrer Selbstgefälligkeit dafür sorgen, dass ich nur bedingt Empathie leisten konnte, als die Geschichte plötzlich düstere Richtungen einschlug. Dass Noctis, Ignis, Prompto und Gladio befreundet sind, merke ich sofort. Warum ich mich aber um ihre Gefühle scheren sollte, konnte mir Final Fantasy 15 in den ersten Stunden nicht vermitteln.

Aber es ist nicht nur die anfängliche Oberflächlichkeit der Truppe, die mich mit gemischten Gefühlen zurücklässt. Es tut mir leid, aber ich kann es einfach nicht mehr verzeihen, wenn sich eine vierköpfige Männertruppe mit zweideutiger Eindeutigkeit über eine lasziv dargestellte Frauenfigur unterhält. Vor allem dann nicht, wenn dies die einzige weibliche Figur ist, die mir in den ersten Stunden begegnet. Ich kann und will mich mit solchen Spielfiguren nicht identifizieren. Dies wird noch verstärkt, wenn ich abends am Lagerfeuer durch die Fotos von Prompto schaue und sich die Gruppe mit bestem Herrenhumor über Bilder der leicht bekleideten Cindy freut.

Dieser Schatten der Fremdscham hing über dem positiven Gesamteindruck der ersten Spielstunden von Final Fantasy 15. Für mich stehen und fallen die Ableger der Reihe mit den Figuren, die ich durch ihr Abenteuer steuere. Natürlich wird es Spieler geben, die sich mit den vier Kumpeln anfreunden können und wahrscheinlich macht die Truppe auch eine Entwicklung im Verlauf der Geschichte durch, mir scheint der Zugang aber erst einmal erneut versperrt. Ich möchte ja unbedingt weiterspielen, aber bitte nicht so.

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